1. Oktober 2014

Doodle, wie praktisch!

Sorry, dass ich hier so einfach zwischen die Berichterstattung meiner Ostanatolienrundreise platze. Aber diese Geschichte ist einfach zu süß.

Neulich ging es bei einer unserer Pfarrausschusssitzungen darum, einen gemeinsamen Termin zu vereinbaren. Eine internetaffine Anwesende erklärte sich bereit, mittels „Doodle“ einen Termin zu finden. Vor ein paar Tagen saßen wir wieder zusammen und die Sprache kam auf den bisher noch nicht angelegten Doodletermin. Das sei echt viel Arbeit und sie sei noch nicht dazugekommen. Hm, dachte ich und schaute in die Runde. Vor jedem von uns vier Teilnehmern lag ein Kalender. Vorsichtig stellte ich die Frage, wie es denn wäre, wenn jeder jetzt seinen Kalender nähme und wir hier und jetzt, da wir ja vollzählig seien, nach einem Termin suchen würden? Sie werden es nicht glauben, ruck zuck war der Termin gefunden. :-)

Vieles ist möglich, doch nicht alles ist nötig. Darüber und über einiges andere mehr werden mein Mann und ich am 7.10. 2014 sprechen.

Herzliche Einladung
Christa Schwemlein

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27. September 2014

Alles riesig heute – Ostanatolien 12

Das Schweizer Ehepaar sitzt in der letzen Reihe, die Frau mit den lila Strümpfen irgendwo in der Mitte, die beiden vorderen Plätze im Bus sind frei. Echt, wer reist erlebt was. :-)

Wir verlassen Urfa, passieren ausgedehnte Obst- und Pistazienhaine und sind heute Morgen auf dem Weg zum Atatürk Staudamm. Mit 1,6 km Länge ist er der größte der geplanten und bisher gebauten Staudämme im Rahmen des Südost-Anatolien-Projektes. (GAP), mit dem die wirtschaftliche Erschließung in dieser Region vorangetrieben werden soll. Vor 30 Jahren war hier selten eine grüne Fläche zu sehen, berichtet Süheyl. Das Wasser habe Leben in diese Gegend gebracht. Früher gedieh hier nur Getreide, heute kann fast alles angebaut werden, überwiegend jedoch Mais und Baumwolle. Die gute Wasserversorgung hat neben vieler Vorteile auch Nachteile zu verzeichnen. So warnen zum Beispiel Naturschützer vor einer Versalzung der Erde.

Atatürk Staudamm

Weiter geht es entlang riesiger Baumwollplantagen. An einer halten wir für einen fünfminütigen Fotostopp an. Es ist interessant, wie unterschiedlich lang 5 Minuten für jeden einzelnen doch sein können. Auf der Weiterfahrt erfahren wir etwas über die Baumwollpflanze und, dass Baumwolle ein bedeutender Exportartikel und Deutschland ein wichtiger Baumwollimporteur ist.

Baumwollfeld in Südostanatolien

Um die Mittagszeit wird’s altertümlich. Bei strahlendem Sonnenschein und blauem Himmel stehen wir an der römischen Cenderebrücke und können es kaum fassen, dass diese gut erhaltene Brücke fast 2000 Jahre sein soll.

Ein schmaler, steiler Pfad führt uns hoch in die antike Stadt Arsameia, wo wir die Zeugnisse alter Zeiten bestaunen und natürlich auch fotografieren.

Herakles und Antiochos I

Höhepunkt des heutigen Tages ist zweifelsohne der Berg der Götter von Nemrut Dag mit der monumentalen Grabstätte von König Antiochos I. (69-38 v. Chr.) Die Kultanlagen des kommagenischen Königs wurden 1987 in das UNESCO Weltkulturerbe aufgenommen. Sie befinden sich auf 2.100 Meter Höhe und zählen zu einer der meist besuchten Sehenswürdigkeiten in der Türkei. Nach einem 30 minütigen steilen Aufstieg stoßen wir in luftiger Höhe auf den erhabenen Moment und den tollen Ausblick mit einem Schlückchen Rotwein an.

Aussicht vom Nemrut Dag

Götter am Nemrut Dag Am Berg der Götter - Nemurt Dag

Nach 220 zurückgelegten Kilometern beziehen wir am späten Abend unser Hotel. Yasemin hatte uns vorgewarnt und uns empfohlen, schon morgens im vorherigen Hotel die Haare zu waschen. Ein guter Tip, denn mehr als eine Katzenwäsche wollten wir uns hier nicht zumuten. Und das auch erst nach einem doppelten Rakı.

Christa Schwemlein

Kleingedrucktes:
Erlebt am Mittwoch, den 16. Oktober 2013.

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20. September 2014

Abraham – Ostanatolien 11

Während die anderen mit ihren Fotoapparaten unterwegs sind und versuchen die biblische Weite Südostanotoliens im Bild einzufangen, hänge ich im Schatten eines Johannisbrotbäumchens meinen Gedanken nach. Hier also soll Abraham, der große Stammvater des biblischen Volkes bis zu seinem Aufbruch nach Kanaan gelebt haben?

“Was denkst du” fragt mein Mann während er sich neben mir niederlässt.

“Es ist so schön, so ruhig und friedlich hier. Hier würde ich gerne bleiben. Ich frage mich gerade, was einen alten Mann wie Abraham veranlasst haben mag Gottes Ruf zu folgen, alle Zelte abzubrechen und in eine ungewisse Zukunft aufzubrechen, um anderswo ganz neu anzufangen.” Ich spüre den verständnislosen Blick meines Mannes.

“Zieh weg aus deinem Land, von deiner Verwandtschaft und aus deinem Vaterhaus in das Land, das ich dir zeigen werde”, zitiere ich ungefragt den entsprechenden Bibelvers. “Weißt du, von hier, wo wir jetzt sitzen, soll Abraham damals seine große Reise angetreten haben.“

Biblische Landschaft in Ostanatolien

“Naja, einen historischen Beweis für Abraham gibt es ja nicht“, antwortet mein Göttergatte nüchtern.

„Richtig. Aber ein paar Indizien gibt es schon, die für das sprechen, was in der Bibel steht. Doch im Grunde sind mir historische Beweise gar nicht wichtig. Abraham ist ein schönes Bild für Mut, Vertrauen und Loslassen. Erinnere dich an den Katholikentag in Mannheim. Wie unvorstellbar war es für unsere Gemeinde Gäste außerhalb der vertrauten Räumlichkeiten zu beherbergen? Und wie viel Lob und Anerkennung ernteten wir im Nachhinein. Dass dies alles nicht von ungefähr kam, daran glaube ich.”

„Das war zwar ein Haufen Arbeit, aber auch eine Erfahrung, die ich nicht missen möchte. – Sonnenstrahlen für die kalten Wintertage, zwinkert mein Mann mir zu.”

„Siehst du, das ist es was ich meine. Es gibt Menschen, die reagieren geradezu allergisch auf jede Art von Neuerungen. Alles soll so bleiben wie es früher war und wie es immer schon gemacht wurde. Damit nehmen sie sich jede Chance etwas Neues zu entdecken, neue Beziehungen zu knüpfen und den Horizont zu erweitern. ‘Zieh weg aus deinem Vaterland’, so heißt es im Bibelvers. Mit dem Vertrauen auf Gott, Altes zu lassen und Neues zu wagen, dafür steht für mich Abraham.” 

Christa Schwemlein

Kleingedrucktes:
Erlebt in Harran, am Dienstag, den 15. Oktober 2013 im Schatten eines Johannisbrotbäumchens.

P.S.
Die Gedanken unter dem Johannesbrotbäumchen sind am 15.03.2014 unter dem Thema „Raus aus dem Trott“ in einen Gemeindegottesdienst eingeflossen.

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16. September 2014

Urfa, Abrahams Heimatstadt – Ostanatolien 11

Inzwischen sind wir in Sanliurfa, besser bekannt unter dem kurzen Namen Urfa. Bis ins Mittelalter hinein hieß die Stadt Edessa. Sie gilt heute als eine der ältesten Städte der Welt. Während der Regierungszeit von König Nimrod soll hier Abraham geboren worden sein. Der Legende nach ließ Nimrod alle schwangeren Frauen einsperren, als ihm vorhergesagt wurde, dass einer kommen würde, um eine neue Religion zu verbreiten. Abrahams Mutter jedoch gelang die Flucht und schenkte ihrem Sohn in der heute „Heiligen Grotte“ von Urfa das Leben.

Bevor wir jedoch die Grotte und deren Umgebung besichtigen, fahren wir am Vormittag in den Ort, wo Abraham mit seiner Frau Sarah bis zu seinem Aufbruch nach Kanaan gelebt haben soll, nach Harran. Hier bestaunen wir die Relikte der einstigen Festung und die bienenkorbähnlichen Trullihäuser. Die Häuser stehen mittlerweile unter Denkmalschutz und sind kaum mehr bewohnt. Lediglich für Touristen wurden zwei Trullidörfer hergerichtet. Sie dienen heute als Museum.

Ein touristisches Trullidorf

Wieder zurück in Urfa besuchen wir zuerst das Herzstück der Stadt, die Parkanlage Dergah. Hier befindet sich auch die „Heilige Grotte“, die übrigens ein bedeutender islamischer Wallfahrtsort ist. Dem Quellwasser der Grotte wird heilende Wirkung nachgesagt. Und da mich mit zunehmenden Alter immer mal wieder ein Wehwehchen plagt und ich nicht nur gläubig, sondern auch ein bisschen abergläubig bin, schlüpfe ich in eine langärmelige Jacke, kremple die Hosenbeine herunter, ziehe mir ein Kopftuch über und reihe mich in die lange Schlange der Pilger ein, um ein Schlückchen von dem Wunderwasser zu nehmen.

Wenige hundert Meter weiter stehen wir vor einem großen Wasserbecken, das ebenfalls mit dem Erzvater in Verbindung gebracht wird und sich „Abrahams Teich“ nennt.

Karpfenteich in der Parkanlage Dergah - Abrahams Teich

Der Volksmund berichtet, dass der inzwischen herangewachsene Abraham sich mit seinen 16 Jahren alt genug fühlte, König Nimrod und das Volk von der Existenz eines einzigen Gottes zu überzeugen. Wegen dieser monotheistischen These wurde Abraham zum Tod auf dem Scheiterhaufen verurteilt. Doch Gott ließ Abraham nicht im Stich. Er verwandelte den Scheiterhaufen in einen Teich und die Glutbrocken in Karpfen. Seither gelten die Fische im Becken als heilig und dürfen auf keinen Fall verzehrt werden. Wer es dennoch tut, muss mit ewiger Blindheit rechnen.

Um die Mittagszeit verlassen wir die Welt des Alten Testamentes und wenden uns im Hier und Jetzt Urfa’s Altstadt zu. Die engen Gassen haben ein ganz anderes Flair als anderswo in der Türkei. Neben Türkisch und Kurdisch ist immer auch wieder Arabisch zu hören. Überhaupt ist hier alles ein bisschen arabischer als das, was wir bisher gesehen haben. Die unmittelbare Nähe zu den arabischen Ländern ist deutlich spürbar. Orientalisches Leben mit all den dazugehörigen Gerüchen begegnet uns auch im bunten und lebendigen Basarviertel von Urfa`s Altstadt.

Am späten Nachmittag stehen wir sprachlos in der ältesten Tempelanlage der Welt. Die Grabungsstätte Göbekli Tepe ist eine der jüngsten Sensationen in der Türkei. Erst 1965 wurde unter der Leitung von Klaus Schmidt vom Deutschen Archäologischen Institut mit den Ausgrabungsarbeiten begonnen. Von dem riesigen Areal ist bisher nur ein Bruchteil freigelegt. Doch das, was wir gesehen haben ist weder mit Worten zu beschreiben noch im Bild festzuhalten. Das muss man einfach selbst gesehen haben. Es ist unfassbar! Was mag Menschen im 10. Jahrtausend v. Chr. zu solchen Leistungen motiviert haben?

Ausgrabungsstätte Göbekli Tepe

Am Abend sitzen wir wieder in unserer kleinen Runde zusammen und freuen uns mit Yasemin über ihren neu erworbenen brombeerfarbenen Pullover. Ach ja, Yasemin hat uns letzte Woche besucht und lässt Sie alle ganz herzlich grüßen.

Christa Schwemlein

Kleingedrucktes:
Erlebt am Dienstag, den 15. Oktober 2013.

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7. September 2014

Der Konflikt – Ostanatolien 11

Heute Morgen platzt der Frau mit den lila Strümpfen der Kragen. Sie steigt in den Bus und bemerkt, dass die vorderen Sitze neben unserem Reiseleiter schon wieder mit den Rucksäcken der „Schweizer Fotografen“ belegt sind. Kochend vor Wut schnappt sie die beiden „Platzhalter“, wirft sie schwungvoll auf einen der Sitze in den hinteren Reihen und setzt sich sichtlich verärgert auf einen der reservierten Plätze. Den anderen hält sie für ihren Mann frei. Die Schweizer sind ebenfalls verärgert, kritisieren empört das unmögliche Benehmen der Deutschen und trotten beleidigt in die hinteren Reihen. Seit langem, eigentlich seit Beginn unserer Reise, brodelt dieser Sitzplatzkonflikt zwischen den beiden Paaren. Heute ist er eskaliert. Von jetzt auf nachher ist es im Bus mucksmäuschenstill. Keiner traut sich etwas zu sagen.

Eigentlich hätte die Frau mit den lila Strümpfen wissen müssen, dass es Menschen gibt, die nicht auf Seufzer und verdrehte Augen reagieren. Eigentlich hätte sie wissen müssen, dass es Menschen gibt, die eine klare Ansage benötigen. Und eigentlich hätte sie auch wissen müssen, dass man Probleme mit denen klärt, mit denen man sie hat und zwar unter vier Augen und nicht vor Zuschauern. Doch wenn die Wellen der Emotionen hochschlagen, dann treibt selbst die Ratio studierter Kommunikationsexperten hilflos im Sturm.

Jetzt bin ich doch total vom Thema abgekommen. Eigentlich wollte ich Ihnen von unserem Ausflug in Abrahams Heimatstadt erzählen.

Verzeihung! ;-)
Christa Schwemlein

Kleingedrucktes:
Erlebt am Dienstag, den 15. Oktober 2013.

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1. September 2014

Verloren und wiedergefunden – Ostanatolien 10

Während wir im Bus noch heftig über Konzile und deren Beschlüsse diskutieren nähern wir uns allmählich Mardin, unserem zweiten Reiseziel an diesem Tag. Malerisch schmiegt sich die Stadt an ein steil abfallendes Felsmassiv und zählt sicherlich auch wegen ihrer imposanten Lage zu einer der schönsten Städte Südostanatoliens.

Mardin

Wegen des morgigen Opferfestes ist hier heute die Hölle los. Die ganze Stadt scheint wegen der bevorstehenden Feierlichkeiten auf den Beinen. Ähnlich wie bei uns kurz vor Heiligabend strömen auch hier die Menschen in Massen in die Geschäfte, um die letzten Einkäufe zu tätigen. Parkende Autos und hupende Dolmuşe verstopfen die Straßen. Stellenweise geht nichts vor und zurück.

Bayran, so der Name des mehrtägigen Festes, ist neben dem Ramadan das höchste Fest des Islam. Mit diesem Fest erinnern Muslime an Abrahams Bereitschaft, seinen eigenen Sohn Gott zu opfern. Ja, nicht nur im Juden- und im Christentum auch im Islam wird Abraham als wichtiges Glaubensvorbild betrachtet. Wer die finanziellen Möglichkeiten hat, schlachtet anlässlich des Festes ein Schaf und teilt das Fleisch mit Verwandten und Bedürftigen.

Ein Teil unserer Gruppe steigt vor Beginn unseres Altstadtrundgangs mit unserem Reiseleiter hoch zur Burg, von der man einen fantastischen Blick über die mesopotamische Tiefebene haben soll. Ich bin faul, setzte mich auf eine Treppe, bestaune die Burg und den Burgfelsen kurz von unten und beobachte anschließend das wuseligen Treiben in den Straßen des multikulturellen Städtchens. Hier in der Region leben Menschen mit unterschiedlichen Glaubensüberzeugungen und das spiegelt sich auch in Mardin’s Stadtbild wieder.

Inzwischen ist unsere Gruppe wieder vollständig beisammen und wir drängen uns, wie alle anderen auch, durch die engen Altstadtgassen. Vor jeder Fleischerei liegen Berge von Schafsköpfen, deren Blut sich den Weg abwärts in die Kanalisation bahnt. Kein schöner Anblick. An einer Straßenkreuzung bemerken wir, dass wir den Herrn mit den freundlichen Augen verloren haben. Das letzte Mal wurde er vor dem Aufbruch zu unserem Altstadtspaziergang gesehen. Mist, keiner von uns hat seine Handynummer und er keine von uns. Zwei aus unserer Gruppe gehen zurück, um ihn zu suchen, vergeblich. Süheyl wirkt besorgt, versucht jedoch sich nichts anmerken zu lassen. Die Gefahr sich in der Menschenmenge zu verlieren ist groß. Nach etwa einer halben Stunde kommt Entwarnung. „Der ‚verlorene Sohn’ sitzt wohlbehalten im Bus“, meldet Hussein, unser Busfahrer.

Zum Mittagessen sind wir bei der Frauenschutzorganisation „Kamer“ eingeladen. Diese Hilfs- und Schutzorganisation entstand 1997 in der Osttürkei und engagiert sich für Frauen in Not. Sie hat sich zur Aufgabe gemacht hilfesuchenden Frauen Schutz zu geben, sie zu fördern und weiterzubilden, damit sie künftig auf eigenen Beinen stehen können. Im Gespräch mit den Frauen erfahren wir, dass neben häuslicher Gewalt auch Ehrenmorde Thema sind.

Unser Hotel, im Katalog mit 5 Sternen ausgezeichnet, ist enttäuschend. Wir wohnen im 9. Stock. Zimmer und Bad haben den Charme von vorgestern, der Speisesaal gleicht einer Kantine. Dennoch verbringen wir einen schönen Abend zusammen mit Yasemin, dem „verlorenen Sohn“ und dem Herrn aus Basel.

Christa Schwemlein

Kleingedrucktes:
Erlebt am Montag, den 14. Oktober 2013.

Eintrag Nr. 10177 | Kategorie Reisen | 4 Kommentare »




20. August 2014

Christliches – Ostanatolien 10

Das Frühstück war herrlich. Es war das Erste im Freien während dieser Reise. Wir wollten alle nicht weg, zu schön war die Atmosphäre im Innenhof unseres bezaubernden Hotels, zu üppig und zu gut das Frühstück.

Frühstück im schönen Innenhof von Kasr-I Nehroz

Mir ist unerklärlich, weshalb dieses Haus im Reisekatalog mit nur drei Sternen ausgezeichnet ist. Unser Zimmer war sauber und geschmackvoll eingerichtet. Ok, das Bad war zwar winzig, doch es war alles da: Blütenweiße Hand- und Duschtücher, Bademäntel und Badeschlappen, Fön, Schminkspiegel und Pflegeutensilien. Sogar Zahnpasta und Zahnbürste lagen bereit. Das Menue am Abend war ausgezeichnet, der Wein vorzüglich und das Personal überaus freundlich. Die Lage im Herzen der Altstadt hätte besser nicht sein können. Also, wenn Sie mal in dieser Gegend sind, das „Kasr-I Nehroz“ sollten Sie sich unbedingt anschauen.

Mit einem Eimer Wasser und dem Wunsch „Möge dein Weg so laufen wie das Wasser fließt“ werden wir von der Hotelmannschaft verabschiedet. Dieses Abschiedsritual ist eine alte Tradition. Winkend verlassen wir Midyat, die kleine Stadt mit arabischem Einschlag. Wir sind nun auf dem Weg zu unserem ersten Tagesziel, der Klosteranlage „Deir az-Zafari“. Lange Zeit war dort der Sitz des Patriarchen, bis der Hauptsitz der syrisch-orthodoxen Kirche endgültig nach Damaskus verlegt wurde.

Klosteranlage Deir az-Zafaran

Klosteranlage in Ostanatolien

Kaum aus dem Bus ausgestiegen locken uns fröhliche, aufgeweckte Kinder an ihre Verkaufstische. Keiner von uns kann den kleinen Marktschreiern widerstehen und so feilschen und handeln wir noch vor unserem Klosterrundgang so lange, bis einige der Waren ihre Besitzer wechseln.

 „So viel christliches Leben habe ich in der Türkei nicht erwartet“, stellt die Frau unseres Oberlehrers verwundert fest. Diesmal sitze ich im Bus vor den beiden. Ich bin gespannt auf seine Antwort. “Doch”, sagt er. “Wir befinden uns hier in der Region des “Tur Abdin”, ein Zentrum syrisch-orthodoxer Christen. Sie zählen zu der orientalisch-orthodoxen Konfessionsfamilie und sind Vertreter der Monophysiten, haargenau wiederholt er die Worte unseres Reiseleiters. „Diese gehen davon aus, dass Jesus stets göttlich, nie aber Mensch gewesen sei“, fährt er in seinen Ausführungen fort. Danach referiert er mehr als ausführlich über Nestorius, den ehemaligen Erzbischof von Konstantinopel, der während des Konzils von Ephesus exkommuniziert wurde, weil er sich entschieden gegen die Meinung wandte, Maria habe einen Gott geboren. Nestorius ging nämlich davon aus, dass Jesus ein ganz normaler Mensch war, der wegen seines vorbildlichen Lebensstil Gott immer ähnlicher wurde. Letztendlich berichtet er noch, dass es nach dem Konzil von Chalkedon, wo festgelegt wurde, dass Jesus wahrer Mensch und wahrer Gott zugleich ist, es zum Bruch mit der byzantinischen Reichskirche kam und dies die Geburtsstunde der syrisch-orthodoxen Kirche war.

„Wahrer Mensch und wahrer Gott zugleich, wie kann das sein?“, ruft es von hinten. “Ist Jesus vielleicht ein Zwitterwesen?”  Tja, wie kann das sein? Meine Gedanken schweifen zu meinem „Theologischen Kurs“ vor einigen Jahren. Die Einführungsworte unseres Lehrgangsleiters kommen mir in den Sinn: „Sie nehmen jetzt ihren Glauben, packen diesen in ein Kästchen, versehen ihn mit einer Schleife und öffnen das Kästchen erst nach Ende des Studiums wieder. Danach schauen Sie, was noch passt, angepasst oder abgelegt werden muss”. Mitten in meine Nachdenklichkeit hinein höre ich unseren Reiseleiter sagen: „Man muss nicht fragen, nur glauben. Das ist in allen Religionen gleich.“

Wahrer Mensch und wahrer Gott, zwei Naturen, die in der einen Person Jesu unvermischt und ungetrennt vorhanden sind, das ist wirklich keine leichte Kost.

Christa Schwemlein

Kleingedrucktes:
Erlebt am frühen Montagvormittag, den 14. Oktober 2013.

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15. August 2014

Auf der alten Karawanenroute – Ostanatolien 09

Der gestrige Abend war noch richtig schön. Zusammen mit Yasemin und dem verspäteten Reiseteilnehmer aus Basel saßen wir noch lange in der Hotelbar, haben erzählt, Rotwein getrunken und Nüsse geknabbert. Später gesellte sich noch der Herr mit den freundlichen Augen zu unserer kleinen Runde.

In der Früh haben wir unser schönes Hotel in Van verlassen und sind nun wieder auf dem Weg. Das 390 Kilometer entfernte Midyat ist unser heutiges Ziel. Wunderschön ist die Landschaft entlang dem türkisfarbenen Van-See mit den schneebedeckten Bergen im Hintergrund. Jetzt verstehe ich, weshalb dieser Landstrich als „Perle des Ostens“ bezeichnet wird.

Blick auf den Van-See in Ostanatolien

Süheyl erzählt uns die Sage von der armenischen Königstochter Tamara und warnt uns vor „Vanessie“, dem legendären Seeungeheuer, das seit einigen Jahrzehnten die Menschen rund um den Van-See in Angst und Schrecken versetzt. :-)

Gegen halb zehn erreichen wir Tatvan, den südlichsten Punkt des Sees. Ab jetzt fahren wir auf der ehemaligen Seidenstrasse und passieren die Überreste alter Karawansereien. An einer machen wir für eine Besichtigung halt. Bis etwa 1930 waren Karawansereien für Mensch und Tier von großer Wichtigkeit. Durch den immer stärkeren Einsatz der LKW’s verloren die Unterkünfte jedoch ihre Bedeutung. Viele der ehemaligen Herbergen verfallen, manche werden restauriert und in etwas anderes, zum Beispiel Hotels oder Basare, umgewandelt.

Im Bus belausche ich das ältere Ehepaar schräg vor mir. Er erklärt ihr gerade, wie so oft auf dieser Reise, etwas, das unser Reiseleiter kurz vorher erläuterte. Er blüht so richtig auf, wenn er dies tut. Diesmal geht es um das Wort Karawanserei, das sich aus den Worten Karawane und Serei, das heißt Palast, zusammensetzt. Von der Seite kann ich ihr Lächeln wahrnehmen. Offenbar trägt sie seine oberlehrerhafte Marotte mit Gelassenheit. Älter werden macht schon ein bisschen sonderlich.

Die alte Karwanenroute führt uns durch das Bitlistal, das Zentrum des türkischen Tabakanbaus. Es klemmt. Eine Herde Fettschwanzschafe wackelt elegant den Berg herunter und versperrt uns den Weg. Hoffentlich schafft es dieses Brautpaar noch rechtzeitig zum Altar.

Hei, heute Morgen mach' ich Hochzeit

Eine Herde Fettschwanzschafe versperrt die Straße

Das Provinzstädtchen Bitlis macht vom Bus aus gesehen einen traditionell konservativen Eindruck. Man könnte fast meinen hier leben nur Männer, die nichts anderes zu tun haben, als in den Straßencafés Tee zu trinken und zu reden. Süheyl klärt uns auf. Die vorwiegend kurdischen Bewohner leben überwiegend von der Landwirtschaft. Die Ernte ist in diesem Jahr eingefahren und somit gibt es für die meisten Männer nichts mehr zu tun. Einen Ort weiter, in Batman, machen wir Mittagspause und essen Hühnchen mit Reis. Wir sitzen in derselben Runde zusammen wie gestern Abend – und das ist sehr schön.

Von Batman ist es nicht weit nach Hasankeyf. Der malerische Ort liegt an der antiken Tigris-Furt in Südostanatolien und hat wegen des geplanten Illisu-Staudamm mehr Vergangenheit als Zukunft. Sollte der umstrittene Staudamm zu Ende gebaut werden, würden Hasankeyf und viele andere Ortschaften den Wassermassen zum Opfer fallen. Mit dem Bau der zahlreichen Staudämme will die Regierung durch weitläufige Bewässerungsanlagen das Land wieder fruchtbar machen und den hier lebenden Menschen Brot und Arbeit geben. Ob dieses gigantische Entwicklungsprojekt tatsächlich ein wirtschaftlicher Segen sein wird?

Über die neue Tigris Brücke spazieren wir zurück zu unserem Bus und werfen einen letzten Blick auf das bedrohte Kleinod Hasankeyf und auf die Überreste der alten Brücke.

Die neue Tigris-Brücke

Blick von der neuen Tigris Brücke auf die alte Tigris Brücke

Am Nachmittag steht die Besichtigung des syrisch-orthodoxen Klosters „Mar Gabriel“ auf dem Programm. Es ist eines der ältesten christlichen Klöster der Welt und soll von den noch aktiven Klöstern rund um Midyat das schönste sein. Hier leben der Metropolit, das ist der Bischof der syrisch-orthodoxen Christen, Mönche, Nonnen und Schüler, die tagsüber die normale staatliche Schule besuchen und im Kloster in die aramäische Sprache eingeführt werden. Einer der Schüler führt uns durch die gepflegte Klosteranlage und erzählt uns etwas zur Geschichte des Klosters und zum Klosterleben. Danach sind wir beim Metropoliten zum Tee und einem Gespräch eingeladen.

Ein schönes kleines Hotel, ein ausgezeichnetes Abendessen, ein vorzüglicher Wein, was braucht es mehr?

Unser schönes Hotel in Midyat

Gute Nacht
Christa  Schwemlein

Kleingedrucktes:
Erlebt am Sonntag, den 13. Oktober 2013.

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