Handeln statt Reden
„Jawoll!“…,
war mein erster Gedanke, „den hat Jesus ganz schön abblitzen lassen!”
Auf diese spitzfindige, aus meiner Sicht fast schon böswillige Frage nicht emotional zu kontern, sondern ruhig und gelassen mit einer profanen Geschichte zu antworten spricht nach meinem Dafürhalten für Größe. Und die Aufforderung am Schluß “Handle danach!“ – ein gekonnter Schachzug, wie ich finde.
Oh, Entschuldigung, ich vergaß darauf hinzuweisen, dass dies die Fortsetzung meiner gestrigen Gedanken ist.
Die Frage des jüdischen Schriftgelehrten, „wer ist mein Nächster?“ leitet zu der bekannten Erzählung des „barmherzigen Samariters“ über. Im Mittelpunkt steht eine helfende Beziehung. Ein Mensch wurde überfallen und benötigt dringend Hilfe. Um ihn dreht sich das ganze Geschehen. Drei Menschen kommen an ihm vorbei. Die beiden ersten, ein Priester und ein Levit, machen sich, so würde man heute sagen, nach §323s StGB wegen unterlassener Hilfeleistung, strafbar. Der dritte Vorbeigehende, ein Samariter, wird sich des ethischen Anspruchs, den die Situation an ihn stellt, gerecht und hilft.
Bemerkenswert ist, dass das Fehlverhalten von Priester und Levit nicht kritisiert wird. Es wird lediglich festgestellt: Die zwei sehen und gehen weiter.
Im Vordergrund steht die Hilfeleistung des Samariters. Der Leser erfährt nicht viel von diesem Mann – nur woher er kommt und dass er auf Reisen ist. Seiner Herkunft nach handelt es sich um einen Fremden, einen Andersgläubigen.
Der Verletzte ist ein „irgendwer“ – ein Mensch, so heißt es im Text. Höchstwahrscheinlich ist er Jude. Wie ich darauf komme? Nun, in jener Zeit (huch wie biblisch) waren das Volk der Juden und das der Samariter alles andere als gute Freunde. Die Nächstenliebe beschränkte sich damals ausschließlich auf Menschen aus den „eigenen Reihen“. Daher ist es unwahrscheinlich, dass ein Samariter einem verletzten Juden geholfen hätte und umgekehrt.
Weshalb Priester und Levit nicht helfend eingreifen geht aus dem Text nicht hervor. Darüber will ich mir in einem späteren Beitrag Gedanken machen.
Provozierend an dieser Geschichte ist, dass die „Frommen“ versagen und ausgerechnet der verhasste Andersgläubige, sich vorbildlich verhält. Sein spontanes Handeln hat etwas Selbstverständliches und Unspektakuläres. Er sieht den Verletzten, unterbricht seine Reise, leistet am Unfallort „erste Hilfe“ und leitet eine nachhaltige Versorgung ein.
„Wer ist mein Nächster?“ In dem Gleichnis werden weder Namen noch Gruppierungen genannt. Der Nächste ist auch derjenige, der einer anderen Gemeinschaft angehört, mit der man eventuell sogar verfeindet ist.
Gestern musste ich während der Auseinandersetzung mit diesem Text lachen. Heute ist mir überhaupt nicht mehr nach lachen zumute. Auch in demjenigen den Nächsten zu sehen, mit dem ich, warum auch immer, zerstritten bin, verlangt sehr viel und ist in meinen Augen schon fast eine Zumutung. Übertrage ich allerdings diesen Gedanken der Nächstenliebe auf meine Lebensgestaltung, so wäre, sofern ich diesen in die Praxis umsetze, dies ein kleiner Beitrag zum Frieden untereinander.
Ganz ehrlich, jetzt geht es mir wie dem jüdischen Schriftenausleger. Verstanden habe ich die Geschichte– theoretisch. Aber was nützt all mein theoretische Wissen, wenn es mir nicht gelingen will einen Bezug zum Menschen herzustellen? Ach, im Grunde geht es ja gar nicht um das Verstehen des Textes, sondern darum, wie dieser gelebt und im Alltag umgesetzt wird.
Es geht um Handeln, nicht um Reden!
Christa Schwemlein
Zugegeben:
Wir leben in einer Zeit, in der die alten biblischen Texte für viele verstaubt daherkommen mögen. Dennoch ist der “barmherige Samariter” eine Geschichte, die auch heute noch zum Nachdenken anregen kann. Wollte man die Parabel heute neu erzählen, könnte man, damit sie mehr zieht, an die Stelle des Samariters den “Ossi”, den Türken, oder ähnliches setzen.
Der Beitrag wurde am Donnerstag, den 1. Oktober 2009 um 21:29 Uhr veröffentlicht und wurde unter Blog-Geflüster, Eigene Gedanken zu..., Geschichten, Herz und Verstand, Kirche, Kleine Bibelkunde abgelegt. du kannst die Kommentare zu diesen Eintrag durch den RSS 2.0 Feed verfolgen. du kannst einen Kommentar schreiben, oder einen Trackback auf deiner Seite einrichten.
Eine Reaktion zu “Handeln statt Reden”
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Am 26. September 2010 um 18:19 Uhr
[...] vorgetragen. Es geht um „Handeln, nicht um Reden“, so der Referent. Kam mir doch sofort mein „Barmherziger Samariter“ in den Sinn. Ja, man muss das Rad nicht neu [...]