Christliches – Ostanatolien 10
Das Frühstück war herrlich. Es war das Erste im Freien während dieser Reise. Wir wollten alle nicht weg, zu schön war die Atmosphäre im Innenhof unseres bezaubernden Hotels, zu üppig und zu gut das Frühstück.
Mir ist unerklärlich, weshalb dieses Haus im Reisekatalog mit nur drei Sternen ausgezeichnet ist. Unser Zimmer war sauber und geschmackvoll eingerichtet. Ok, das Bad war zwar winzig, doch es war alles da: Blütenweiße Hand- und Duschtücher, Bademäntel und Badeschlappen, Fön, Schminkspiegel und Pflegeutensilien. Sogar Zahnpasta und Zahnbürste lagen bereit. Das Menue am Abend war ausgezeichnet, der Wein vorzüglich und das Personal überaus freundlich. Die Lage im Herzen der Altstadt hätte besser nicht sein können. Also, wenn Sie mal in dieser Gegend sind, das „Kasr-I Nehroz“ sollten Sie sich unbedingt anschauen.
Mit einem Eimer Wasser und dem Wunsch „Möge dein Weg so laufen wie das Wasser fließt“ werden wir von der Hotelmannschaft verabschiedet. Dieses Abschiedsritual ist eine alte Tradition. Winkend verlassen wir Midyat, die kleine Stadt mit arabischem Einschlag. Wir sind nun auf dem Weg zu unserem ersten Tagesziel, der Klosteranlage „Deir az-Zafari“. Lange Zeit war dort der Sitz des Patriarchen, bis der Hauptsitz der syrisch-orthodoxen Kirche endgültig nach Damaskus verlegt wurde.
Kaum aus dem Bus ausgestiegen locken uns fröhliche, aufgeweckte Kinder an ihre Verkaufstische. Keiner von uns kann den kleinen Marktschreiern widerstehen und so feilschen und handeln wir noch vor unserem Klosterrundgang so lange, bis einige der Waren ihre Besitzer wechseln.
„So viel christliches Leben habe ich in der Türkei nicht erwartet“, stellt die Frau unseres Oberlehrers verwundert fest. Diesmal sitze ich im Bus vor den beiden. Ich bin gespannt auf seine Antwort. “Doch”, sagt er. “Wir befinden uns hier in der Region des “Tur Abdin”, ein Zentrum syrisch-orthodoxer Christen. Sie zählen zu der orientalisch-orthodoxen Konfessionsfamilie und sind Vertreter der Monophysiten“, haargenau wiederholt er die Worte unseres Reiseleiters. „Diese gehen davon aus, dass Jesus stets göttlich, nie aber Mensch gewesen sei“, fährt er in seinen Ausführungen fort. Danach referiert er mehr als ausführlich über Nestorius, den ehemaligen Erzbischof von Konstantinopel, der während des Konzils von Ephesus exkommuniziert wurde, weil er sich entschieden gegen die Meinung wandte, Maria habe einen Gott geboren. Nestorius ging nämlich davon aus, dass Jesus ein ganz normaler Mensch war, der wegen seines vorbildlichen Lebensstil Gott immer ähnlicher wurde. Letztendlich berichtet er noch, dass es nach dem Konzil von Chalkedon, wo festgelegt wurde, dass Jesus wahrer Mensch und wahrer Gott zugleich ist, es zum Bruch mit der byzantinischen Reichskirche kam und dies die Geburtsstunde der syrisch-orthodoxen Kirche war.
„Wahrer Mensch und wahrer Gott zugleich, wie kann das sein?“, ruft es von hinten. “Ist Jesus vielleicht ein Zwitterwesen?” Tja, wie kann das sein? Meine Gedanken schweifen zu meinem „Theologischen Kurs“ vor einigen Jahren. Die Einführungsworte unseres Lehrgangsleiters kommen mir in den Sinn: „Sie nehmen jetzt ihren Glauben, packen diesen in ein Kästchen, versehen ihn mit einer Schleife und öffnen das Kästchen erst nach Ende des Studiums wieder. Danach schauen Sie, was noch passt, angepasst oder abgelegt werden muss”. Mitten in meine Nachdenklichkeit hinein höre ich unseren Reiseleiter sagen: „Man muss nicht fragen, nur glauben. Das ist in allen Religionen gleich.“
Wahrer Mensch und wahrer Gott, zwei Naturen, die in der einen Person Jesu unvermischt und ungetrennt vorhanden sind, das ist wirklich keine leichte Kost.
Christa Schwemlein
Kleingedrucktes:
Erlebt am frühen Montagvormittag, den 14. Oktober 2013.
Der Beitrag wurde am Mittwoch, den 20. August 2014 um 19:09 Uhr veröffentlicht und wurde unter Kirche, Reisen abgelegt. du kannst die Kommentare zu diesen Eintrag durch den RSS 2.0 Feed verfolgen. du kannst einen Kommentar schreiben, oder einen Trackback auf deiner Seite einrichten.
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