16. November 2009

Ende gut, alles gut?

Der „Samariter“, er werkelt noch mit mir. Sehen Sie, das ist das Schöne am Blogschreiben und Bloglesen, plötzlich gehen mir Worte über die Lippen, die ich vorher nie benutzte. „Werkeln“ ist so eines ;-) – gefällt mir. Wie gesagt, die Beispielerzählung vom „barmherzigen Samariter“, (Lk 10,25-37) mit der ich mich in meinen vorhergehenden Beiträgen beschäftigte, werkelt noch immer.

Die Geschichte ging ja zum Glück gut aus. Der arme Mann wird gerettet. Der Wirt pflegt ihn gesund. Der Samariter setzt seine Reise fort. Dieses heile Bild ist mir aus Kindertagen in Erinnerung.

Inzwischen lebe ich mehr als fünfzig Jahre mit dem Neuen Testament und habe diese Erzählung, je nachdem in welcher Lebensphase ich mich befand, immer mal wieder aus anderer Sicht betrachtet. So auch heute, inspiriert durch den Blogeintrag von Dori Kellers. Kurz vor Weihnachten lag die Autorin, zusammen mit ihren Einkaufstüten und einem doppelten Bänderriss, hilflos auf der Strasse. Statt Hilfe erfuhr sie Demütigung.

Was geht in einem verletzten Menschen vor, der auf Hilfe hofft, letztendlich aber nur wahrgenommen, besichtigt und zu allem Elend auch noch gedemütigt wird? Als ich den Beitrag las, bekam ich Gänsehaut. Wieder ein Beispiel, wie man Menschen allein mit Worten beschämen kann.

Zurück zum „Samariter“. Je mehr ich mich mit der Bibelstelle beschäftige, umso mehr Fragen kommen mir. Warum wird eigentlich nichts von dem Verletzten erzählt? Konnte er nicht sprechen? Wie lange mag er gelegen haben? Hatte er Schmerzen, Angst, Todesangst sogar? Welche Hoffnung mag in ihm aufgekommen sein, als er nach stundenlangem Warten endlich jemanden kommen hörte? Wie groß muss die Enttäuschung gewesen sein, als auch der zweite Passant achtlos an ihm vorüber ging?

Die Geschichte geht gut aus, weshalb sich noch Gedanken darüber machen? Je länger ich aber über diesen Text nachdenke, desto rätselhafter kommt er mir vor und ich beginne, dieses „heile Welt Bild“ in Frage zu stellen.

Überliefert wird was passiert, aber es wird verschwiegen warum es passiert. Was steht alles zwischen den Zeilen? Was ist mit dem Verletzten? Die körperlichen Wunden mögen heilen, aber was ist mit den Wunden auf seiner Seele? Wird er sich rächen? Wenn ja, an wem?

Die Räuber trugen vermutlich Masken, so dass er deren Gesichter nicht erkennen konnte. Was ich mir aber gut vorstellen kann ist, dass er die Gesichter von Priester und Levit nicht vergessen kann und diese unter Umständen zur Zielscheibe seiner Rache werden.

“Geh’ und handle genauso!” Mit diesen Worten beendet Lukas die Erzählung. Es bleibt zu hoffen, dass der Überfallene weder das furchtbare Erlebnis mit den Räubern noch die Gleichgültigkeit von Priester und Levit, sondern das positive Erlebnis mit dem Samariter als Aufforderung begreift.

Die Geschichte werkelt immer noch. Dennoch mag ich hier an dieser Stelle für heute Schluss machen. Ich beende diesen Beitrag mit den beeindruckenden Worten von Ulf Runge: “Ich hoffe, den Mut zu haben, Dir zu helfen, wenn Du mich brauchst

In diesem Sinne
Christa Schwemlein

Die vorhergehenden Beiträge:
Was muss ich tun?
Handeln statt reden!
“Barmherziges” – aus meinem Postkasten
Die andere Geschichte vom Samariter – aus meinem Postkasten

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13. November 2009

Glück – Casino real macht’s möglich!

blattmitkaefer.gifManchmal denke ich wir leben hinterm Mond, mein Mann und ich. Von “Casino real” erfuhren wir erst heute morgen, obwohl diese Aktion des real Marktes schon die ganze Woche läuft.

Wie jeden Freitag gehen mein Mann ich gemeinsam aus dem Haus. Ich zur Arbeit, er in den real, um unseren Wocheneinkauf zu tätigen. Seit er selbständig ist und sich seine Zeit einteilen kann, hat er mir diese Arbeit abgenommen.

Kurz nach 10.00 Uhr rief er mich im Büro an. “Stell dir mal vor, was mir heute passiert ist. Eben stand ich im real an der Kasse, der Einkaufswagen proppenvoll. Na, das hat sich mal wieder rentiert, sage ich zur Frau an der Kasse. Ich zahle und war vielleicht gerade mal zwei Schritte gegangen, als mir die Kassiererin hinterher rief: Hallo Sie, Sie haben gewonnen!”

Auch er wusste nichts von der Aktion “Casino real” und war total überrascht, dass diese Woche unsere Lebensmittel und Getränke vom real Markt übernommen werden.

Glück gehabt! Und das an einem Freitag, den 13ten. Wir haben uns sehr gefreut und schicken ein herzliches Dankeschön an den real Markt.

Christa und Walter Schwemlein

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11. November 2009

Ernste Gedanken im November – dem Tod begegnen

Eine jüdische Legende erzählt:

Der Rabbi kam aus dem Bethaus. Er vermisse seine beiden Söhne. Mehrmals fragte er seine Frau, wo die Knaben seien. Sie gab ausweichende Antworten.

Später sprach sie: “Vor etlicher Zeit kam ein Fremder zu mir und gab mir ein Pfand, damit ich es bewahre. Es waren zwei kostbare Perlen von großer Schönheit. Ich hatte meine Freude an ihnen, als wären sie mein. Heute als du im Bethaus warst, ist der Fremde gekommen und hat sein Pfand zurückverslangt. Soll ich es ihm wiedergeben?”

Streng rügte der Rabbi: “Welch eine Frage? Wie kannst du zögern, anvertrautes Gut zurückzugeben?”

Da nehm die Frau ihn bei der Hand und führte ihn in die Schlafkammer. Sie hob die Decke vom Bett. Da lagen die Knaben still und schön und waren beide tot. Der Rabbi schrie laut auf und warf sich über seine Söhne.

Sie aber sprach: “Hast du nicht gesagt, das Pfand zurückzugeben?” Der Herr hat es gegeben, der Herr hat es genommen. Der Name des Herrn sei gelobt.

Quelle: unbekannt

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10. November 2009

Ach, hätt’ ich doch nur …

… mich bereits vor 6 Jahren, bei meinem Eintritt in die virtuelle Welt, um all die Fragen, die ich heute habe, gekümmert. Vieles wäre mir erspart geblieben. Dennoch ist es unnötig darüber zu lamentieren. Zum damaligen Zeitpunkt war ich mit meinem Wissen, was Computer und Internet betreffen, überhaupt nicht in der Lage irgendwelche Fragen stellen zu können, zu neu war diese Welt, zu ablehnend stand ich ihr gegenüber.

Klar wunderte ich mich, dass manche Seiten kein Impressum hatten, ganze Buchseiten ohne Quellenangabe zitiert und Gedichte ohne Nennung des Verfassers ungeniert veröffentlicht wurden. Ich kam mit Werbung in Berührung, die nicht als solche gekennzeichnet war. All diese Dinge widersprachen dem, was ich einst gelernt hatte. Sollte sich in all den Jahren so viel geändert haben? Bald gewann ich den Eindruck, mich in einem rechtsfreien Raum zu bewegen, wo jeder tun und lassen kann, was er will. Ich gebe zu, ich war verunsichert.

Was ist erlaubt und was nicht? Die Unsicherheit ist immer noch groß. „Aber das machen doch alle“ war der Einwand einer Teilnehmerin der Veranstaltung „Die rechtsichere Website“, wozu die IHK Rhein-Neckar vergangenen Donnerstag eingeladen hatte. Nur weil es alle machen, ist es noch lange nicht rechtens, klärte uns der Referent Dr. Carsten Ulbricht von der Kanzlei Diem & Partner in Stuttgart, lachend auf.

Pflichtangaben auf Websites, Haftung für Links, Datenschutz, Urheber-und Wettbewerbsrecht, rechtliche Grundlagen bei Online-Shops, spezielle Risiken im Web 2.0, was tun bei Abmahnungen, waren die Themen der dreistsündigen Veranstaltung.

Der Referent verstand es prima, diese in meinen Augen trockenen Themen sehr lebhaft und kurzweilig zu vermitteln. Ich hätte ihm noch Stunden zuhören können. Geduldig und ohne den nervösen Blick auf die Uhr beantwortete er alle Fragen, auch meine, die ich mittlerweile habe. ;-)

Es war eine rundherum gelungene Veranstaltung, von welcher mein Mann und ich sehr viel für unsere gemeinsame Arbeit mitnahmen. Immer mehr unserer Kunden zeigen nämlich Interesse am Web. Sie würden gerne, trauen sich aber nicht. Und so kam uns dieser Informationsabend wie gerufen.

Online lauern viele Fallstricke, nicht nur rechtliche. Ich bin selbst ein gebranntes Kind – nicht mit “Marions Kochbuch”, Herr Dr. Ulricht. ;-)
Trotz meiner negativen Erfahrungen möchte ich unsere Kunden und hier Mitlesenden, die Lust aufs Web haben, dazu ermuntern mitzumachen und es einfach auszuprobieren. Mit ein wenig Risikobereitschaft, einer guten Kinderstube und einer Portion gesundem Menschenverstand kann eigentlich gar nichts schief gehen.

Viel habe ich auf dieser Veranstaltung gelernt. Gerne möchte ich mich erkenntlich zeigen. Nur wie? Was gebe ich einem Anwalt als Dankeschön? Vielleicht den Tip, dass in Situationen in denen unser Rechtsprechung nicht weiterhilft, die weibliche Logik immer noch einen Weg weisen kann ;-) Es hat geklappt, sogar “ganz ver umme”, wie der “Mannemer” zu sagen pflegt. Web 2.0 macht’s möglich. :-D

Schön war’s  einem “Blogger”, den ich nur von trockenen Schriftsätzen und einigen Telefonaten her kenne, einmal persönlich zu begegnen.

logo4.JPG Christa Schwemlein

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7. November 2009

Ich bin die kleine Dicke …

… und stell mich in die Mitte.
Ich mach` ein kleiner Knix
und weiter weiß ich nix.

***

Dieser Vierzeiler stammt aus meinen Kindertagen. Bei jeder Familienfeier musste ich diesen zur Unterhaltung aller Anwesenden zum Besten geben. Manchmal frage ich mich, ob ich es vielleicht diesem Verslein zu verdanken habe, dass ich zeit meines Lebens mit Figurproblemen zu kämpfen habe?
Nun, ich stehe derartigen Annahmen und Vermutungen sehr skeptisch gegenüber. Dennoch scheinen sich diese Zeilen aus meiner Kindheit fest in mein Innerstes gebohrt zu haben. Selbst als ich Kleidergröße 36 trug fühlte ich mich zu dick und ich werde heute noch zum Tiger, wenn mich jemand für dumm verkaufen will.

  • Gibt es eine Weisheit, die Dir ganz besonders geholfen hat?
  • Welche Worte haben bei Dir nachhaltigen Eindruck hinterlassen?
  • Welches Motto, welche These oder welchen Rat hast Du verinnerlicht?
  • Gibt es einen Satz, den Du wieder und wieder beherzigst?
  • Welche Gedanken sind oder waren hilfreich für Dich?

Mit diesen Fragen lädt Gabaretha vom Blog „Mach das beste aus deinem Leben“ zu einer neuen Blogparade ein. Dies ist mir eine willkommene Gelegenheit an diesem verregneten Samstagnachmittag einen Moment innezuhalten.

Wenn ich so zurückschaue habe ich ständig mit irgendwelchen Sätzen gelebt. Die ersten Jahre meines Lebens vorwiegend mit negativen Glaubensätzen wie zum Beispiel: Das kann ich nicht! Das schaffe ich nicht! Das lerne ich nie! Die anderen sind viel besser, hübscher und gescheiter als ich.
Das macht man nicht oder das macht man als Mädchen nicht, waren auch solche Sprüche. Später kam die Steigerung: Das macht man doch in deinem Alter nicht mehr! :-D

All diese Sätze haben mich geprägt und lange Zeit daran gehindert, das zu tun, was ich wirklich will. Später habe ich all diesen negativen Einreden, fast schon trotzig, positve Sätze entgegensetzt.
Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg,  lieber Kampf als all die Krämpfe, ich kann das und ich schaff’ das und was mich nicht umbringt macht mich stärker waren meine Lieblingssprüche.

Ich bin ein Gegner von der Parole, dass sich allein durch positives Denken meine Stimmung hebt oder meine Probleme lösen. Dagegen protestiert mein gesunder Menschenverstand. Es gibt Ängste, die stecken einfach zu tief in mir, und die lassen sich auch nicht durch ständiges Widerkäuen positiver Sätze ausräumen.

Vor Jahren erkrankte ich an einer schweren Depression. Ich hätte jedem, der mir damals etwas vom “positiven Denken” erzählte, an die Gurgel gehen können. Dennoch spendete der Satz einer weitläufigen Bekannten mir während dieser Zeit sehr viel Hoffnung: „Sie werden sehen, eines Tages stehen Sie unter der Dusche und plötzlich stellen sie fest, der Schmerz ist weg – einfach weggeduscht“ Und so war es dann auch.

Es gibt eine Zeit des Lachens und eine Zeit des Weines. Nichts dauert ewig, auch schlechte Zeiten nicht. Dies sind Sätze, die mir derzeit Mut machen und mich hoffen lassen, dass ich eines Morgens unter der Dusche stehe und meine seit nunmehr sechs Wochen andauernden fürchterlichen Ischiasschmerzen im rechten Bein verschwunden sind – einfach weggeduscht! ;-)

Zum Schluss bedanke ich mich für diesen schönen Anstoß zu Reflexion und schicke einen lieben Gruß in Isartal.

Christa Schwemlein :-)

P.S:
Einen ersten Zwischenbericht der Blogparade mit vielen lesenswerten Beiträgen gibt es hier .

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3. November 2009

Die andere Geschichte vom Samariter – aus meinem Postkasten

briefkastenk.gifSchauplatz: Die Landstrasse, die von Jerusalem nach Jericho führt.

Wieder einmal wurde ein Mann überfallen. Zum Glück kam bald ein Samariter des Weges. Mittlerweile schon geübt, leistet er routiniert erste Hilfe. Er packt den Mann auf seinen Esel, bringt ihn zur Herberge, gibt dem Wirt Geld für die Pflege und verabschiedet sich.

Der Mann bedankt sich recht herzlich bei ihm. “Das ist doch selbstverständlich!” antwortet der Samariter. “Das ist hier eine gefährliche Gegend. Sie sind übrigens nicht der erste. Fast jede Woche finde ich hier einen liegen.” “Umso mehr freue ich mich, dass es Ihnen noch nicht zu viel geworden ist und Sie nicht lieber wegschauen. Sie sind ein guter Mann.”

Doch manchmal war es ihm doch zu viel. Dann setzte er sich zum Wirt und klagte ihm sein Leid. “Zweimal in der Woche gehe ich diesen Weg und es vergeht kein Monat, wo ich nicht einen oder mehrere auflesen muss. Es ist eine Schande, dass all die anderen, die vorbeikommen, offenbar einfach wegschauen”. Der Wirt stimmt ihm zu: “Ja es ist eine Schande!”

Als er wieder einmal von Jerusalem nach Jericho unterwegs war, fand er wieder einen zusammengeschlagen Mann auf der Straße liegen. Wie üblich begann er den Verwundeten zu verarzten. Er hob ihn auf den Esel, der sofort in Richtung Herberge davonlief und auch richtig ankam – nur diesmal ohne den Samariter.

Der Samariter war nämlich an der Unglücksstelle geblieben, um dort das Räubernest auszuspionieren. Ihm war nämlich plötzlich die Erleuchtung gekommen, dass es eine bessere Qualität von Barmherzigkeit sei, sich vorsorglich, und resolut, mit dem Räubernest zu befassen, statt ständig hinterher Heftplaster und Binden auszuteilen. Ab diesem Zeitpunkt hatte er immer weniger Arbeit und blieb dennoch ein “barmherziger Samariter”.

Vielen Dank Martin für diese, mal ganz andere Erzählung.

Christa Schwemlein :-)

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2. November 2009

Ernste Gedanken im November – Gehorsam

Denkt man an die lange und finstere
Geschichte des Menschen, stellt man fest,
dass im Namen des Gehorsams stets weit
grausamere Verbrechen begangen werden
als im Namen der Rebellion.

C.P.Snow

Anmerkung:
Heute fand ich in meinem virtuellen Postfach vier Sprüche, passend zu meiner Serie vom “barmherzigen Samariter”. Ich sage an dieser Stelle nochmals vielen Dank fürs mitmachen. Die anderen drei werde ich im Laufe des Novembers veröffentlichen.  

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1. November 2009

Herzlos?

Unser Herz ist der Ort in dem unsere Gefühle zu Hause sind. Ereignisse wie der Fall des Münchner Geschäftsmannes, der von einer Gruppe Jugendlicher zu Tode geprügelt wurde, weil er bedrohte Kinder vor ihnen schützen wollte, beschäftigen uns. Sie bewegen uns, treffen unser Innerstes und gehen uns zu Herzen. Oft hinterlassen sie blankes Entsetzen, Ohnmacht und Wut, aber auch Rat- und Hilflosigkeit. Verzweifelt wird nach Erklärungen und Ursachen gesucht.

“Er sah ihn und ging weiter” heißt es in der Beispielerzählung vom “barmherzigen Samariter“, mit welcher ich mich, ausgelöst durch die Beiträge meiner BlogkollegenInnen, in meinen letzten Beiträgen beschäftigte.

Die Katastrophe von München hat viele bewegt und ließ angesichts des unfassbaren Leids manches Herz schneller schlagen. Warum sahen im Fall des Münchner Geschäftsmannes so viele weg? Warum griff niemand helfend ein? Wo ist die „Barmherzigkeit“ geblieben, die Bereitschaft sich berühren zu lassen? Manche mögen sich vielleicht auch fragen, was wohl das Herz des 50jährigen Geschäftsmannes bewegt haben mag, um ein derartiges Risiko einzugehen?

Dieses Unglück zeigt deutlich, die Menschen haben sich seit der Erzählung vom „barmherzigen Samariters“ kaum geändert. Nach wie vor gibt es Hinseher und Wegseher. Sicher erinnert sich jeder, der hier mit liest, an Situationen, wo er nicht weggesehen hat. Niemand muss sich unnötig schlecht machen. Nur das Wegsehen gibt es leider immer noch, meistens dann, wenn die Herausforderung so gar nicht in den eigenen Kram passt.

Vermutlich hatte sich der Samariter seine Reisepläne damals auch anders vorgestellt. Vielleicht hatte er es eilig? Gerate nie in Not, wenn Menschen spät dran sind, habe ich neulich aufgeschnappt. Dennoch ging dem Mann aus Samarien das Schicksal des halbtoten Menschen zu Herzen. Warum Priester und Levit, Leute aus der eigenen Religionsgemeinschaft, vorbeigingen wird wie so vieles in dieser Geschichte nicht erzählt.

Im Text wird ausdrücklich erwähnt sie gehen die Straße nach Jericho hinab, das heißt: Sie kommen vom Tempel. Wer schon einmal in Israel war weiß, dass Jerusalem auf dem Berg liegt. Eine gottesdienstliche Verpflichtung, die aus damaliger Sicht als Entschuldigung hätte herhalten können, kann es also nicht gewesen sein, die die beiden daran hinderte dem armen Kerl zu helfen.

“Großer Geist, bewahre mich davor, über einen Menschen zu urteilen, ehe ich nicht eine Meile in seinen Mokassins gegangen bin“ las ich neulich bei Dori Kellers.

Person und Sache voneinander zu trennen ist ein Lebensmotto von mir.
Dennoch ertappe ich mich dabei Priester und Levit im ersten Moment als kalt und herzlos abstempeln zu wollen. Je mehr ich mich jedoch mit der Geschichte beschäftige, umso mehr stelle ich fest, dass ich anfange nach Gründen für das Verhalten der beiden zu suchen, um dieses in meinen Augen unmenschliche Verhalten verstehen zu können.

Die Straße von Jerusalem nach Jericho galt als ziemlich gefährlich und unsicher. Man kann also davon ausgehen, dass sich auf dieser Strecke schon mehrere Überfälle ereigneten. Vielleicht hatten die beiden Angst selbst überfallen zu werden? Vielleicht nahmen sie an, dass es sich bei dem Überfallenen um einen Lockvogel handelt und sie bekämen selbst eines über die Rübe. Es geht aus der Geschichte ja nicht hervor, dass die Räuber über alle Berge sind. Darf man in einer derartigen Situation solche Überlegungen anstellen?

Liebe deinen Nächsten wie dich selbst!

Wie groß darf, unter Berücksichtigung dieses Gebotes, das einzugehende Risiko sein?

Vielleicht hatten die zwei es auch nur eilig, wie ich anfangs schrieb? Oder sie konnten kein Blut sehen? Oder sie sagten sich: Ich kann doch nichts tun! Vielleicht dachten sie aber auch: Das ist wieder nur ein Scherz, wie all die anderen Male auch? Fragen über Fragen. Wer kann oder darf sich über dieses Verhalten ein Urteil erlauben?

Die Menschen haben sich scheinbar kaum geändert, schrieb ich eingangs. Es ist mittlerweile elf Jahre her. Mein kleiner Sohn war damals 10 Jahre, als er von einem Auto angefahren wurde. Der Autofahrer machte sich aus dem Staub. Weinend lief er mit seinem schrottreifen Fahrrad und seinen blutenden Schürfwunden nach Hause. Niemand fragte, ob er ihm helfen könne. Eine im Ort lebende Bekannte fragte mich später, was denn mit ihm passiert wäre, sie hätte ihn aus ihrem Auto heraus im Vorbeifahren gesehen. Herzlos, oder hatte sie es nur eilig?

Christa Schwemlein

Eintrag Nr. 2783 | Kategorie Blog-Geflüster, Eigene Gedanken zu..., Herz und Verstand, Kleine Bibelkunde, Zitate | 0 Kommentare »