4. Juli 2016 von Christa

Ein Katholikentagsgeschenk – Fortsetzung Katholikentag 2016

Es ist seltsam. Juden und Christen stammen aus derselben biblischen Wurzel. Die Tatsache, dass Jesus aus dem jüdischen Volk hervorgegangen ist, stellt eine weitere Verbindung dar. Dennoch habe ich das Gefühl, mehr über den Islam zu wissen als über das Judentum. Na, vielleicht bin ich heute Abend ja gescheiter. Ich verabschiede mich von meinem Mann, wünsche ihm viel Spaß in der “Leipziger Pfeffermühle” und mache mich auf den Weg zum “jüdisch-christlichen Dialog” in Leipzigs Innenstadt.

Sieh, ein Mensch! – Virtuelles wird Reales

Wir kennen uns nun 10 Jahre. Vielleicht auch länger, so genau weiß ich das gar nicht mehr. Heute soll unsere langjährige “E-Mail-Bekanntschaft” eine persönliche Note bekommen. Der Geist des Katholikentages scheint meine Zweifel der letzten Tage, ob ich zu diesem Treffen gehen soll oder nicht, sprichwörtlich weg geweht zu haben. Ich freu’ mich und bin gespannt, ob das Bild, das ich mir von meinem Blogkollegen gezeichnet habe mit meiner realen Wahrnehmung übereinstimmt. Oder ob diese Begegnung zu einer Desillusionierung führt, zu einer Enttäuschung gar?

Bei echten Begegnungen, so meine ich, ein gutes Gespür für mein Gegenüber zu haben. Da ich im direkten persönlichen Kontakt den Menschen mit all seinen Sinnen wahrnehme, erfahre ich einiges von ihm: Wie er aussieht, wie er riecht, wie er sich kleidet und sich bewegt. Ich spüre, ob er sicher oder unsicher ist und sehe, ob er mir in die Augen schauen kann oder nicht. Stimme, Lachen und Tränen erzählen mir etwas über seine Gefühlslage. Hinzu kommt, dass ich direkt gespiegelt bekomme, wie ich selbst auf mein Gegenüber wirke. All diese Details und viele andere mehr fügen sich wie Puzzleteile zu einem Bild meines Gesprächspartners zusammen.

Diese Informationen fehlen bei einer reinen “E-Mail-Bekanntschaft”. Die Kommunikation reduziert sich bei derartigen Beziehungen ausschließlich auf das geschriebene Wort. Durch den Wegfall der nonverbalen Kommunikation weiß ich nicht sofort, mit wem ich es zu tun habe und ob ich das, was mir mitgeteilt wird, als echt ansehen kann. Online lässt sich die eigene Person ja wunderbar verkaufsfördernd aufpolieren. Selbst auf die Gefahr hin für verrückt gehalten zu werden, habe ich mir eine gesunde Portion Skepsis bewahrt.

Es bleibt also nur der Text, der online zu mir spricht. Und hier liegt auch die Crux. Im Grunde ist es ja nicht der Text, der spricht, sondern ich bin es selbst, die mit mir ein Gespräch führt. Weil ich nur das geschriebene Wort habe, ist es durchaus möglich eigene Vorstellungen und Fantasien auf den Schreiber zu projizieren. So entsteht mit der Zeit ein Phantombild, das der Realität nicht entsprechen muss. Damit dieser Fall nicht eintritt habe ich mir frühzeitig angewöhnt, aufmerksam und sensibel zwischen den Zeilen zu lesen.

Nach dieser kleinen Betrachtung über Online- und Offlinebekanntschaften kehre ich wieder zurück nach Leipzig. Jetzt wird es spannend. Ein letzter Blick in den Spiegel und auf ins Café Spizz. Mein Blogkollege ist bereits da. Wir erkennen und begrüßen uns. Die Atmosphäre des Katholikentages macht es uns leicht miteinander ins Gespräch zu kommen. Ich erfahre zwar nichts über das Judentum, jedoch ganz im Sinne des Katholikentagmottos, einiges über den Menschen, der mir gegenüber sitzt. Wir tauschen uns über Beruf, Alltag und Erfahrungen von sechs Lebensjahrzehnten aus. Und das ist mir ehrlich gesagt in diesem Moment auch lieber als über religiöse Unterschiede zu diskutieren. Nach drei kurzweiligen Stunden verabschieden wir uns. Mit dem Gefühl, dass diesmal, anders als vor Jahren, Begegnung mit echtem Interesse am Anderen stattgefunden hat, gehe ich weiter. Auch das war Katholikentag – ein Katholikentagsgeschenk.

Hinter mir liegen drei schöne Stunden, die sich wunderbar in mein Katholikentagsprogramm eingefügt haben. Ob es nun ein persönlicher „Austausch“ war, darüber mag ich abschließend nicht nachdenken. Das würde mir das Geschenk der letzten Stunden nur wieder nehmen.

Christa Schwemlein
Fortsetzung folgt …

Erlebt am:
Freitagmittag den 27. Mai 2016


Der Beitrag wurde am Montag, den 4. Juli 2016 um 22:36 Uhr veröffentlicht und wurde unter Herz und Verstand, Kirche, Menschliches abgelegt. du kannst die Kommentare zu diesen Eintrag durch den RSS 2.0 Feed verfolgen. du kannst einen Kommentar schreiben, oder einen Trackback auf deiner Seite einrichten.

Eintrag Nr. 11912 | Kategorie Herz und Verstand, Kirche, Menschliches | 2 Kommentare »





2 Reaktionen zu “Ein Katholikentagsgeschenk – Fortsetzung Katholikentag 2016”

  1. Menachem

    Deinem gesamten Beitrag, liebe Christa, stimme ich in allen Teilen voll und ganz zu. Besonders auch deinen Gedanken zum bloggen und den fehlenden nonverbalen Elementen eines realen Gespräches.

    Ich denke, dass nicht nur ich mich immer wieder mal frage, warum blogge ich? Und ich sehe das von Zeit zu Zeit anders. Wahrscheinlich auch, weil ich jeweils„…an einem anderen Punkt unserer Lebensgeschichte zu stehen.“ So nehme ich deinen Satz für mich mit. Mal ist im bloggen meine Wut enthalten, die ein Ventil sucht, mal Ohnmacht, Konflikt, Ratlosigkeit, Reflexion, Zustimmung,.. mal aber auch Anerkennung, Gemeinschaft, Austausch…..

    Mal bin ich geneigt zu sagen, bloggen ist gar keine Kommunikation. Im ersten Moment einer oberflächlichen Betrachtung erscheint sie nur als solche. Mal neige ich dazu, dass bloggen doch eine Art der Kommunikation sein könnte, aber in einer ganz eigenen und sehr speziellen Art. Die darin wirkenden Elemente sind noch sehr neu, unbekannt, ungewohnt und schwer erkennbar für mich.

    Gut möglich, dass es so viele verschiedene Sichtweisen darauf gibt, wie blogs im Netz. Definitiv aber lösen blogs sehr oft, besonders die mit einer persönlichen Note, Assoziationen in mir aus, die mich manchmal in lange Gedankenkaskaden schrauben. Ich mag diese Anstöße.

    Diese, meine Gedanken als Kommentar, wurden durch deinen Beitrag ausgelöst. Ich finde das einfach schön und hoffe, dass mir das in meinem blog auch hin und wieder gelingt. Es ist ein Geben und Nehmen.

    Herzliche Grüße aus Leipzig,
    Menachem

  2. Christa

    Hallo Menachem,

    >bloggen ist gar keine Kommunikation. Im ersten Moment einer oberflächlichen Betrachtung erscheint sie nur als solche.<

    Das sehe ich nicht ganz so. Seit Paul Watzlawick wissen wir: "Man kann nicht nicht kommunizieren." :-)

    Natürlich gibt es unterschiedliche Beweggründe zu kommunizieren, auch im Netz. Denk doch nur an den großen Bereich der Unternehmenskommunikation. Wie schön lassen sich Blogs ins Marketing-Mix integrieren. Ob es dabei zu Gesprächen mit den Lesern kommt, liegt sicherlich auch da dran, ob der jeweilige Blogbetreiber es versteht, seine Kunden oder die, die es mal werden sollen, so anzusprechen, wie er es auch im persönlichen Gespräch tun würde. Dass Marketing und Werbung besser ankommen, wenn man sie mit dem Herzen versteht ist doch keine Erfindung des Internets. Das wussten bereits unsere Jahrgänge als es noch kein Internet gab. Ansonsten bleibt es eben bei der guten alten "Einwegkommunikation". Die ist ja auch nicht schlecht. Lässt sie sich doch wunderbar zur Information, zur Meinungsbildung, zu Kaufentscheidungen usw. nutzen.

    Doch darauf habe ich mit meinem Beitrag nicht gezielt. Mir ging es vielmehr um Beziehung/Begegnung, wenn du verstehst was ich meine. Warum sollte das Internet von seinen grundsätzlichen Prinzipien des Austausches anders funktionieren als das wahre Leben? Voraussetzung ist wie im normalen Leben eben auch: Interessierte auf beiden Seiten. Beide sind für das Gelingen oder Nichtgelingen verantwortlich.

    Herzliche Grüße nach Leipzig
    Christa

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