Abraham – Ostanatolien 11
Während die anderen mit ihren Fotoapparaten unterwegs sind und versuchen die biblische Weite Südostanotoliens im Bild einzufangen, hänge ich im Schatten eines Johannisbrotbäumchens meinen Gedanken nach. Hier also soll Abraham, der große Stammvater des biblischen Volkes bis zu seinem Aufbruch nach Kanaan gelebt haben?
“Was denkst du” fragt mein Mann während er sich neben mir niederlässt.
“Es ist so schön, so ruhig und friedlich hier. Hier würde ich gerne bleiben. Ich frage mich gerade, was einen alten Mann wie Abraham veranlasst haben mag Gottes Ruf zu folgen, alle Zelte abzubrechen und in eine ungewisse Zukunft aufzubrechen, um anderswo ganz neu anzufangen.” Ich spüre den verständnislosen Blick meines Mannes.
“Zieh weg aus deinem Land, von deiner Verwandtschaft und aus deinem Vaterhaus in das Land, das ich dir zeigen werde”, zitiere ich ungefragt den entsprechenden Bibelvers. “Weißt du, von hier, wo wir jetzt sitzen, soll Abraham damals seine große Reise angetreten haben.“
“Naja, einen historischen Beweis für Abraham gibt es ja nicht“, antwortet mein Göttergatte nüchtern.
„Richtig. Aber ein paar Indizien gibt es schon, die für das sprechen, was in der Bibel steht. Doch im Grunde sind mir historische Beweise gar nicht wichtig. Abraham ist ein schönes Bild für Mut, Vertrauen und Loslassen. Erinnere dich an den Katholikentag in Mannheim. Wie unvorstellbar war es für unsere Gemeinde Gäste außerhalb der vertrauten Räumlichkeiten zu beherbergen? Und wie viel Lob und Anerkennung ernteten wir im Nachhinein. Dass dies alles nicht von ungefähr kam, daran glaube ich.”
„Das war zwar ein Haufen Arbeit, aber auch eine Erfahrung, die ich nicht missen möchte. – Sonnenstrahlen für die kalten Wintertage, zwinkert mein Mann mir zu.”
„Siehst du, das ist es was ich meine. Es gibt Menschen, die reagieren geradezu allergisch auf jede Art von Neuerungen. Alles soll so bleiben wie es früher war und wie es immer schon gemacht wurde. Damit nehmen sie sich jede Chance etwas Neues zu entdecken, neue Beziehungen zu knüpfen und den Horizont zu erweitern. ‘Zieh weg aus deinem Vaterland’, so heißt es im Bibelvers. Mit dem Vertrauen auf Gott, Altes zu lassen und Neues zu wagen, dafür steht für mich Abraham.”
Christa Schwemlein
Kleingedrucktes:
Erlebt in Harran, am Dienstag, den 15. Oktober 2013 im Schatten eines Johannisbrotbäumchens.
P.S.
Die Gedanken unter dem Johannesbrotbäumchen sind am 15.03.2014 unter dem Thema „Raus aus dem Trott“ in einen Gemeindegottesdienst eingeflossen.
Der Beitrag wurde am Samstag, den 20. September 2014 um 21:36 Uhr veröffentlicht und wurde unter Kirche, Kleine Bibelkunde, Reisen, Vertrauen abgelegt. du kannst die Kommentare zu diesen Eintrag durch den RSS 2.0 Feed verfolgen. du kannst einen Kommentar schreiben, oder einen Trackback auf deiner Seite einrichten.
11 Reaktionen zu “Abraham – Ostanatolien 11”
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Am 26. September 2014 um 22:19 Uhr
“Zieh weg aus deinem Land, von deiner Verwandtschaft und aus deinem Vaterhaus….”
Immer mehr komme ich für mich persönlich zu dem Schluß, dass das ein weiser Ratschlag ist. Die große Übung dabei ist für mich, dass das mein Nachbar gänzlich anders sieht, auch – zu Recht.
Am 27. September 2014 um 11:04 Uhr
Hallo Menachem,
was mich an dem Platz in Harran fasziniert hatte war die Erkenntnis, dass die Geschichte von Abraham gleich in drei Weltreligionen und damit für ungefähr zwei Drittel aller Menschen auf unserer Erde von Bedeutung ist. Also muss doch was dran sein, an dieser biblischen Gestalt.
Was ich nicht verstehe: Wieso liegt für dich die große Übung im Nachbarn? Vielleicht ist für den Nachbar die Zeit noch nicht reif aufzubrechen und wegzuziehen? „Vaterhaus“ könnte ja auch ein Bild für „erwachsen“ sein? Vielleicht ist der Nachbar noch nicht so weit sich von „Mamas Rockzipfel“ zu lösen?
Ich denke die große Übung liegt nicht im Aufbruch des anderen. Die große Übung wird immer mein eigener Aufbruch sein. Damit meine ich nicht eine räumliche Veränderungen, ein Umzug vom Erdgeschoß in ein höheres Stockwerk , sondern vielmehr den „Aufbruch” zu mir selbst“, raus aus den eingeschliffenen Gewohnheiten, „Raus aus dem Trott“.
Das Alte kennen wir, es ist uns vertraut. Das Neue, das was wir vor uns haben ist fremd und macht Angst. Womit wir mal wieder bei “unserem” Thema wären. Wie der Aufbruch gelingen kann? Eine Antwort gibt uns Abraham.
Liebe Grüße
Christa
Am 2. Oktober 2014 um 20:29 Uhr
„Vaterhaus“ könnte ja auch ein Bild für „erwachsen“ sein?
Ja, Christa, es könnte. Eine sehr schöne Metapher. Es könnte auch viele andere Bedeutungen haben, die sich für jeden irgendwie anders erschließt.
Das friedliche, manchmal leichte und manchmal tiefgründige diskutieren, das finde ich leider nur sehr selten in meinem Lebensumfeld. Das fehlt mir.
Doch: Immer wieder schön, dass es dennoch vorhanden ist.
Am 3. Oktober 2014 um 11:58 Uhr
könnte ….
könnte auch die Bedeutung von dem Wörtchen “man” haben, hinter dem sich so Vieles verstecken lässt. Es könnte eventuell auch die Bedeutung von “Staat” haben, von dem “man” so viel erwartet ohne dabei zu bedenken, dass “man” selbst ein Teil in diesem Ganzen ist. Es könnte auch die Bedeutung von “Gesellschaft” haben, die immer an allem Schuld ist. Es könnten auch “die da oben” gemeint sein, gegen die sich ja sowieso nichts ausrichten lässt. Selbstverständlich könnte es auch das reale Elternhaus sein. Ich kenne genügend Beispiele von “erwachsenen” Kindern, die auf das “Erwachsensein” pochen, sich aber nach wie vor gerne von den Eltern versorgen lassen oder ein lebenlang ihre Eltern dafür verantwortlich machen, dass ihr Leben nicht geglückt ist, sie keine Erfüllung in dem von den Eltern vorgeschlagenen Beruf gefunden haben, usw …
“Zieh weg aus deinem Vaterhaus!”, in dem Sinne, – zieh weg und übernimm endlich selbst Verantwortung ist in den genannten Beispielen sicherlich eine gute Empfehlung. Dass so ein “Umzug” keine leichte Turnübung ist, ist klar. Er erfordert Mut und Vertrauen. Vertrauen auch in die eigenen Fähigkeiten.
Ich gebe dir Recht, je nachdem in welcher Lebenssitutation ich gerade stecke wird sich mir mit der Erzählung von Abraham und dem Bild des “Vaterhauses” immer etwas anderes erschließen.
Zitat: “Das fehlt mir.”
Mir hat es auch gefehlt Menachem. Ich habe solche Räume in meiner Kirche gefunden. Allerdings lagen sie nicht vor der Haustür. Ich musste aufbrechen und sie suchen. Doch wie heißt es so schön? “Wer suchtet, der findet”.
Liebe Grüße nach Leipzig
Christa
P.S.
Mit unseren Gottdiensten mit anschließendem Kirchencafé zum Austausch, möchte ich in meiner Gemeinde solche Räume schaffen. Ein Anfang ist gemacht.
Auge für Auge, Zahn für Zahn
Am 3. Oktober 2014 um 21:26 Uhr
Es kann sein, @Christa, das hinter meinem “man” ein verstecken liegt.
Es war nie meine bewußte Absicht, Dinge zu verbergen. Oder, in diesem deinem blog hier, “nicht ehrlich” zu sein. Doch – ich halte es durchaus für möglich, das mir das nicht immer gelungen ist. Wenn dieser Eindruck entstanden ist, kann ich nur schreiben, ich kann/konnte nicht anders.
Wenn ich der Meinung bin, meine Gedanken hierzu einigermaßen geordnet zu haben, möchte ich gerne einmal in meinem blog mehr zum “man” schreiben.
Wie du in deinem PS schreibst, liebe Christa, verstehe ich schon, dass das reale Leben und die dort gefundenen Räume eine andere Kraft entwickeln, als sie im virtuellen Raum möglich sind. Doch – auch der virtuelle Raum hat seine Möglichkeiten, vielleicht auch gerade deshalb, weil er nicht so persönlich ist.
Egal – wie dem auch sei. Auf die nächsten Jahre?
Am 3. Oktober 2014 um 23:39 Uhr
Vielleicht mag der SchreiberIN des 5. Kommentares sich outen. Von mir ist er jedenfalls nicht geschrieben.
Am 4. Oktober 2014 um 09:38 Uhr
Hi @Menachem.
Anhand der IP-Adressen vermute ich, dass der 5. Kommentar unter meinem Namen von dir ist. Sollte dies nicht der Fall sein, so lass mich das bitte wissen.
Dass du gerade auf das “man” anspringst bringt mich zum schmunzeln. Es lag nicht in meiner Absicht auf Altes zu zielen. Ich schrieb ganz einfach nur ein paar Gedanken aus der Gottesdienstvorbereitungsrunde zu unserem zweiten Kirchencafé mit dem Thema: “Raus aus dem Trott!” –
Dennoch sind unsere Kommentare schöne Beispiele dafür, wie wir Menschen ticken. Unsere Reaktionen auf etwas haben doch wirklich immer etwas mit uns zu tun.
Der virtuelle Raum ist ein Zeichen der Zeit, er bringt uns einander näher. Verantwortungsvoll genutzt bietet er viele Chancen und Möglichkeiten und es stellt sich letztendlich die Frage ist Virtuelles “real”?
Am 4. Oktober 2014 um 12:00 Uhr
Ups.., falsches Auto-fill-in.
Schreiber Kommentar Nr.5: Menachem
Am 4. Oktober 2014 um 12:18 Uhr
Na, dann wär’ das jetzt auch geklärt.
Am 6. Oktober 2014 um 10:20 Uhr
Hallo Christa,
habe mitgelesen und schreibe nun mal zurück.
Deine Kennung ist schon vorgegeben.
Ich denke, da stimmt was nicht in der Einstellung??????
Petra
Am 6. Oktober 2014 um 14:19 Uhr
Hallo Petra,
danke für die Rückmeldung. Tut mir Leid, aber ich weiß noch nicht an was das liegen könnte.
Gruß
Christa