Glauben und Kirche – aus meinem Postkasten
Hallo Christa,
Braucht man zum Glauben eine Kirche?
Die Kirche als Gemeinschaft und als soziale Einrichtung, die einem Halt gibt, finde ich gut. Der Glaube ist hier die Gemeinsamkeit, die die Menschen zusammen führt und hält. Man braucht das aber nicht, um zu glauben. So etwas finde ich auch in Vereinen und anderen Institutionen– wenn auch in etwas anderer Form.
Ich verstehe unter Glauben auch etwas viel Abstrakteres als es die Kirche tut – ohne Regeln, ohne ein Muss – eine Art Vertrauen in irgendetwas Undefinierbares.
Liebe Grüße
Markus
***
Zunächst mal vielen Dank für deine Mail, über die ich mich sehr gefreut habe. Ich finde es erstaunlich, wie oft ich in derartige Gespräche verwickelt werde, sobald ich mich als Christin oute.
Grundsätzlich sehe ich das ähnlich wie du. Ich kann an Gott alleine glauben, dazu brauche ich die Kirche nicht. Ich begegne ihm in der Stille, im Gebet, in der Meditation, in der Natur oder in einem anderen Menschen.
Ich persönlich brauche aber auch eine Gemeinschaft, die mich trägt – wie du selbst auch schreibst. Bei mir hat es sich halt so ergeben, dass ich meine Freunde und Bekannte weder im Sportverein noch am Stammtisch gefunden habe, sondern in der Gemeinschaft meiner Kirchengemeinde. – So viel hierzu.
Ich möchte dir aber noch etwas anderes sagen. Viele Menschen mögen ja den November nicht. „Dieser Monat geht auf’s Gemüt“ – sagen sie. In der Tat gibt es in den kommenden Tagen viele Vorboten, die auf das eigene Sterben und den Tod hinweisen. Da ist Allerheiligen mit dem Besuch des Friedhofs, Allerseelen, Volkstrauertag, Totensonntag und natürlich die vielen fallenden Blätter….
In diesen nebligen Novembertagen kommen mir regelmäßig meine diversen Krankenhausaufenthalte in Erinnerung. Eine meiner damaligen Bettnachbarinnen machte mich mit einem Buch bekannt, das sie sehr beschäftigte. – Das Urteil – geschrieben von Hildegard Knef.
Die Sängerin und Autorin schildert in ihrem Buch die Leidensgeschichte ihrer vielen Operationen. Sie erinnert sich, wie sie einem befreundeten Pfarrer die Frage stellte: „Was sagst du, wenn ein Kind stirbt? Was sagst du den Eltern?“
Der Pfarrer gibt ihr zur Antwort: „Ein Fünfjähriger starb vor zwei Wochen. Ich will euch sagen, warum ich Christ bin” -habe ich gesagt – , “weil die Welt unglaublich geschwätzig ist, laut und vorlaut, solange alles gut geht. Nur wenn jemand stirbt, dann wird sie verlegen, dann weiß sie nichts mehr zu sagen.
Genau an dem Punkt, wo die Welt schweigt, richtet die Kirche eine Botschaft aus.“ Und der Pfarrer fährt fort: „Ich liebe die Kirche um dieser Botschaft willen. Ich liebe sie, weil sie im Gelächter einer arroganten Welt sagt, dass der Mensch ein Ziel hat, weil sie dort ihren Mund aufmacht, wo alle anderen nur die Achseln zucken.
Mit meiner Bettnachbarin, deren Namen ich heute nicht mehr weiß, habe ich sechs Wochen meines Lebens geteilt. Während dieser Zeit sprachen wir viel über Gott und die Welt – Glaube und Kirche und natürlich über dieses Buch, das uns beide sehr bewegte.
Hildegard Knef scheinen die Worte des Pfarrers auch sehr beeindruckt zu haben, sonst wären sie ihr mit Sicherheit nicht im Gedächtnis geblieben.
Die große Vision des Glaubens – ich möchte sie nicht missen und dazu brauche ICH – nicht man – die Kirche.
In diesem Sinne nochmals vielen Dank für deine Mail, mit der ich mich gerne auseinandergesetzt und geantwortet habe. Gleichzeitig bedanke ich mich für die Erlaubnis unseren Gedankenaustausch auf meiner Seite veröffentlichen zu dürfen.
Herzliche Grüße
Christa Schwemlein
Der Beitrag wurde am Donnerstag, den 1. November 2007 um 08:34 Uhr veröffentlicht und wurde unter Aus meinem Postkasten, Kirche, Vertrauen abgelegt. du kannst die Kommentare zu diesen Eintrag durch den RSS 2.0 Feed verfolgen. du kannst einen Kommentar schreiben, oder einen Trackback auf deiner Seite einrichten.
6 Reaktionen zu “Glauben und Kirche – aus meinem Postkasten”
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Am 4. November 2007 um 11:53 Uhr
Liebe Christa,
deine Antwort auf die Frage, kann man ohne Kirche glauben?, hat mich sehr beeindruckt.
Du hast die Frage beantwortet, wie ich sie auch beantworten würde. Nämlich sehr persönlich und in Ich- Form, obwohl manchmal auch „man“ steht, das du ausgestrichen hast.
Ich persönlich halte dies für die einzig mögliche Form der Antwort. Warum?
Gott ist nach meinem Verständnis, einerseits allumfassend (aber mir ist das zu allgemein) oder mein persönlicher Gott. Das ist für mich konkret. Da Er nicht teilbar ist, habe ich in mir mein eigenes Gottesbild und das ist auch nicht teilbar, aber vielleicht ist es mitteilbar was ich versuchen will.
Nun wie erlebe ich persönlich Gott und den Glauben. Der Glaube ist mir in meinem Leben, das nun schon über 70 Jahre alt ist, des öfteren abhanden gekommen. Gott an sich ist mir noch nie abhanden gekommen. Glauben habe ich persönlich meistens im kirchlichen Kontext ( gespürt ) erlebt, das konnte in der Stille eines Gotteshauses oder aber zusammen mit vielen anderen Gläubigen auf einem Kirchentag sein.
Glaube ist für mich ein Stück innere Gewissheit. Glaube habe ich aber auch bei elementaren menschlichen Ereignissen wie Geburt und Tod erlebt. Liebe Angehörige auf ihrem Sterbebett bis zum Tode zu begleiten oder bei der Geburt meines jüngsten Sohnes dabei gewesen zu sein, hat mich in beiden Fällen die Größe und Heiligkeit Gottes erfahren lassen und mir in diesen einmaligen Situationen Seine Nähe und damit den Glauben an ihn ermöglicht.
Mir hat einmal nach einem Begräbnis einer lieben Verwandten ein sehr gläubiger Bruder der Verstorbenen auf meine Frage, wieso er eigentlich so getröstet und beinahe fröhlich sei geantwortet. Zitat: Wenn du an den offenen Gräbern offen für Gott bist, kannst du immer ein Stück Himmel sehen. Er war zu diesem Zeitpunkt schon Ende 80. Er hat das Gefühl des Friedens und des Trostes ausgedrückt, was ich persönlich in dem Kreis der Trauernden spontan gespürt hatte.
Ich persönlich habe noch nie in der Natur den Glauben gefunden oder gespürt. Mir ist aber schon oft Gott begegnet. Nämlich im Staunen über die Großartigkeit seiner Schöpfung. Gerade wenn ich mit dem Fotoapparat unterwegs bin, sehe ich die Wunder der Schöpfung immer wieder. Nicht nur in spektakulären Naturszenerien, sondern oft in sehr dichten Nahaufnahmen. Wenn mich eine blühende Lilie, ganz offen und schutzlos in das innere ihrer alles gebenden Blüte sehen lässt. Oder eine Roseblüte die nichts von ihrem Inneren zeigt, ihre Schönheit durch ihren betörenden Duft darstellt, hat diese Vielfalt der Schöpfung etwas göttliches für mich. Das ist aber meine ganz persönliche Wahrnehmung.
Oft erinnere ich mich an Gespräche mit Chinesen
( Buddhisten ), die ich während meines langen Aufenthaltes in Taiwan geführt habe. Da Buddhisten nicht an einen Schöpfergott glauben und damit die christliche Idee der Weltschöpfung nicht verstehen, haben sie mir oft mit freundlichem Lächeln Unverständnis vermittelt, wenn wir darüber gesprochen haben.
Die Probleme die mir begegnet sind, beruhen einfach auch auf dem Unterschied, dass die christliche Religion eine reine Glaubensreligion ist, während der Buddhismus eine reine Erkenntnisreligion darstellt. Buddha ( der ja kein Gott ist ) hat nie gesagt, ihr müsst glauben. Im Gegenteil. Er sagt, stellt alles infrage was ich sage, aber probiert es aus. Nur euer Tun zählt, nicht euer Reden. Dann werdet ihr für euch die Erkenntnis haben, ob es die Wahrheit ist oder nicht.
In unserem christlichen Glaubenskontext ist das ja völlig anders.
Hier gibt es Glaubensregeln mit denen viele Menschen zugebener maßen ihre Problem haben. Ich nehme mich da nicht aus. Für mich persönlich hat Glauben auch immer mit Mysterium zu tun und das finde ich persönlich nur im Rahmen von Kirche und in Gemeinschaft von Gläubigen.
Herzliche Grüße und einen schönen Sonntag Ewald
Am 4. November 2007 um 12:38 Uhr
Lieber Ewald,
du kannst dir bestimmt nicht vorstellen, was deine Zeilen in mir ausgelöst haben – mir laufen die Tränen…….
Tausend Dank, für diesen für mich persönlich sehr wertvollen Beitrag. Ich melde mich per e-mail, sobald ich mich gefangen habe. Bis dahin
ganz liebe Grüße
Christa
Am 4. November 2007 um 23:32 Uhr
[...] Antwort auf die Frage, kann man ohne Kirche glauben?, hat mich sehr beeindruckt. Du hast die Frage beantwortet, wie ich sie auch beantworten würde. [...]
Am 11. Januar 2008 um 19:00 Uhr
[...] “Braucht man zum Glauben eine Kirche“ war eine Anfrage, die, obwohl sie mich auf die dunklen Stunden in meinem Leben blicken ließ, sehr gerne beantwortet habe. [...]
Am 11. April 2013 um 17:58 Uhr
Der Komentar bei Deinem Blogbeitrag an Ewald wird leider momentan nicht geschluckt, darum hier meine Worte, du kannst damit verfahren, wie Du willst:
Auch ich möchte Ewald danken. Er lebt vor, was ich schon oft sagte, schreiben musste, wenn es um Kritik an meinem Glauben ging: Ich kann noch so sehr erzählen, umschreiben: Es bleibt Glaube und ist damit ein Erleben, ein Gott erfahren in einzelnen Erlebnissen, die für andere eine ganz andere Sprache haben mögen. Darum finde ich Glaubensbekenntnisse auch nur dann wirklich schön, wenn sie deutlich machen: Es ist einfach meine Wahrnehmung, mein Sehen, mein Erleben, meine Leitplanke. Lies es, hör’ es, bedenke es, aber lebe – und messe mich vor allem an meiner Haltung und an meinem Tun. Denn auch und gerade für uns Gläubige gibt es kein schöneres Zeugnis als schlicht die Art, wie wir leben. Oft werden wir dabei etwas verschenken, ohne dass wir das selbst wüssten: Genau so, wie wir uns selbst an andere erinnern, an ein Wort, eine Tat, ein Lächeln, lange nach dem sich die Wege getrennt haben. Das Mosaik der eigenen Wanderkarte setzt sich genau so zusammen – und wird zu einem eigenen Angebot und der Möglichkeit, aus dem Glauben heraus lieben zu können wie jemand, der ein Gotteskind ist und es weiss – für alle Gotteskinder.
Am 11. April 2013 um 18:31 Uhr
Danke Kurt für deine Zeilen. Ich hatte beim Einstellen deines Kommentares dieselbe Fehlermeldung wie du.
Ich denke wir sind uns einig. Glauben ist immer ein Erleben, Erfahren und Fühlen, von dem wir uns gegenseitig erzählen können. Diskussionen können wir über die Glaubensinhalte führen aber niemals über unsere Gefühle Auch wenn ich ein gewisses Glaubenswissen für wichtig erachte, so geht es mir mit dem Glauben in erster Linie darum ergriffen zu werden und nicht ums begreifen.
So und jetzt kümmer’ ich mich mal drum, dass auch Ewald deine Zeilen zu lesen bekommt.
Lieben Gruß – Christa