Urfa, Abrahams Heimatstadt – Ostanatolien 11
Inzwischen sind wir in Sanliurfa, besser bekannt unter dem kurzen Namen Urfa. Bis ins Mittelalter hinein hieß die Stadt Edessa. Sie gilt heute als eine der ältesten Städte der Welt. Während der Regierungszeit von König Nimrod soll hier Abraham geboren worden sein. Der Legende nach ließ Nimrod alle schwangeren Frauen einsperren, als ihm vorhergesagt wurde, dass einer kommen würde, um eine neue Religion zu verbreiten. Abrahams Mutter jedoch gelang die Flucht und schenkte ihrem Sohn in der heute „Heiligen Grotte“ von Urfa das Leben.
Bevor wir jedoch die Grotte und deren Umgebung besichtigen, fahren wir am Vormittag in den Ort, wo Abraham mit seiner Frau Sarah bis zu seinem Aufbruch nach Kanaan gelebt haben soll, nach Harran. Hier bestaunen wir die Relikte der einstigen Festung und die bienenkorbähnlichen Trullihäuser. Die Häuser stehen mittlerweile unter Denkmalschutz und sind kaum mehr bewohnt. Lediglich für Touristen wurden zwei Trullidörfer hergerichtet. Sie dienen heute als Museum.
Wieder zurück in Urfa besuchen wir zuerst das Herzstück der Stadt, die Parkanlage Dergah. Hier befindet sich auch die „Heilige Grotte“, die übrigens ein bedeutender islamischer Wallfahrtsort ist. Dem Quellwasser der Grotte wird heilende Wirkung nachgesagt. Und da mich mit zunehmenden Alter immer mal wieder ein Wehwehchen plagt und ich nicht nur gläubig, sondern auch ein bisschen abergläubig bin, schlüpfe ich in eine langärmelige Jacke, kremple die Hosenbeine herunter, ziehe mir ein Kopftuch über und reihe mich in die lange Schlange der Pilger ein, um ein Schlückchen von dem Wunderwasser zu nehmen.
Wenige hundert Meter weiter stehen wir vor einem großen Wasserbecken, das ebenfalls mit dem Erzvater in Verbindung gebracht wird und sich „Abrahams Teich“ nennt.
Der Volksmund berichtet, dass der inzwischen herangewachsene Abraham sich mit seinen 16 Jahren alt genug fühlte, König Nimrod und das Volk von der Existenz eines einzigen Gottes zu überzeugen. Wegen dieser monotheistischen These wurde Abraham zum Tod auf dem Scheiterhaufen verurteilt. Doch Gott ließ Abraham nicht im Stich. Er verwandelte den Scheiterhaufen in einen Teich und die Glutbrocken in Karpfen. Seither gelten die Fische im Becken als heilig und dürfen auf keinen Fall verzehrt werden. Wer es dennoch tut, muss mit ewiger Blindheit rechnen.
Um die Mittagszeit verlassen wir die Welt des Alten Testamentes und wenden uns im Hier und Jetzt Urfa’s Altstadt zu. Die engen Gassen haben ein ganz anderes Flair als anderswo in der Türkei. Neben Türkisch und Kurdisch ist immer auch wieder Arabisch zu hören. Überhaupt ist hier alles ein bisschen arabischer als das, was wir bisher gesehen haben. Die unmittelbare Nähe zu den arabischen Ländern ist deutlich spürbar. Orientalisches Leben mit all den dazugehörigen Gerüchen begegnet uns auch im bunten und lebendigen Basarviertel von Urfa`s Altstadt.
Am späten Nachmittag stehen wir sprachlos in der ältesten Tempelanlage der Welt. Die Grabungsstätte Göbekli Tepe ist eine der jüngsten Sensationen in der Türkei. Erst 1965 wurde unter der Leitung von Klaus Schmidt vom Deutschen Archäologischen Institut mit den Ausgrabungsarbeiten begonnen. Von dem riesigen Areal ist bisher nur ein Bruchteil freigelegt. Doch das, was wir gesehen haben ist weder mit Worten zu beschreiben noch im Bild festzuhalten. Das muss man einfach selbst gesehen haben. Es ist unfassbar! Was mag Menschen im 10. Jahrtausend v. Chr. zu solchen Leistungen motiviert haben?
Am Abend sitzen wir wieder in unserer kleinen Runde zusammen und freuen uns mit Yasemin über ihren neu erworbenen brombeerfarbenen Pullover. Ach ja, Yasemin hat uns letzte Woche besucht und lässt Sie alle ganz herzlich grüßen.
Christa Schwemlein
Kleingedrucktes:
Erlebt am Dienstag, den 15. Oktober 2013.
Der Beitrag wurde am Dienstag, den 16. September 2014 um 18:42 Uhr veröffentlicht und wurde unter Reisen abgelegt. du kannst die Kommentare zu diesen Eintrag durch den RSS 2.0 Feed verfolgen. du kannst einen Kommentar schreiben, oder einen Trackback auf deiner Seite einrichten.
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