Was muss ich tun?
Von dem Tod des Münchner Geschäftsmannes erfuhr ich nach der Rückkehr aus meinem Urlaub durch meine Zeiträuber. Wieder einmal gab ein schreckliches Ereignis Anlass für heftige Diskussionen in der Blogospähre.
“Das geht mich nichts an!?” stellt Renate Blaes in den virtuellen Raum. Ulf Runge beklagt den Verlust der Zivilcourage und Dori Kellers schildert ein eigenes demütigendes Erlebnis.
Angestossen durch die, “durch die Bank weg”, lesenswerten Beiträge kam ich mit meinem Mann über Gott und die Welt in’s Gespräch.
Die Beispielerzählung vom “barmherzigen Samariter” (Lk 10,25-37) ist zum Inbegriff der christlichen Nächstenliebe geworden und zählt mit zu den bekanntesten Geschichten Jesu. Sie begleitet mich seit meiner Kindheit und hat mich, wie viele andere Bibelstellen auch, geprägt. Ob dies immer von Vorteil war soll heute nicht Thema sein. Auf jeden Fall habe ich mich in der Vergangenheit mit dieser Erzählung mehrmals auseinandergesetzt. Zuletzt sehr intensiv und heftig während meiner theologischen Ausbildung, im Rahmen des Fächerblockes Moraltheologie. Außerdem gibt es einen sehr emotionalen Kommentar von mir im Anschluss an meinen Winneden-Beitrag.
Bedingt durch das unfassbare Geschehen spricht genau diese Perikope aus dem Lukasevangelium mich heute wieder ganz neu an.
“Was muss ich tun, um das ewige Leben zu gewinnen?” Eigentlich hätte der jüdische Schriftgelehrte, von dem Lukas erzählt, die Frage gar nicht stellen müssen. Die Antwort wusste er – theoretisch zumindest.
Beim Lesen der vorgenannten Bibelstelle kommt mir der Verdacht als hätte Lukas geahnt, dass unsere heutige Gesellschaft allergisch auf eine moralisierende Spiritualität reagiert. Vielleicht verliert er deshalb kein Wort über die Liebe zu Gott und lässt Jesus mit folgenden Gegenfragen antworten. “Was steht im Gesetz? Was liest du dort?“
Es spricht für den Schriftgelehrten, dass er sofort das Doppelgebot der Gottes- und Nächstenliebe zitiert: „Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben mit ganzem Herzen und ganzer Seele, mit all deiner Kraft und all deinen Gedanken, und: Deinen Nächsten sollst du lieben wie dich selbst.”
Dieses Schlitzohr! Wollte er Jesus etwa eine Falle stellen? Er wusste doch ganz genau was zu tun ist – theoretisch.
Soweit die Theorie. Probleme beginnen bekanntlich in der Praxis.
“Und wer ist mein Nächster?“ bohrt der Schriftgelehrte weiter. Lukas war Arzt. Ob er auch Therapeut war?
Auf jeden Fall lässt er Jesus nicht direkt antworten, sondern legt ihm die herrliche Geschichte von dem Mann, der unter die Räuber gefallen war und von den anderen, die ihm Nächster wurden, in den Mund. Mit den Worten: „Du hast richtig geantwortet. Handle danach und du wirst leben.“ endet der Dialog.
Im Grunde eine ganz einfache Geschichte, ein Lebensprogramm für alle, die fragen: “Was muss ich tun?”
Christa Schwemlein
Unchristliches:
“Handle danach und du wirst leben” ist die schlichte Antwort Jesu. Noch nie habe ich an diesr Stelle gelacht. Heute kann ich es mir nicht verkneifen. “Jawoll!” – denke ich, – “den hat Jesus ganz schön abblitzen lassen”. Mir gefällt das Bild, das Lukas hier von Jesus zeichnet und ich habe, bitte verzeihen Sie mir, meine helle Freude daran.
Der Beitrag wurde am Mittwoch, den 30. September 2009 um 21:23 Uhr veröffentlicht und wurde unter Blog-Geflüster, Eigene Gedanken zu..., Herz und Verstand, Kleine Bibelkunde abgelegt. du kannst die Kommentare zu diesen Eintrag durch den RSS 2.0 Feed verfolgen. du kannst einen Kommentar schreiben, oder einen Trackback auf deiner Seite einrichten.
3 Reaktionen zu “Was muss ich tun?”
Einen Kommentar schreiben
du mußt angemeldet sein, um kommentieren zu können.
Am 4. Oktober 2009 um 23:59 Uhr
Liebe Christa,
wenn wir Nächstenliebe leben,
dann tun wir das um der Nächstenliebe willen.
Um des Nächsten willen.
Nicht um des ewigen Lebens willen, oder?
Danke für Deinen Gedankenanstoß.
Liebe Grüße,
Ulf
Am 5. Oktober 2009 um 14:13 Uhr
Lieber Ulf,
war in Kindertagen mein Abendgebet. Was zu tun ist, damit ich “fromm” werde, (was immer das auch sein mag) wurde von Eltern, Lehrern und anderen erwachsenen Bezugspersonen festgelegt, was ich, um zu einem gesunden Glauben zu finden, als sehr hinderlich empfinde.
Seit ich erkannt habe, dass ich den Himmel bereits auf der Erde, im Hier und Jetzt habe, geht’s mir richtig gut. Genügt dies als Erklärung? Auf einen religiösen Disput im virtuellen Raum mag ich mich nicht einlassen – nicht mehr. *lächel*
Vielleicht doch noch ein kurzer Denkanstoss. Bei der Beschäftigung mit diesem biblischen Text sind mir ein paar versteckte Besonderheiten aufgefallen.
Bei dem Schriftgelehrten könnte es sich eventuell um einen Menschen handeln, der von einer tiefen religiösen Sehnsucht getrieben wird und sich dabei aber selbst im Wege steht.
Es wird nicht gesagt was er zu tun hat. Die Frage wird ganz einfach an den Fragenden zurückgegeben. Ein geschickter Schachzug, der verhindert, dass die Sehnsucht unter einem Streit verdeckt wird.
Selbst als dieser Mensch beharrlich weiter bohrt, kommt es zu keiner Diskussion. Ruhig und sachlich wird die besagte Geschichte weiter erzählt und mit einer neuen Frage beendet:
Du siehst, die Frage wird noch einmal aufgegriffen, nur unter einem anderen Aspekt:
Und dann setzt Lukas noch eines obendrauf und spitzt die Situation mit der Antwort Jesu: “Geh’ und mach’s genauso!” zu – ganz schön clever – oder?
Bei dem Schriftgelehrten könnte es sich aber auch um einen Menschen handeln der nur fragt, des Fragens willen, weil ihm vielleicht langweilig ist – der Unterhaltung wegen. Oder um einen der Streit sucht oder einen, der einen anderen Menschen bloßstellen will. Alles ist denkbar.
In dieser Geschichte steckt so viel Unerzähltes, dass sich jeder das nehmen kann was er braucht, für ihn richtig ist und den Rest einfach liegen lässt.
Liebe Grüße
Christa
Am 31. Juli 2011 um 14:50 Uhr
[...] Ein Geständnis: Das Klingeln der Kasse ist mir fast so lieb wie das Läuten der Kirchturmglocken. [...]