Das Tagebuch – Konflikte
sie dreht die Spaghetti am Tellerrand und führt genüsslich das kleine Nudelnest zum Mund. „Mhmmm, die Pasta schmeckt köstlich“, lobt sie ihren Ehemann. „Der Rotwein auch, ein Sizilianer“, antwortet er und reicht ihr das Glas.
Sie essen, trinken Wein und unterhalten sich über Gott und die Welt. „Weißt du, ich würde so gerne wissen, wie weit diese Menschen letztendlich wirklich gegangen wären. Wollten sie mir nur drohen, oder meinten sie es tatsächlich ernst?“
„Das wirst du nie erfahren. Wie weit bist du eigentlich mit deiner Geschichte?“, erkundigt er sich.
„Zur Zeit schreibe ich nicht. Ich korrigiere, feile an den Sätzen und stelle sie um. Es macht mir viel Freude. Vielleicht entsteht irgendwann doch einmal ein Roman daraus“, lacht sie.
„Tatsachenbericht, Krimi oder Kömödie?“, scherzt er.
Sie räumt den Tisch ab, schenkt noch etwas Wein nach und verschwindet zusammen mit dem Rotweinglas in ihrem Arbeitszimmer.
Es macht ihr Vergnügen ihre Beobachtungen und Wahrnehmungen von damals schriftlich festzuhalten. Ihr Tagebuch ist ihr bei der Erinnerung eine wertvolle Hilfe. Sie verknüpft die jeweiligen Tageseinträge zu einzelnen Kapiteln und reiht sie aneinander. Gerade so, wie ihr der Sinn danach steht.
Sie ist angenehm müde. Der Wein zeigt bereits seine Wirkung. Ihr Blick fällt auf die Uhr. Es ist spät und sie beschließt, heute Abend nicht mehr zu arbeiten. Stattdessen drückt sie die „on“ – Taste des CD-Players und kurz darauf erklingt die markante Stimme von Johnny Cash. „I walk the line“, eines ihrer Lieblingslieder des amerikanischen Country Sängers.
Sie nippt mehrmals an ihrem Rotweinglas, bewegt sich im Takt und gibt sich ganz der weinseligen Stimmung hin. Wahllos schlägt sie eines ihrer Tagebücher auf und liest:
***
Sonntag, den 1. Januar 2006
Manchmal hilft nur eines: Da muss man an den Ort des Geschehens zurückkehren, damit ein Kreis sich schließt und endlich Frieden einkehrt.
***
Ruhig legt sie das Buch beiseite, greift erneut zum Glas und geht in Gedanken viele Schritte zurück, fast bis an den Anfang, in die Zeit, in der alles begann.
Langsam trinkt sie ihr Glas leer. Bruchstücke aus Rilkes „Karussell“ kommen ihr plötzlich in Erinnerung. „Und dann und wann ein weißer Elefant“, zitiert sie kaum hörbar. Sie schüttelt den Kopf und spricht leise zu sich selbst:
„Manchmal entpuppt sich das immer wiederkehrende Gleiche zu einem schier unlösbaren Problem, so dass sich der Kreis erst dann schließt, wenn man für die Rückkehr ein anderes Tor benutzt.“
© Christa Schwemlein
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Der Beitrag wurde am Mittwoch, den 7. April 2010 um 20:46 Uhr veröffentlicht und wurde unter Das Tagebuch, Eigene Gedanken zu..., Fremde Gedichte, Zitate abgelegt. du kannst die Kommentare zu diesen Eintrag durch den RSS 2.0 Feed verfolgen. du kannst einen Kommentar schreiben, oder einen Trackback auf deiner Seite einrichten.
Eine Reaktion zu “Das Tagebuch – Konflikte”
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Am 5. November 2010 um 22:30 Uhr
[...] Tagebuch: Konflikte Dummerle und Dickerle [...]