The “very scottish” Brian führt durch Schottland – Hans Güth erzählt
Nach einem kleinen Absacker geht’s auch schon weiter …..
Meinem Schatz geht’s an diesem Morgen besser, sie hat wieder ihren Befehlston drauf. Vor dem Schiff steht ein Dudelsackpfeifer, der uns auf unseren Ausflug einstimmt. Petrus dagegen hat kein Einsehen, die Wolken können das Wasser nicht mehr halten, it´s raining cats and dogs.
Der einzige, der keine Kopfbedeckung jeglicher Art dabei hat, ist natürlich der Hansi. Mit dem Effekt, dass ich bereits total durchnässt in den Bus steige. Wer schon einmal eine Busfahrt in nass-klammen Klamotten gemacht hat, der weiß, wie ich mich die nächsten eineinhalb Stunden gefühlt habe.
Unser schottischer Reiseleiter heißt Brian und ist „very scottish“. Er hat viel über sein Land und die Menschen zu erzählen und man spürt seinen Stolz. Ich kann ihn durchaus verstehen, denn, obwohl ich noch nie hier war, liebe ich dieses Land mit seiner unglaublichen Tradition und Geschichte schon lange.
Brian ist hier geboren und ist, auch wenn man es ihm figürlich nicht ansieht, ein echter Braveheart. Als Highlander hat er angeblich seinen Whisky schon morgens auf dem Frühstückstisch und er beschwört mich gleich mehrmals, dass es keine Tageszeit gebe, die für einen Malt nicht geeignet sei. Ein gewisser Widerspruch zwischen Tageslicht und Hochprozentigem existiert dann bei mir aber doch.
Entlang des Cromarty Firth, in dem sich Bohrinseln zur Überholung aneinanderreihen, geht es über die gleichnamige Brücke hoch in die Highlands, wo wir das historische Schlachtfeld von Culloden passieren. Im Jahre 1746 standen sich hier in dem kahlen, weiten Moorland im Tal des Nain das Heer der Jakobiten unter Bonnie Prince Charlie und die britische Armee unter dem Herzog von Cumberland gegenüber. Es fand ein schreckliches Gemetzel statt, aus dem die Briten als Sieger hervorgingen und die „Eingemeindung“ Schottlands besiegelten. Die bis dahin immer erfolgreichen Highlander waren vom langen Marsch erschöpft und das Schlachtfeld im Moor unglücklich gewählt. Außerdem standen den 5.000 Highlandern mehr als doppelt so viele Engländer gegenüber. In Schottland wurden infolge dieser Ereignisse der Kilt, der Dudelsack und die gälische Sprache verboten.
Darauf folgt – es könnte gegensätzlicher nicht sein – ein Golfplatz! „Golf is an easy game, but it’s hard to play”. Das sollte jeder wissen, meint Brian. Und in Schottland ist es ein Spiel, das allen gehört. Auf den Plätzen treffen sich Arbeiter und Intellektuelle, Adelige und arme Schlucker. Das Pitchen und Putten ist Ausdruck jahrhundertealter Kultur.
Kaum 70 Kilometer Luftlinie von Ost nach West. Dazwischen, auf grasgrünen Samt eingebettet, Smaragde, Rubine, Brillanten. Golfplätze wie Edelsteine, 43 an der Zahl. Der berühmteste ist des „Golfers Heiligtum“: The Old Course, St. Andrews. Ziel jeder Golf-Wallfahrt, 18 Loch, Par 72, Länge 6004 Meter. Wo es eigentlich nie eine Startzeit gibt. Nicht heute, nicht morgen, nicht nächsten Monat. Wer frustrierte Amerikaner oder enttäuschte Japaner sehen möchte – er reise dorthin.
Und Brian erzählt uns im Vorbeifahren eine herrliche schottische Geschichte: Da starb vor Monatsfrist einer, und alle beneideten ihn um seinen Tod. Stuart Williamson war sein Name, und es war die letzte Birdie-Chance seines Lebens, als Gott eingriff und ihn hinter die Friedhofsmauer schickte, keine 30 Meter entfernt vom Grün der Bahn 3. Darauf lag, ganz nah an der Fahne, sein Ball. Stewart wollte zum Putter greifen, fasste sich stattdessen ans Herz und fiel einfach um. Er wurde 63 Jahre und vier Monate alt. Und was taten die Männer des Ortes? Sie ließen Stewarts Ball auf dem Grün. Drei Tage später trugen sie ihn entlang der Mauer zu Grabe. Als gesagt, was zu sagen, und gesungen, was zu singen war, blickten alle den Hügel hinauf zum Grün von Loch 3. Dort stand einer der ihren und spielte mit zittrigen Händen Stewarts letzten Ball. Er rollte 30 Zentimeter und verschwand im Loch. Die Trauergemeinde applaudierte. Man nahm Stewarts Score-Karte, trug drei Schläge ein und legte sie als letzten Gruß auf den Sarg.
Eine andere Geschichte aus Schottland verbindet die ganze Welt. Es ist die Geschichte from rags to riches, vom Tellerwäscher zum Millionär. Es ist der Traum des Underdogs, das Märchen von Aschenputtel. Es ist die Geschichte der Sozialhilfeempfängerin in einem Zimmer im kalten Edinburgh, die sieben Jahre später die drittreichste Frau Großbritanniens sein wird. Es ist die Geschichte von Joanne K. Rowling. Und die von Harry Potter.
Nach einer Fahrt über saftige Wiesen und Wälder treffen wir bei Cawdor Castle ein. Das Schloss liegt östlich von Inverness in einem herrlichen Park mit 250 Jahre alten Bäumen und wird nach wie vor vom Cawdor-Clan bewohnt. Im Sommer ist die alte Lady Cawdor aber nicht zuhause, da beutet sie die Touristen aus (Eintritt 15 Euro).
In früheren Zeiten war Cawdor Castle weniger eine wehrhafte Burg, als vielmehr ein geschütztes Turmhaus. Shakespeare machte sie bekannt, denn Macbeth war „Than of Cawdor and Glamis“. Genau genommen entstand das Bilderbuchschlösschen in seiner heutigen Form erst 300 Jahre nach der Zeit, in der Macbeth spielt, aber den Hauch mittelalterlicher Vergangenheit spürt man hier überall. Drinnen befinden sich wahre Schätze an wertvollen Stilmöbeln und exklusiven Kunstgegenständen. Um das Schloss herum betört ein zauberhafter, englischer Blumengarten die Sinne. In diesem Häuschen würde ich gerne wohnen – wenn es nur in Ladenburg stünde.
Auf dem Weg nach Invergordon windet sich die Straße durch kleine Dörfer. Wir lernen von Brian mehr über die schottischen Clans, die Highlands, die berühmten Highland-Games, die jedes Jahr im September tausende in den Norden ziehen, den Whisky und die Seen Schottlands, die ja, wie schon erwähnt, Lochs heißen.
Da wir gerade in der Nähe von Loch Lomond sind, will Brian uns ein gleichnamiges, altes Lied vorsingen, das wir sicher nicht kennen würden. Ein einsamer Finger hebt sich langsam und widersprechend. Dann singt er mit seiner rauen Whisky-Stimme den Refrain dieses schönen Liedes. Doch ich laufe ihm den Rang ab, denn ich habe die komplette Runrig-Version auf meinem Handy. Da sind Schotte und Bus platt.
Leider herrscht während der Rückfahrt zur luna im Cromarty Firth Flut. So können wir nur einen einzigen schwimmenden Seehund erkennen. Bei Ebbe und Sonnenschein finden sich hier oft Scharen dieser drolligen Tiere zum Sonnenbaden ein. Zum Ende der Tour zeigt uns Brian während einer kurzen Stadtrundfahrt noch einige Sehenswürdigkeiten von Invergordon, das Schloss, die Kathedrale, den River Ness und das Rathaus.
Es ist noch ein wenig Zeit, um durch die Stadt zu schlendern, kurz in die Kathedrale vorbeizuschauen oder die vielen alten, gepflegten Hochlandhäuser zu bewundern. Die Main Street steht ganz im Zeichen des Karos. Tartan ist das Synonym für Schottand. Der karierte Verpackungsstoff einer ganzen Nation, mehr oder minder bunt, in den alles eingewebt ist: Geschichte und Fiktion, Mythen und Militarismus, Pomp, Poesie und Politik. Der Tartan der Highlander kennt mehr als 1800 registrierte Muster und ist nach wie vor trendy, vor allem als Kilt. Jener kurze kniekurze, karierte Männerrock, vorn von einer schweren Sicherheitsnadel zusammengehalten, in seiner Form eigentlich ein Frauenkleid, das dennoch jeden Mann sexy macht. Und nur Kleinkarierte dürfen nach dem Darunter unterm Kilt fragen.
Noch ein paar Souvenirs für die Lieben zuhause. Die obligatorischen Whisky-Gläser, Teetassen, T-Shirts und ein bisschen Schnick-Schnack, dann geht’s zurück zum Schiff. Wir wären gerne tiefer eingetaucht in Schottlands Geschichte und Geschichten.
18.00 Uhr heißt es wieder „sail away“. Eine schottische Highland-Band verabschiedet uns, ein würdiger Abschied. Der Wind frischt auf zum Sturm und die luna bewegt sich unruhig vorwärts, aber nicht so schwankend wie am Tag zuvor. Letzte Fotos beim Verlassen des Cromarty Firth, dann Einschwenken in den Moray Firth.
Beim Abendessen in der „Weiten Welt“ begleitet uns die Küste noch eine ganze Weile. Irgendwie sind wir ein wenig traurig, denn Schottland ist ein verdammt schönes Land. Wer einmal da war, hat stets einen gewaltigen Panaromaschwenk im Kopf. Über die Highlands, über tiefe, ruhige Seen, zu finsteren Schlössern, in denen ein paar Gespenster nicht überraschen würden, mit einem melancholischen Sonnenuntergang, der auch dem härtesten Burschen eine Gänsehaut über den Rücken jagt, und wo man Zeit findet, über den Sinn des Lebens nachzudenken. Auch meine Seele ist ganz hinten mit Plüsch ausgelegt.
Als wir es uns gerade im Theatrium bei Ipanema und Erdnüssen gemütlich machen, kommt über den Lautsprecher die „Einladung zur Ladies Shopping Night“, mit vielen Angeboten für die Damen. Zusätzlich werden die Mädels auch noch mit einem Glas Sekt geködert. Ich toppe das natürlich mit Schampus, Marke J.M. Gobillard & Fils, brut rosé, für günstige 7,80 Euro das Glas (0,1 l) und kann meinen Schatz, für den das Wort „Angebot“ eine unglaubliche Anziehungskraft hat, gerade noch festhalten.
„Einmal noch nach Bombay“, ein Theaterstück für zwei Personen, verkürzt die Zeit bis zum Höhepunkt des Abends. Das AIDA-Show-Ensemble dreht die Zeit zurück und präsentiert ein spektakuläres Kapitel Musikgeschichte: „Come together – Die Beatles-Show“. Das proppenvolle Theatrium rockt! Spitzenklasse!
Mit einem letzten Drink an der AIDA-Bar ertränken wir die stärker werdende Wehmut über das nahende Ende unserer Reise.
Ein wenig wehmütig wünsche ich allen “Mitreisenden” heute eine gute Nacht. Schlafen Sie gut und träumen Sie was Schönes, Ihr Reiseleiter
Hans
Der Beitrag wurde am Mittwoch, den 2. März 2011 um 20:41 Uhr veröffentlicht und wurde unter Reisen abgelegt. du kannst die Kommentare zu diesen Eintrag durch den RSS 2.0 Feed verfolgen. du kannst einen Kommentar schreiben, oder einen Trackback auf deiner Seite einrichten.
Eine Reaktion zu “The “very scottish” Brian führt durch Schottland – Hans Güth erzählt”
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Am 4. März 2011 um 23:46 Uhr
[...] The “very scottisch” Brian führt durch Schottland It´s raining cats and dogs und “Hansi” ist ohne Kopfbedeckung. [...]