Vom Berg der Götter nach Kermanschah – Iran Folge 12
Nach dem straffen Vormittagsprogramm verlassen wir Hamadan und fahren über den Shan-Pass Richtung Kermanschah.
Die Zeit bis zu unserem Mittagspicknick verkürzt unsere Reiseleiterin mit einer ausführlichen Einführung in die Geschichte der Achämeniden.
„Am allermeisten von diesem Eroberungsvolk erfahren wir von den griechischen Geschichtsschreibern“, beginnt sie. „Diese beschreiben die Achämeniden als ein raues und unverbrauchtes Volk, das vom späten sechsten Jahrhundert bis zum vierten Jahrhundert vor Christus seine erste Blütezeit erlebte.“ Vieles von dem was ich höre ist mir inzwischen nicht mehr fremd. Nach dem Privatunterricht unseres mitreisenden Geschichts- und Lateinlehrers und dem bereits Gehörten war mein Interesse geweckt und ich habe begonnen mich in die persische Geschichte einzulesen, so dass ich heute unserer Reiseleiterin gut folgen kann. Das freut mich. Lernen macht Spaß.
Das persische Großreich gründete der einstige Provinzfürst und spätere König Kyros II. Nach seinem Sieg über die Meder, die zu seiner Zeit die Vorherrschaft über das Gebiet der iranischen Hochebene ausübten, regierte er Persien in der Zeit von etwa 559 v. Chr. bis 530 v. Chr. Als „Kyros der Große“ ging er in die Geschichte ein. Mit der Eroberung Ägyptens vollendete sein Sohn Kambysis II die Expansion des Imperiums.
Der Star unter den Achämeniden war Darius der Große. Unter seiner Herrschaft dehnten sich die Perser noch weiter aus und betraten das erste Mal europäischen Boden. Mit seinen Nachfolgern fing die Großmacht allerdings zu bröckeln an, bis Alexander der Große die Herrschaft der Achämeniden abrupt beendete. Sie wissen schon: „333 bei Issos…“.
Das war jetzt ein Schnelldurchlauf durch das Achämenidenreich. Natürlich habe ich viel mehr gehört und notiert und wüsste noch ausführlicher zu erzählen, doch würde dies den Rahmen eines Blogeintrages sprengen. Sollte ich Ihr Interesse geweckt haben, empfehle ich Ihnen „Darius und die Perser“ von Walther Hinz oder von Heidemarie Koch „Es kündet Dareios der König – Vom Leben im persischen Grossreich.“ Beide Bücher sind unterhaltsam geschrieben und vermitteln dennoch Wissenswertes.
Schmarotzer
In dem kleinen Örtchen Kangavar halten wir für unser Mittagspicknick. Amüsiert beobachte ich das Treiben am Buffet. Wie jeden Mittag schleicht die Wienerin um die angerichteten Speisen und greift, sobald sie sich unbeobachtet fühlt, nach Brot, Nüssen und Rosinen. Heute schnappt sie außerdem nach einer Banane, die sie blitzschnell in ihrer Handtasche verschwinden lässt. Verstohlen schaut sie sich um. Da sie angeblich Mittags nie etwas isst, hat sie sich zu Beginn der Reise vom kostenpflichtigen Picknick abgemeldet. Ich ordne sie dem Typ „Schmarotzer“ unter Gruppenreisenden zu.
Weitere kulturelle Stätten
Nach dem Picknick fahren wir die vorletzte kulturelle Stätte des heutigen Tages an. Etwa 30 Kilometer vor Kermanschah halten wir im Dorf Bisotum. Hier befindet sich der gleichnamige Fels. Die mit Reliefs und Inschriften versehene Stätte ist seit 2006 Unesco Welterbe und als „Berg der Götter“ bekannt. Das bedeutendste Relief dieser Anlage ist das Darius Relief. Es prangt an einem Felsmassiv und zeigt den Sieg von Darius dem Großen über seinen Hauptgegner Gaumata.
Details des Bildes sind wegen der Entfernung selbst mit starkem Zoom kaum zu erkennen, so dass wir uns die Szene an einem Schaubild erschließen.
Neben der Hauptattraktion des Areals gibt es zwei weitere Felsbilder zu entdecken. Sie stammen aus der Zeit der Parther. Doch bei aller Liebe zu meinem neu geweckten Interesse ist mein Bedarf an Geschichte und Kultur erst einmal gedeckt. Daher verzichte ich auf diese Entdeckungsreise, lege eine Pause ein und genieße bis zur Weiterfahrt die ersten zarten Sonnenstrahlen.
Nur wenige Kilometer vor unserem heutigen Etappenziel besuchen wir am frühen Abend eine ehemalige sasanidische Gartenanlage. In der Anlage befinden sich die geschichtsträchtigen Grotten von ‚Taq-e Bostan’ an deren Wände meisterhafte Reliefs vom Leben der sasanidischen Herrscher erzählen.
Wir betrachten in Stein gemeiselte Kampf- und Jagdszenen sowie verschiedene Investiturszenen sasanidscher Könige. Die Grenze meiner Aufnahmefähigkeit ist für heute endgültig erreicht. Daher halte ich die Reliefs im Bild fest, notiere mir Stichpunkte mit dem Vorsatz das Gehörte über das Sasanidenreich nachzulesen.
Nach einem langen, vollgepackten Tag beziehen wir bei Einbruch der Dunkelheit unsere Zimmer in Kermanschah. Das Hotel hat einen maroden Charme. Doch das Personal ist ausgesprochen freundlich. Wieder sind wir die einzigen Gäste. Walter und ich kommen zu spät zum Abendessen. Die Gruppentische sind alle besetzt. An einem kleinen Tisch, nur für uns, genießen wir unsere Zweisamkeit, das vorzügliche Essen und vermissen zum ersten Mal ein gutes Glas Wein.
Christa Schwemlein
Erlebt am:
Samstag, den 18. März 2017 – Nachmittag
Hamadan, steinerne Löwe, Avicenna und Grab der Esther – Iran Folge 11
Es ist ungemütlich kalt. Nur vier Grad zeigt das Thermometer heute Morgen. Die Österreicher sitzen bereits auf ihren Stammplätzen, zweite, dritte und vierte Reihe. Die Schweizer sind sich noch nicht schlüssig. Noch haben sie die Wahl. Ich entscheide mich heute für die lustige Gesellschaft im hinteren Drittel des Busses. Ich mag den trockenen Humor unserer Richterin aus Münster. Bis es los geht, blättere ich ein wenig in meinen gestrigen Reisenotizen:
Hamadan liegt 1.800 Meter hoch und ist die Hauptstadt der gleichnamigen Provinz, die vor über 2.500 Jahren Kernland der Meder war. Sie erinnern sich. Die Meder waren die mit den Röcken und sind 715 – 550 v.Chr. anzusiedeln. Wegen der Höhenlage zählt die Provinz Hamadan zu den kältesten Provinzen im Iran. Der höchste Berg ist der der circa 3.580 Meter hohe Alvand. Acht Monate im Jahr soll hier Schnee liegen. Der März ist einer davon.
Die Stadt Hamadan blickt auf eine lange und bewegte Geschichte zurück. Unter der heutigen Stadt liegt das alte medische Hagmatana, die ehemalige Hauptstadt des iranischen Meder-Reiches, die von den Griechen Ekbatana genannt wurde. Wegen der heutigen Überbauung konnte die alte Stadt noch nicht vollständig erforscht werden. Jedoch wird der Hagmatana Hügel seit 1995 von einem iranischen Archäologenteam ausgegraben und die Funde in einem kleinem Museum vor Ort präsentiert. Hamadan, so wird außerdem erzählt, soll die Heimatstadt der Heiligen Drei Könige gewesen sein. Von hier seien sie nach Bethlehem aufgebrochen.
Auch wir brechen jetzt auf. Um 7.30 Uhr verlassen wir das Stadtzentrum und fahren als erstes das “Ganj-Nameh-Tal” an.
Das beliebte Ausflugsziel liegt am Fuße des mächtigen Alvand-Gebirges und erinnert, obgleich die Berge nur leicht mit Schnee bedeckt sind, an ein europäisches Skiparadies.
Nach einem kurzen aber steilen Anstieg stoßen wir auf eine Felswand, in die zwei Keilschrifttafeln aus achämenidischer Zeit gemeiselt sind.
Lange Zeit vermutete man, dass die Inschriften der Tafeln den Weg zu einem verschwundenen Schatz beschreiben. Tatsächlich handelt es sich aber um Lobpreise der Perserkönige Darius und Xerxes, die mich an das apostolische Glaubensbekenntnis erinnern.
Wieder zurück in Hamadan stehen wir vor dem „Steinernen Löwen“, der vermutlich von Alexander dem Großen errichtet wurde. Die stark verwitterte Skulptur hat in Hamadan den Ruf eines Talismans. Frauen, die sich sehnlichst ein Kind wünschen, entzünden hier Kerzen und deponieren kleine Steine. Da ich schon zwei Kinder habe fühle ich mich dann doch mehr zu den Fitnessgeräten im Park, an denen jeder kostenlos trainieren kann, hingezogen.
Nach der körperlichen Ertüchtigung in der Grünanlage statten wir dem legendären Mediziner Abu Ali Sina, alias Avicenna, einen Besuch ab.
Er ist einer der bedeutendsten Philosophen und Ärzte des Irans und Ihnen vielleicht aus dem Film „Der Medicus“ bekannt. Avicenna starb 1037 in Hamadan. Zu seinem Gedenken wurde 1953 ein Mausoleum erbaut, in dessen Erdgeschoss sich heute ein kleines Museum mit Schriften und Instrumenten aus dem Besitz des großen Mannes befinden. Direkt am Mausoleum befindet sich ein Lädchen. Hier decken wir uns mit Kräutern und Salben gegen unsere verschiedene Wehwechen ein.
Danach besuchen wir das Mausoleum der biblischen Esther und deren Onkel Mordechai. Das Alte Testament erzählt im „Buch Esther“, wie Königin Esther das jüdische Volk vor einem Genozid bewahrte. Dieses Ereignis soll zum jüdischen „Purim-Fest“ geführt haben, das von den Juden bis heute noch weltweit gefeiert wird. Das Mausoleum war und ist eine wichtige Pilgerstätte der iranischen Juden und das obwohl nach neueren Erkenntnissen gar nicht sicher ist, wer tatsächlich in diesem jüdischen Grabheiligtum beigesetzt wurde. Eine Synagoge und ein jüdischer Friedhof sind dieser Gedenkstätte angeschlossen. Hamadan war einst Zentrum jüdischen Lebens. Heute besteht die jüdische Gemeinde nur noch aus wenigen Familien.
„Was die Juden betrifft, verweist die iranische Führung gerne auf das alte Band, das Iraner und Juden verbindet. Es geht zurück auf Kyros den Großen, den Begründer des persischen Weltreiches. Als er im Jahr 539 vor Christus Babylon einnahm, befreite er die Juden aus der sprichwörtlichen Babylonischen Gefangenschaft, die ein halbes Jahrhundert gedauert hatte, und erlaubte ihnen die ungehinderte Ausübung ihrer Religion“, schreibt die Journalistin und Autorin Charlotte Wiedemann in ihrem 2017 erschienen Buch „Der neue Iran – Eine Gesellschaft tritt aus dem Schatten“.
Christa Schwemlein
Erlebt am:
Samstag, den 18. März 2017 – Vormittag
Über die Kultstätte Tacht-e Soleymann nach Hamadan – Iran Folge 10
10 Minuten vor dem Weckruf wache ich auf und bin trotz der frühen Uhrzeit erstaunlich gut ausgeschlafen. Kurz vor 5.00 Uhr sind mein Mann und ich die ersten am Frühstücksbuffet. Da wir beide um diese Uhrzeit nicht sehr kommunikativ sind und am liebsten unsere Ruhe haben, nehmen wir an einem der kleinen Zweier-Tische im Saal platz. Peter kommt, freut sich uns zu sehen, schiebt munter einen Stuhl vom Nachbartisch an den unsrigen und fragt: „Darf ich?“
Heute liegt eine Strecke von ungefähr 560 Kilometern vor uns. Deshalb auch der frühe Aufbruch. Es ist kalt und wieder einmal vermisse ich meinen warmen Wintermantel. Während es draußen langsam hell wird spielt im Bus leise persische Musik.
Nach der ersten Teepause verkürzt uns Frau Schulte die lange Fahrt, indem sie etwas über die Bedeutung der Familie im Iran erzählt. „In einem Land, wo es keine garantierte Grundsicherung gibt ist es die Familie, die trägt“, sagt sie. „Familienmitglieder unterstützen sich gegenseitig. Großeltern kümmern sich um die Enkelkinder, Kinder um die alten Eltern und wenn gebaut wird oder ein Geschäft eröffnet wird helfen alle zusammen.“ Ähnliche Erzählungen kenne ich von meinem Schwiegervater. Als er nach dem Zweiten Weltkrieg als junger Mann nach Deutschland flüchtete half die gesamte Familie, sowie Freunde und Nachbarn aus der alten Heimat, damit er mit seiner Familie in Deutschland Fuß fassen konnte.
Am frühen Vormittag erreichen wir in einer von Bergen und Äckern geprägten Landschaft die Kultstätte „Tacht-e-Soeymann“, die auf die Achämeniden zurückgeht. Die Anlage mit dem zoroastrischen Feuerheiligtum befindet sich auf einem Kalkplateau im kurdischen Bergland in 2.200 Meter Höhe und ist mit bis zu 3.300 Meter hohen Gebirgszügen umgeben. Während der Zeit der Sasaniden war die Stätte eines von drei zoroastrischen Hauptheiligtümern, das den Kriegern und Königen geweiht war. Wegen ihrer religiösen und architektonischen Bedeutung wurde sie 2003 zum Weltkulturerbe erklärt.
Auf den Zoroastrismus werde ich in einem späteren Beitrag näher eingehen. Heute nur so viel. Unter den Sasaniden, die, wie wir inzwischen wissen, zwischen dem 3. und 7. Jahrhundert im persischen Großreich regierten, war der Zoroastrismus die dominierende Religion. „Ahura Mazda“ war und ist der einzige Gott im Zoroastrismus und das Avesta das Heilige Buch. Spuren hat der Zorastrismus sowohl im Islam als auch im Christentum hinterlassen. Heute besitzt diese alte monotheistische Religion nur noch wenige Anhänger und viele der alten Tempel wurden im Laufe der Zeit zerstört. Tacht-e Soleymann ist ein eindrucksvolles Zeugnis dieser Glaubensgemeinschaft.
Nach einem ersten Überblick anhand eines Schaubildes starten wir unseren Rundgang durch das schneebedeckte Gelände, der sich als äußerst mühsam gestaltet. Keiner von uns hatte mit Schnee gerechnet. Dementsprechend ungeeignet ist unser Schuhwerk. Der Neuschnee erschwert es uns auch in den verschiedenen Relikten die ursprünglichen Bauwerke erkennen zu können.
Blickfang der Anlage ist der tiefblaue, warme Quellsee, dessen Wasser allerdings wegen des hohen Mineralgehaltes weder für Mensch noch Tier genießbar und daher auch ohne jedes Leben ist. Hinter dem Quellsee ragt in unmittelbarer Nähe der erloschene Vulkan Zendan-e Soleymann auf, auf dessen Gipfel ebenfalls Reste von Tempelanlagen gefunden wurden. In der Umgebung von Tacht-e Soleymann und Zendan befinden sich weitere heiße und mineralhaltige Quellen.
Wegen der frostigen Kälte nehmen wir unser Mittagspicknick in der Raststätte der Anlage ein. Wir sind die einzigen Gäste. Ich stelle mir gerade vor, wie das wohl bei uns wäre, käme ein Bus Touristen und verzehrte ihr Mitgebrachtes im Lokal. Wie auch immer. Hier freuen sich alle über unseren Besuch.
Nach der Mittagspause fahren wir weiter nach Hamadan. Die Fahrt ist lang und führt uns durch das wilde Kurdistan. Stundenlang zieht eine gelbraune Landschaft an uns vorbei und verströmt vor der Kulisse der schneebedeckten Berge eine unendliche Ruhe.
Christa Schwemlein
Erlebt am:
Freitag, den 17. März 2017
Die Provinzhauptstadt Täbris – Iran Folge 09
Unsere fünf Österreicher staunen nicht schlecht als sie heute Morgen in den Bus einsteigen und auf ihren Stammplätzen die Schweizer sitzen. Die Berlinerin neben mir tauscht mit ihrem Mann vielsagende Blicke. Die Schadenfreude der beiden ist unübersehbar.
Um 7.30 Uhr geht’s los. Heute steht die geschichtsträchtige Stadt Täbris auf dem Programm. Mit mehr als zwei Millionen Einwohnern ist Täbris die größte Stadt im Nordwesten des Irans und zugleich Hauptstadt der iranischen Provinz Aserbaidschan. Früher war Täbris ein wichtiger Rast- und Umschlageplatz auf der alten Seidenstrasse, heute ist die Stadt eines der größten kulturellen Zentren im iranischen Aserbaidschan. Nur 140 Kilometer von Täbris entfernt grenzt der Iran an das Land Aserbaidschan.
Unser erster Programmpunkt ist das 1962 eingerichtete Aserbaidschan-Museeum. Es beherbergt archäologische Schätze aus der Region, Münzfunde aus verschiedenen Epochen sowie feinstes Kunsthandwerk. Wie so oft, wenn ich vor Schmuckvitrinen in Museen stehe, komme ich aus dem Staunen nicht heraus. Wie zeitlos doch so manche alten Funde sind. Außer dem zweiköpfigen Fernsehteam sind wir die einzigen Besucher. Die Freude der Beiden über die Begegnung mit uns ist offensichtlich und ihre Neugier groß. Für ihren Dokumentarfilm, der in Kürze im regionalen Fernsehen gesendet wird, geben wir gerne ein Interview. Die Person rechts im Bild ist Schahab, unser iranischer Reiseleiter, der hier als Übersetzer im Einsatz ist.
Vom Museum bis zur Blauen Moschee sind es nur wenige Gehminuten. Meine Begeisterung für das schmucklose Gebäude hält sich in Grenzen. Die Schäden, die im Laufe der Zeit durch die vielen Erdbeben entstanden, sind haben deutliche Spuren hinterlassen. Trotz umfangreicher Renovierungsarbeiten konnten sie noch nicht vollständig beseitigt werden.
Leider reicht meine Fantasie nicht so weit, um das Meisterwerk architektonischer Kunst erkennen zu können. Den Namen, so erfahren wir, verdankt die Mosche dem kostbaren Lapislazuli im Gebäudeinneren und nicht, wie man vielleicht vermuten könnte, den blauen Kacheln an den Außenwänden, die erst bei spätererer Renovierung angebracht wurden. Die wahre Schönheit und Größe einer Moschee soll sich stets im Inneren zeigen.
Nach der Moscheebesichtigung spazieren wir zum Aushängeschild der Stadt, dem Basar. Wie in Teheran gewinne ich auch hier in Täbris den Eindruck, dass der Islam im Iran viel weniger präsent ist als beispielsweise in der Türkei, wo ich fast an jeder Straßenecke auf ein Gebetshaus gestoßen bin. Auch den Muezzin habe ich bisher noch nicht rufen hören.
„Der Bazar von Täbris ist die Hölle eines jeden Reiseleiters“, meint unsere Reiseleiterin und gibt uns, bevor wir in das Marktgeschehen eintauchen, zur Sicherheit ihre Handynummer. Dieser Basar ist bis heute der flächenmäßig größte überdachte Markt der Welt und gilt als einer der schönsten im Land. Seine Tradition reicht bis ins 13. Jahrhundert zurück.
Ein Basar, so lernen wir, war früher eigentlich eine Stadt in der Stadt, mit eigener Moschee, Medresse, Hammam, Bibliothek usw. Nach dem verheerenden Erdbeben im 18. Jahrhundert, das Täbris in Schutt und Asche legte, blieb auch vom Basar nur wenig erhalten. Im 19. Jahrhundert wurde er im Stil der „Zand-Dynastie“, die im 18. Jahrhundert im Iran herrschte, neu gebaut. Dadurch unterscheidet sich der Markt deutlich von den anderen Märkten im Land. Rot ist die dominierende Farbe der Marktgassen.
Unser Streifzug führt uns durch viele Abteilungen: Porzellan, Stoffe, Textilien, Schmuck und vieles mehr. Es gibt hier einfach alles.
Erwähnenswert ist der Teppichbasar, auch wenn das, was ich sehe nicht meinem Geschmack entspricht. Die geknüpften Gemälde mit europäischen Motiven sind bei Iranern sehr beliebt. Allerdings auch ziemlich teuer. Seit 2010 ist der Basar von Täbris als Weltkulturerbe geschützt.
Langsam meldet sich mein Magen. In einem landestypischen Restaurant kehren wir ein. Wir haben die Wahl entweder an einem Tisch mit Stühlen oder wie im Iran üblich, an einem erhöhten, mit Teppich ausgelegten Holzgestell Platz zu nehmen. Zwei Mutige wählen das Holzgestell, alle anderen ziehen Tisch und Stuhl vor. Der Chef des Hauses lässt uns keine Ruhe. Unbedingt müssen wir seinem Koch bei der Herstellung eines Familienfleischspießes zusehen und ihn natürlich auch fotografieren.
Nach der Mittagspause machen wir uns auf den Weg nach Süden und besuchen die Grabtürme von Maragheh. Da ich den Türmen wenig abgewinnen kann, erspare ich mir den Weg durch den Matsch, fotografiere aus der Ferne und erfahre bei einem Tee einiges aus der bewegenden Lebensgeschichte unserer mitreisenden Biologin aus Heidelberg.
Um 17.00 Uhr erreichen wir unser Hotel. Um 19.00 Uhr treffen wir uns zum Abendessen. Um 21.00 Uhr löschen wir das Licht. Um 4.00 Uhr wird morgen früh der Wecker klingeln.
Christa Schwemlein
Erlebt am:
Donnerstag, den 16. März 2017
Juden und Christen im islamischen Gottesstaat – Iran Folge 08
Ein Bremsmanöver holt mich aus meinen Träumen. Über die armenische Chormusik muss ich wohl „weggeduselt“ sein. „Die Christen im Iran repräsentieren einen winzig kleinen Teil der Landesbevölkerung und waren bereits vor dem Islam im Land verbreitet. Im 6. Jh. bildeten sie sogar die stärkste Religionsgemeinschaft. Um die Mitte des 9. Jh. begann der Verfall des Christentums, im 12. Jh. die Christenverfolgung. Mit den Mongolen kam es noch einmal zu einer kleinen Blütezeit, bis dann ab dem 14. Jh. die Islamisierung des Irans vollständig abgeschlossen war “ höre ich unsere Reiseleiterin sprechen.
„Sechstes Jahrhundert, war das nicht die Zeit der Sasaniden?“ frage ich mich verschlafen. „Gut aufgepasst“, lobt mich unser Latein- und Geschichtslehrer, der meine Selbstgespräche gehört hat. „Habe ich etwas verpasst?“ frage ich. „Nein keine Sorge. Wir haben alle etwas geschlafen. Frau Schulte fasst gerade den Vormittag noch einmal zusammen und will uns im Anschluss etwas von den religiösen Minderheiten im Iran erzählen“, bringt er mich geduldig auf den neuesten Stand. Das interessiert mich. Ich greife nach meinem Reisetagebuch und schreibe so viel wie möglich mit.
Die iranische Bevölkerung besteht mehrheitlich aus schiitischen Muslimen, die der Staatsreligion der Islamischen Republik angehören. Die größten Minderheiten stellen die Sunniten und Sufi, die ebenfalls Muslime sind. Juden und Christen sowie die älteste religiöse Gemeinschaft im Iran, die Zoroastrier, sind nur eine kleine Minderheit. Alle drei nicht islamische Religionen sind laut der iranischen Verfassung als offizielle religiöse Minderheiten anerkannt und durch Abgeordnete im Parlament vertreten. In der Praxis bedeutet dies, dass Juden ihre Synagogen und Christen ihre Kirchen errichten und unterhalten dürfen und somit in ihrer Religionsausübung relativ frei sind. Doch Halt! Die Toleranz hat Grenzen. Juden und Christen unterliegen, wie Muslime auch, dem islamischen Recht und haben sich in der Öffentlichkeit an die für alle Iraner gültigen Regeln zu halten. Strikt verboten ist ihnen die Mission. Wer es dennoch tut, muss mit harten Sanktionen, rechnen. Laut Gesetzbuch mit der Todesstrafe. Auch Muslime, die zum Christentum übertreten, können hingerichtet werden. Die harte Strafandrohung soll das Abfallen vom muslimischen Glauben, welches nach muslimischer Auffassung eine schwere Sünde darstellt, verhindern.
Etwa 600 Kirchen gibt es im Land. Die bedeutendste christliche Kirche bilden die Armenier, die seit der Zeit der Safawiden im Iran ansässig sind. Daneben stellen die Assyrer eine weitere große christliche Gemeinschaft dar. Katholiken, Protestanten und orthodoxe Christen runden mit einer Minderheit das christliche Spektrum ab.
Viel länger als das Christentum ist das Judentum im Iran verwurzelt. Juden gibt es schon seit mehr als 3000 Jahren im Iran. Die jüdische Gemeinde im Iran ist die größte auf muslimischem Boden. In keinem anderen muslimischen Land leben so viele Menschen jüdischen Glaubens. In Teheran gibt es mehrere Synagogen oder Gebetsräume für Juden. Allein in der großen Halle der Abrishami-Synagoge finden 500 Gläubige Platz.
Die jüdische Gemeinde unterhält Schulen, Krankenhäuser, Altenheime und Bibliotheken. Mit den Grabstätten von Mordechai und Esther sowie dem Grab Daniels, auf diese ich Vorort eingehen werde, besitzen die Juden einige wichtige religiöse Stätten innerhalb des Landes, die übrigens auch von den Muslimen verehrt werden.
„Wie gläubig sind denn die Iraner wirklich?, ruft’s aus der letzen Reihe. „Hm, das ist schwierig zu beantworten“, meint unsere Reiseleiterin und gibt die Frage an ihren Co-Reiseleiter weiter. „Ich denke, es ist nicht anders als bei Ihnen. Spirituelle Sinnsuche ist nach wie vor ein Thema. Doch in der Tat haben auch wir einen Gläubigenschwund zu verzeichnen, “ antwortet er. „Apropos Spiritualität, ich denke nach den vielen Informationen wird es Zeit für eine kleine Pause“, meint unsere Reiseleiterin und legt uns zur Entspannung „Rumi und Bach“ auf. Die Musik ist wunderschön und unterstreicht eindrucksvoll das gigantische Farbenspiel der Landschaft, die wir gerade durchfahren. Hören Sie doch mal rein.
https://www.youtube.com/watch?v=o19ivGqKIcw
Es ist bereits dunkel, als wir von unserem Tagesausflug zur Thaddäuskirche wieder in unserem Hotel in Täbris ankommen. Auf den Straßen fallen mir die vielen kleinen Feuerstellen auf. „Das Feuer läutet Nouruz, das iranische Neujahrsfest, ein“ erklärt unsere Reiseleiterin, so als könnte sie meine Gedanken lesen.
Wir hingegen läuten Nouruz in einem urigen Kellerlokal mit gutem Essen und iranischer Folklore ein.
„Ein Gläschen Rotwein wär’ jetzt nicht schlecht,“ meint mein Gegenüber und nippt lustlos an seinem „Dugh“, ein mit Kohlensäure versetztes, iranisches Joghurtgetränk, das dem türkischen Airan ähnelt.
„Also sprach Zarathustra……“, geht mir im Kopf herum. Dieses geflügelte Wort ist mir geläufig. Was es aber mit Zarathustra und dem Zoroastrismus auf sich hat, davon habe ich keinen blassen Schimmer. So greife ich vor dem Einschlafen noch einmal zu meinem Reiseführer.
Christa Schwemlein
Erlebt am:
Mittwoch, den 15. März 2017 am Nachmittag
Ausflug zur Thaddäuskirche – Iran Folge 07
Obwohl es gestern Abend im Hotel sehr laut war wache ich heute Morgen gut ausgeschlafen auf. Eigentlich wollten wir um 8.00 Uhr aufbrechen. Doch das klappt nicht. Unser Bus ist in der Werkstatt. So wie es sich darstellt handelt es sich um eine größere Panne. Trotz dieser Unannehmlichkeit ist die Stimmung in der Gruppe gut. Gemeinsam warten wir in der Hotelhalle auf einen Ersatzbus, trinken Tee und nutzen die Zeit, um uns näher miteinander bekannt zu machen. Wir erzählen uns von unseren Berufen und dem Berufsleben, den Kindern und natürlich auch von unseren vergangenen Reisen.
Um 9.30 Uhr geht’s dann endlich los. Zuvor verabschieden wir uns von unserem bisherigen Busfahrer und danken ihm mit einem Trinkgeld. Nach der Reparatur seines Busses fährt er wieder zurück nach Teheran und hat bis zu seinem nächsten Einsatz unfreiwilligen, unbezahlten Urlaub.
Das Wetter ist trotz schlechter Vorhersagen sehr schön. Klirrend kalt zwar, doch scheint die Sonne. Die Fahrt aus Täbris heraus ist mühsam. Wie in Teheran gerät auch hier der Verkehr immer wieder ins Stocken. Wir verbringen viel Zeit mit Warten vor Polizeistationen und Tankstellen.
Die Stimmung in der Gruppe kippt. Kaum einer von uns ist mit seinem Sitzplatz zufrieden. Die Sitze lassen sich nicht verstellen, die Gurte sind unflexibel, die Heizung lässt sich nicht regulieren und die Frontscheibe des Busses hat Sprünge. Die Vorstellung, den Rest der Reise in diesem maroden Bus verbringen zu müssen, ist grauenhaft. Unsere Berlinerin nimmt’s gelassen: „In Afghanistan hatten wir einen viel schlimmeren Bus und wir haben’s überlebt.“
Während der Fahrt durch das teils landwirtschaftlich geprägte, teils einsame und karge Hochland von Ostazarbaidjan erfahren wir etwas über die Entwicklung des Christentums im Iran.
Gegen 14.00 Uhr erreichen wir endlich die völlig einsam gelegene armenische Thaddäuskirche mit der angeschlossenen Klosteranlage. Das beliebte Ausflugsziel liegt nah an der Grenze zur Osttürkei. Mich wundert, dass wir an diesem geschichtsträchtigen Ort die einzigen Touristen sind. Angeblich sollen hier die Gebeine des gleichnamigen Apostels ruhen.
Die Legende erzählt, dass der spätere Heilige vor der Christenverfolgung in Palästina nach Armenien geflohen ist. Dort soll er kraft seines Glaubens den schwer kranken König von Edessa, dem heutigen Urfa in der Türkei, geheilt haben. Daraufhin konvertierte dieser samt seinem Hofstaat zum Christentum. Auf Bitte des Königs zog Thaddäus durch das ganze Königreich und bekehrte die Menschen. Nach König Abgars Tod fiel sein Nachfolger wieder vom christlichen Glauben ab und setzte der Missionierung ein jähes Ende. Er ließ alle Christen im Land verfolgen. Auch Thaddäus fiel dieser Verfolgung zum Opfer. Er wurde gefasst und starb der Überlieferung nach zwischen 60 und 64 n. Chr. den Märtyrertod. Nach mehr als 400 Jahren soll ein Einsiedler die Gebeine des Thaddäus gefunden und hierher gebracht haben.
Mit dem Tode des letzen Abts im Jahr 1948 gibt es in der Klosteranlage keine Mönche mehr. Doch jedes Jahr, immer 105 Tage nach dem jeweiligen Osterfest, pilgern armenische Christen aus aller Welt scharenweise hierher, um dem heiligen Thaddäus während einer Messfeier zu gedenken. Seit der Islamischen Revolution 1979 dürfen nur Christen diese Messe besuchen. Während des dreitägigen Festes entsteht rund um die Anlage eine regelrechte Zeltstadt für die Pilgerinnen und Pilger. Heute ist die Klosteranlage ein bedeutender Wallfahrtsort und seit 2008 ins Weltkulturerbe aufgenommen. Weshalb die Thaddäuskirche auch „schwarze Kirche“ genannt wird bedarf keiner Worte. Das erklärt dieses Bild.
Die dunklen Tuffsteine datieren aus dem 14 Jh. und geben der Kirche ihren Namen: „Qareh Kelisa“ was so viel wie „Schwarze Kirche“ bedeutet. Die hellen Sandsteine des Bauwerkes stammen aus späteren Bau- und Renovierungsphasen. Die Außenwände sind sehr unterschiedlich gestaltet. Während die des älteren Teiles eher schmucklos sind, erzählen die Reliefs an den Aussenwänden des neueren Teiles Geschichten von Heiligen und Engeln.
Während unseres Rundganges haben Shahab und die beiden Busfahrer für uns ein wunderbares Picknick gerichtet. Ich habe Hunger und greife kräftig zu. Sogar an heißen Tee haben die beiden gedacht, der uns bei der winterlichen Kälte richtig gut tut. Bevor wir die Heimfahrt antreten suchen wir noch einmal die „Technik“ auf. Oh Schreck. Die Wasserleitungen sind eingefroren. Wie peinlich.
Gegen 16.00 Uhr machen wir uns auf den Heimweg. Im Bus ist es mollig warm. Draußen schneit es. Armenische Choräle, die aus den Lautsprechern des CD-Players erklingen, entführen mich in meine Träume.
Christa Schwemlein
Erlebt am:
Mittwoch, den 15.März 2017
Ardebil, der Beginn des neuen Iran – Iran Folge 06
Heute wollen wir früh los. Doch macht uns die orientalische Pünktlichkeit einen Strich durch die Rechnung. Statt 6.30 Uhr wie mit dem Personal gestern Abend besprochen, öffnet der Frühstückssaal erst um 7.00 Uhr. Ich nutze die geschenkte Zeit für einen kleinen Strandspaziergang am Meer. Genau genommen ist das Kaspische Meer ja gar kein Meer, sondern ein Binnensee und zwar der größte der Erde. Ich versuche mir vorzustellen, wie es wohl im Sommer hier aussehen wird?. Ob es einen extra Strand für Frauen gibt? Und was sie wohl zum Schwimmen tragen?
Mein Mann sucht noch einmal die Toilette auf. Der Fisch von gestern Abend ist ihm nicht bekommen. Einige andere haben ähnliche Probleme und verschwinden ebenfalls auf die Zimmer.
Es regnet und es ist kalt. Ich bin froh, einen warmen Rollkragenpullover und dicke Wollstrumpfhosen eingepackt zu haben. Mit etwas Verspätung verlassen wir unser Hotel in Bandar Ansali und machen uns auf den Weg zum heutigen Etappenziel, der Stadt Täbris. 420 Kilometer sind es bis dorthin. Hoffentlich macht der Bus uns heute keine Probleme.
Während der Fahrt erfahren wir, dass ‚Bandar Ansali’ der wichtigste Hafen am Kaspischen Meer ist. Die Hafenstadt ist Zentrum für den Fang und die Verarbeitung des Störs. Seine Eier, der Kaviar, gilt als der beste der Welt und ist bei Gourmets heiß begehrt. Mancher Feinschmecker zahlt für diese Delikatesse ein kleines Vermögen. Ich selbst habe zwar auch einen verwöhnten Gaumen, doch mit diesem Gaumenschmaus konnte ich mich bislang noch nicht anfreunden.
Braune, abgeerntete Reisfelder und Kiwiplantagen säumen unsere Fahrt entlang der Küstenstraße. Von dem grünen Traum, wie im Katalog beschrieben, ist dieser Anblick allerdings weit entfernt. Vielleicht hätten wir doch einen späteren Reisetermin wählen sollen? Bei der Hafenstadt Astara biegen wir ab und fahren landeinwärts durch das Elburz-Gebirges zur Provinzhauptstadt Ardebil. Vor Ardebil halten wir für eine Teepause.
Ardebil liegt 1300 Meter hoch, wurde von dem Sasanidenkönig Peroz im 5. Jh. n. Chr.gegründet, später von den Arabern eingenommen und 1220 von den Mongolen fast vollständig zerstört. Nach der Eroberung nahmen die Mongolen allmählich den islamischen Glauben an und bereiteten damit den Boden für vielfältige religiöse Bewegungen. Eine solche Bewegung war die Safawiya, eine Ordensgemeinschaft von Mystikern, aus der später die Dynastie der Safiwiden hervor ging. Nach dem gemeinsamen Mittagessen decken wir uns in einer Wechselstube mit Rial für die nächsten Tage ein und sind auf einen Schlag Millionär.
Die größte Sehenswürdigkeit in Ardebil ist das erste Sufi-Ordenskloster im Iran mit dem Grab seines Gründers, dem Sufisten Scheich ‚Safi al Din’. Er gilt als geistiger Vater der Safawiden.
Der eigentliche Gründer der Safawiden war jedoch Shah Ismail I. Seit 2010 ist das Mausoleum Unesco Weltkulturerbe und ein bedeutender Pilgerort in dieser Region. Übrigens, der bekannteste Sufi-Orden ist der Mevlevi-Orden, auch als Orden der „Tanzenden Derwische“ bekannt. Dieser ist in Konya, der siebtgrößten Stadt der Türkei, beheimatet und geht auf den persischen Mystiker Mevlana zurück, der den Leseratten unter Ihnen unter dem Namen ‚Rumi’ sicherlich bekannt sein wird.
„Hier, in dieser Anlage bekommen wir einen Vorgeschmack auf Isfahans Pracht, die uns am Ende unserer Reise erwarten wird“, kündigt unsere Reiseleiterin an.
Während unseres Rundgangs erfahren wir einiges über die Neuzeit des Irans, insbesondere über das persisch-schiitische Reich der Safawiden und dessen eigentlichen Gründer. Als erster Safawide bestieg Shah Ismail I. den persischen Thron und verlieh sich den altehrwürdigen Titel „Shahinsha“, was so viel wie „König der Könige“ bedeutet. Binnen kürzester Zeit führte er das Land wieder zu alter Größe zurück und erklärte das Schiitentum zur Staatsreligion, die es bis heute geblieben ist. Damit war in Ardebil der Grundstein des neuen Iran gelegt. Ismail I. starb 1524 und fand im Mausoleum neben seinem Vorfahren die letzte Ruhe. Die Safawiden herrschten bis ins 18. Jahrhundert hinein, bis sie 1779 von der Qadjaren-Dynastie abgelöst wurden.
Wir hören hier aber nicht nur die Geschichte der Safawiden sondern erfahren auch etwas über die kunstvolle Architektur, die persische Ornamentik mit ihren endlosen Windungen von Arabesken und Kalligraphie. Mir brummt der Kopf. Wie soll ich mir das nur alles merken?
Während der Weiterfahrt durch das schneebedeckte Gebirge schiebe ich die vielen neuen Informationen erst einmal bei Seite und schließe die Augen. Nach der Siesta führt uns unsere Reiseleiterin mit Texten der inzwischen verstorbenen Islamwissenschaftlerin ‘Annemarie Schimmel’ in die islamische Mystik, den Sufismus, ein. Diese Thematik ist mir nicht fremd. Von Sufis und Sufismus hatte ich erstmals während meiner Reise durch Zentralanatolien gehört und habe danach an der Mystik des Sufismus Gefallen gefunden. Sollten Sie einmal die Gelegenheit haben an einer „Sema-Zeromonie“ teilnehmen zu können, sollten Sie sich dieses Erlebnis nicht entgehen lassen.
Wegen mehrmaliger Probleme mit unserem Reisebus kommen wir erst am späten Abend in unserem Hotel in Täbris an. Jetzt schnell Hände waschen und ab in den Speisesaal. Wir probieren die für diese Region typischen Hackfleischklöse. Sie schmecken wunderbar. Das dazugereichte alkoholfreie Bier wahlweise mit Apfel- oder Pfirsichgeschmack ist allerdings gewöhnungsbedürftig. Einige von uns schwärmen von dem weißen Dugh, das dem türkischen Ayran ähnlich ist. Auch das ist nicht mein Fall. Daher greife ich zum Mineralwasser. Bevor wir zu Bett gehen müssen wir uns entscheiden ob wir Morgen an dem Tagesausflug zur Thaddäuskirche teilnehmen oder lieber auf eigene Faust nach Kandovan fahren. Ich erinnere mich an meinen Besuch im Büro und entscheide mich für die Thaddäuskirche, obwohl mich das in Tufsteinfelsen gemeiselte Dorf auch interessieren würde, zumal es anders als die Dörfer in Kappadokien noch vollständig bewohnt ist.
Christa Schwemlein
Erlebt am:
Dienstag, den 14. März 2017
Auf, ans Kaspische Meer – Iran Folge 05
Im Gegensatz zu gestern wache ich heute gut ausgeschlafen auf. Vom Frühstücksbuffet nehme ich Schafskäse, Tomaten und Gurken. Danach Yoghurt mit Honig und Walnüssen. Zu Hause käme ich nie auf die Idee nach solchen Dingen zu greifen, hier liebe ich das.
Bevor wir uns auf den Weg in den Norden des Landes machen, werfe ich noch rasch einen Blick auf die Dächer von Teheran vor der Kulisse des Elburz-Gebirges. Ach ja, das hatte ich gestern vergessen zu erwähnen. Der „Damavand“ nordöstlich von Teheran ist mit 5670 Metern der höchste Berg Irans.
Die vorderen Plätze im Bus sind bereits besetzt. Ich erwische einen Sitzplatz im mittleren Bereich, mein Mann einen hinter mir. Jeder von uns hat einen Fensterplatz und eine Reihe für sich alleine. Wir sind zufrieden. Einige unserer Reisepartner sind es nicht. Sie wünschen das alte roulierende System, wie es früher bei Studiosus üblich war, zurück. Andere bestehen auf festen Plätzen für die Dauer der Reise. Ich muss lachen. Erinnert mich diese Diskussion doch an den Sitzplatzkrieg während unserer Osttürkeireise.
Wie gestern wälzt sich auch heute der Verkehr auf den Straßen. „Das wird noch viel schlimmer“, kündigt die Reiseleiterin an. „Wir stehen kurz vor ‚Nouruz’ dem iranischen Neujahrsfest. Die Vorbereitungen für dieses Fest laufen derzeit auf Hochtouren.“ Sie erzählt, dass sie sich für gestern Abend mit ihrer iranischen Freundin verabredet hatte. Diese wegen des Großputzes vor dem Fest kurzfristig absagte und ihr ein Treffen am Ende unserer Reise vorschlug. Doch zu Nouruz später mehr.
„Iranisches Leben spielt sich viel auf der Straße ab. Das Auto ist so etwas wie die eigene kleine Freiheit“, fährt unsere Reiseleiterin mit ihren Ausführungen fort. Ähnliches habe ich nach der Wende von einer meiner ostdeutschen Kolleginnen gehört. „Wenn man wie ich in einem Land gelebt hat, in dem man sich nicht frei bewegen kann, hat das Auto eine ganz besondere Bedeutung“, hatte sie damals gemeint.
Die Fahrt bis zu unserem ersten Stopp ist kurzweilig. Wir hören von der Jugend des Landes, warum viele junge Frauen so exzessiv geschminkt sind und weshalb die Schönheit im Land so eine große Rolle spielt.
Nach 130 Kilometern erreichen wir auf 1800 Metern Höhe Qazwin, die Hauptstadt der gleichnamigen Provinz. Die Stadt liegt am Ende des iranischen Hochlandes, direkt im Zwickel von Elburz- und Zagrosgebirge und wurde von dem Sasanidenkönig Shapur I gegründet. Die Stadt gehört zu den wichtigsten Stationen im Wegnetz der Seidenstrasse. Hier besichtigen wir eine bedeutende Pilgerstätte, das ‚Imamzadeh Hossein’. Es ist nach dem Sohn des achten Imam benannt.
Sie wissen nicht was ein ‚Imamzadeh’ ist? Nun, ein ‚Imamzadeh’ ist zunächst einmal ein Grabmal. Es ist aber auch ein Ort der inneren Zuflucht. Der Besuch einer solchen heiligen Stätte hat für Schiiten einen starken emotionalen Charakter. Um das Grabmal besichtigen zu können, schlüpfen wir Frauen in den Tschador und ziehen, wie beim Besuch einer Moschee, die Schuhe aus.
Eingänge, nach Geschlechtern getrennt, führen uns in das Innere. Drinnen werde ich von dem Glanz der Spiegel und der Mosaike überwältigt.
Nach dem Besuch des Mausoleums wenden wir uns der nächsten Sehenswürdigkeit zu, der alten Freitagsmoschee von Qazwin. Sie ist eine der ältesten Moscheen im Iran, in der Araber, Seldschuken, Safawiden und Mongolen ihre Spuren hinterlassen haben. So können wir nicht nur eine der größten seldschukischen Kuppeln des Irans bewundern, sondern auch eine Moschee in der typischen „Vier-Iwan Bauweise“. Auffallend ist der ungewöhnlich große Innenhof. Der Hof einer Moschee, so erfahren wir, ist ebenfalls Gebetsraum. Ich frage mich, wie es wohl mit der gelebten Religiösität der Iraner aussehen mag?
Während der Fahrt zum Kaspischen Meer spielt klassische persische Musik. Ich schließe die Augen und wache erst zur „technischen Pause“ wieder auf. Ich war zwar vorgewarnt, doch so schlimm habe ich mir die Toiletten an den Rastplätzen nicht vorgestellt. Es kostet mich viel Überwindung die unter Wasser stehende Toilette zu benutzen. Doch was ist die Alternative?
Die weitere Busfahrt versüßen uns unser Co-Busfahrer Ali mit köstlichen ‚Shiriniz’ und unsere Reiseleiterin mit einem Text von ‚Pierre Loti’ aus seinem Buch „Nach Isfahan“. Gegen 18.00 Uhr streifen wir die Universitätsstadt Rasht in der Provinz Gilan. Diese Provinz ist der wichtigste Reislieferant des Iran. Draussen ist es diesig geworden, so dass die Schönheit der im Katalog beschriebenen subtropischen Waldlandschaft nur zu erahnen ist. Die Einwohner von Rasht sind in etwa mit unseren Ostfriesen zu vergleichen, über die man sich gerne lustig macht. Weit nach 20.00 Uhr erreichen wir in der Hafenstadt ‚Bandar Ansali’ endlich unsere Unterkunft für diesen Tag. Wir sind die einzigen Gäste im Hotel. Der Fisch zum Abendessen schüttelt mich. Unberührt lasse ich ihn stehen. Das war, wie sich später heraus stellen sollte, auch gut so.
Zurückgelegt haben wir heute 380 Kilometer.
Christa Schwemlein