21. Februar 2011 von Christa

71° 10’ 21“ – Hans Güth erzählt

hansIn Honningvåg, dem Servicezentrum der Fischereigemeinschaft, leben ca. 2.350 der insgesamt 3.200 Einwohner. Der 71. Breitengrad führt genau durch die Tankstelle des Ortes. Die Menschen leben hier an der äußersten Grenze der Besiedelung, bis zum Nordpol sind es weniger als 2.000 Kilometer.

Als Vorposten der Arktis spielt Honningvåg eine wichtige Rolle als Lotsenstation für den Schiffsverkehr. Mit rund 100 Kreuzfahrtschiffen in jedem Sommer und 200.000 Nordkap-Besuchern rangiert Honningvåg in seiner Bedeutung auf Platz fünf der norwegischen Kreuzfahrthäfen.

Die Fahrt bis auf den Gipfel dauert 45 Minuten. Links und rechts ziehen baumlose, mit Gräsern und Flechten bewachsene Landstriche vorbei, auf denen Rentiere, der Reichtum des Nordens, grasen. Wenn man einen Samen fragt, wieviele Rentiere er besitzt, ist es so, als ob man ihn nach seinem Kontostand fragt.

Wir sind oben, eineinhalb Stunden Zeit, um bei bestem Wetter das Nordkap-Plateau „abzugrasen“.

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Wir schwimmen im Strom von hunderten von Touristen, denn außer der luna liegen noch zwei weitere Kreuzfahrtschiffe im Hafen von Honningvåg und die MS Europa tendert in einer Nebenbucht. Alle zieht es magisch zu der vom gleißenden Sonnenlicht angestrahlten Weltkugel (seit 1978 Symbol des Nordkaps und des Friedens).

Ein bisschen paradox ist es schon. Zum Nordkap kommen die meisten Menschen, um zu erleben, dass etwas nicht passiert. Klingt verrückt, ist aber dennoch ein einzigartiges Naturschauspiel. Vom 14. Mai bis Ende Juli ist hier die Sonne nicht unterzukriegen. Dann umgibt das Nordkap, das 307 Meter steil aus dem Nordpolarmeer aufragt, eine geradezu mystische Atmosphäre.

Besucher aller Nationalitäten nehmen deshalb in den Sommermonaten den oft weiten Weg auf sich, um sich das Phänomen der Mitternachtssonne mit eigenen Augen anzusehen. Das Nordkap gilt als letzter Vorposten Europas vor dem Eismeer, ist streng genommen aber „nur“ der nördlichste per Straße erreichbare Punkt Europas. Doch weil die meisten ohnehin nie weiter auf der Karte „nach oben“ kommen werden, gilt die Position 71° 10’ 21“ nördlicher Breite für uns Europäer als das Ende der Welt.

In der riesigen Nordkap-Halle, die aus dicken Felsbrocken erbaut wurde, befinden sich Souvenirläden und Restaurants, wo ich einmal mehr feststelle, dass das Ausbeuten von Touristen auch am Nordkap Volksbrauchtum ist, sowie ein Informationszentrum mit einer Multivisionsshow.

Die Halle hat aber noch jede Menge zu bieten. In einem unterirdischen Tunnel wird die lange Geschichte dieses Felsens aufgearbeitet. In der St. Johannes-Kapelle, der nördlichsten Kapelle der Welt, hat sich schon so manches Paar das Ja-Wort gegeben. Zudem findet man ein Café, eine Bar und ein Postamt, in dem man ein Nordkap-Diplom mit aktuellem Tagesstempel erwerben kann.

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Aber die Uhr tickt viel zu schnell. Als wir uns in Richtung Bus bewegen, zieht dichter Nebel auf und die Weltkugel ist nur noch schemenhaft zu erkennen. Wir beobachten, wie der Feuerball fast, aber nur fast, im Meer versinkt und Himmel und Wolken am Nachthimmel rosa färbt. Selbst im hohen Norden wird uns warm ums Herz.

Die Abholbusse zeigen sich nicht oder nur sehr spärlich. 600 Passagiere oder mehr kämpfen um die wenigen freien Plätze. Um 22.30 Uhr reißt der Nebel plötzlich wieder auf. Dann kommen auch die Busse, wie auf einer Perlenkette aufgezogen, den Berg hoch.

Gegen 23.15 Uhr sind wir wieder an Bord, pünktlich um Mitternacht legen wir aus dem nebelverhangenen Hafen von Honningvåg ab und verlassen eines der spannendsten und schönsten Länder Europas. Die norwegische Küste, kinematographisch gesehen, zoomt sich langsam ins Nichts. Wir sind auf dem Weg nach Island.

Ihr Reiseleiter
Hans

Der Beitrag wurde am Montag, den 21. Februar 2011 um 10:57 Uhr veröffentlicht und wurde unter Reisen abgelegt. du kannst die Kommentare zu diesen Eintrag durch den RSS 2.0 Feed verfolgen. du kannst einen Kommentar schreiben, oder einen Trackback auf deiner Seite einrichten.

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