Der Unschuldswahn
Lassen Sie uns noch einmal einen Ausflug ins ‚Alte Testament’ zu Adam und Eva machen. Nachdem Eva Adam nun Gesellschaft leistete, hätte eigentlich alles in bester Ordnung sein können. Schön hätten die beiden es haben können, im Garten Eden – ausgedehnte Spaziergänge, gutes Essen, guter Wein und, und, und …… Ihrer Phantasie sind keine Grenzen gesetzt. Sie wissen, wie die Geschichte endet.
Auf den ersten Blick mag man vielleicht über die naive Erzählung schmunzeln. Doch bei genauerem Hinsehen wird man feststellen, dass die Botschaft des alttestamentlichen Textes nichts an Bedeutung verloren hat. Im Gegenteil, sie ist so aktuell wie nie zuvor. Die Protagonisten, von denen in der Bibel gesprochen wird, sind feige. Sie machen den kläglichen Versuch, durch die Beschuldigung des anderen ihr eigenes Fehlverhalten zu vertuschen und sich selbst aus der Verantwortung zu stehlen.
Damals wie heute: Du bist schuld!
Es ist eine beliebte Methode der Gewissensberuhigung eigene Schuld auf andere abzuwälzen. Dieses Verfahren ist so alt wie die Menschheit selbst. Wie sprach Adam nach dem Sündenfall? „Die Frau, die du mir beigestellt hast, sie hat mir von dem Baum gegeben, und so habe ich gegessen.“ Ein schöner Kavalier! Die Antwort des Adam ist typisch männmenschlich – ups. Sorry!
Gleich eine doppelte Schuldzuweisung. Ein cleverer Schachzug, finden sie nicht auch? Adam versucht die Schuld nicht nur Eva in die Schuhe zu schieben, letztendlich soll Gott selbst schuld sein. Und was macht die Eva? Sie reicht den „Schwarzen Peter“ weiter. Sie war es auch nicht, die Schlange war’s.
Nichts hat sich verändert!
Unsere Zeit ist durch einen Unschuldswahn geprägt. Egal bei was, ob beim Schuldenmachen, in der Umwelt, beim Missbrauch oder im alltäglichen Miteinander – in unserer Gesellschaft will keiner Schuld sein. Schuld sind immer die anderen, und wenn man sie nicht findet sind es irgendwelche Strukturen oder das System. Schuld mag keiner haben, denn Schuldgefühle sind äußerst unangenehm. Deshalb versuchen wir nach Möglichkeit den Blick in den Spiegel zu vermeiden und haben stattdessen vielfältige „Schuldabwehrmechanismen“ entwickelt – auf andere schieben ist einer davon:
„Es war ein Befehl von oben, ich konnte nicht anders…“ „Wenn ich bessere Eltern gehabt hätte…“ „Wenn er oder sie sich anders verhalten hätte, dann hätte ich nicht…“
Manches wäre längst nicht so interessant, wenn es nicht verboten wäre. Regeln und Gesetze erhalten oftmals erst dadurch ihren Reiz, dass man ausprobieren kann, wie weit sie überschritten werden können. Wir sind furchtbar neugierig und wollen es wissen, auch wenn wir damit unsere Sicherheit gefährden. Es ist ein Aspekt unserer Freiheit selbst entscheiden zu dürfen was wir tun, aber wenn’s schief läuft soll doch ein anderer den Kopf hinhalten. Die Frage nach der eigenen Verantwortung wird nicht gestellt. Der Gedanke, dass wir ernten, was wir säen ist nicht sonderlich beliebt.
„Schuld gehört zum Leben wie das tägliche Brot“, soll Alfred Delp einmal gesagt haben. Wir Menschen sind nicht perfekt und werden es wahrscheinlich auch nie sein. Es ist schwer und mühsam, den eigenen Anteil an Geschehenem zu übernehmen. Dazu ist die Arbeit des Erkennens nötig, und die noch viel schwierigere des „Sich-Selbst-Erkennens“. Tja und dazu erzählen wir dann halt Geschichten.
Christa Schwemlein
Der Beitrag wurde am Montag, den 27. August 2012 um 22:18 Uhr veröffentlicht und wurde unter Blog-Geflüster, Geschichten, Kleine Bibelkunde, Zitate abgelegt. du kannst die Kommentare zu diesen Eintrag durch den RSS 2.0 Feed verfolgen. du kannst einen Kommentar schreiben, oder einen Trackback auf deiner Seite einrichten.
Einen Kommentar schreiben
du mußt angemeldet sein, um kommentieren zu können.