Nach Hamburg – Hans Güth erzählt
FREITAG, 02. Juli 2010
Vorfreude. 06.50 Uhr, das Taxi kommt überpünktlich. So, wie sie halt meistens kocht, hat mein Schatz – „Honey“ – auch gepackt: Ein kleiner Koffer für mich, zwei große für sich selbst. Die Plackerei, bis unser Gepäck im Auto verstaut ist, bringt mich fast an meine koronaren Grenzen, ist jedoch ein Zuckerschlecken gegen die spätere Action auf dem Mannheimer Bahnhof.
„Hast Du nichts vergessen?“ erkundigt sich Honey auf der Schnellstraße, Höhe Feudenheim.
„Doch, meinen Schreibtisch“, erwidere ich. –
„Was??“ –
„Da liegt noch mein Handy”.
Vollbremsung des rumänischen Taxlers, mit Powerslide-U-Turn über die durchgezogene Linie, bevor uns der nahende 38-Tonner erwischt. Er unterschätzt jedoch den Wendekreis seines Taxis und verursacht ein wildes Verkehrschaos. Ich stelle fest, dass der TÜV des 38-Tonners laut Plakette abgelaufen ist.
Mit geschätzter Lichtgeschwindigkeit zurück nach Ladenburg, wo ich ihn bei Lidl – oder doch erst bei EDEKA? – höflich auf die gesetzliche Geschwindigkeitsbegrenzung innerhalb geschlossener Ortschaften hinweise. Vor unserem Haus parkt er in Gegenrichtung in der zweiten Reihe und spätestens jetzt zweifle ich, ob der Mann überhaupt einen Führerschein besitzt. Vielleicht ist das aber auch nur der gängige rumänische Fahrstil.
Mit dem Handy auf den Rückflug, auf dem der Transsylvanier uns über die wesentlichen Punkte seines Lebens aufklärt. Er wäre mehrfach nahe an der Grenze gewesen, seinen Führerschein zu verlieren und in Flensburg hätten sie ein Foto von ihm an der Wand. In der Schweiz sei er mal bei erlaubten 80 kmh mit 68+ geblitzt worden und fügt stolz an, dass er das Ticket in Höhe von 167 Euro sofort nach Erhalt bezahlt hätte. Da hätte er Größe gezeigt und sich nicht mal mahnen lassen. Die Geschwindigkeit schafft er zwischendurch auch jetzt locker, bis ich am Flugplatz-Blitzer an der Scheibe klebe.
Fünfundvierzig Euro, inklusive fünf Euro Überlebens-Bonus, waren am Ende nicht zuviel für diese Erfahrung. Aber ich weiß nicht, ob wir das nervlich durchgehalten hätten, wären wir seinem Angebot, uns für 500 Euro nach Hamburg zu fahren, nähergetreten.
Längere Reisestrecken teile ich gewöhnlich in Etappen ein. Diese Methode lässt meinen Adrenalinspiegel nicht in gefährliche Höhen schnalzen. Die nächste Etappe endet in der Hitze von Bahnsteig 3, wo sich mein Schatz nach Studium des Wagenstandsanzeigers partout im Bereich “F” niederlassen will. Meinen flehenden Hinweis, dass erfahrungsgemäß in neun von zehn Fällen der Zug umgekehrt einfährt und die 1.Klasse wahrscheinlich bei “A/B” zu finden ist, quittiert sie mit einem beleidigten Blick und marschiert ab. Ich denke wehmütig an frühere Zeiten, wo es noch möglich war, dem Teufelsbraten zu widersprechen.
Der Zug kommt und ich sehe mit Schrecken Wagen 11 vorbeirauschen. Zwei Minuten Haltezeit. Meine bessere Hälfte mit dem leichten Sturmgepäck auf und davon, ich, dem Kollaps nahe, mit einem Stop-over auf “C/D”, hinterher. Bevor mich die automatische Tür zermalmt, wuchte ich die schweren Koffer in den Wagon und suche das Sauerstoffzelt. Wenn auch stark angeschlagen, kämpfen wir uns zu unseren reservierten Plätzen durch. Die nächste Etappe ist geschafft, wir sind auf dem Weg nach Hamburg.
Der Wagon ist nicht ausgebucht, gut klimatisiert, das Bordpersonal freundlich. Der Schaffner schwätzt uns einen zu starken Kaffee von gestern auf, mit dem man die Straße teeren kann, dazu ein durchaus leckeres 500-Kalorien-Croissant. Langsam kommen wir in Urlaubsstimmung und es sollten viereinhalb entspannte Stunden nach Hamburg werden.
Mit dieser abenteuerlichen Anreise verabschiede ich mich für heute und wünsche Ihnen noch einen schönen Samstagnachmittag.
Ihr Reiseleiter
Hans
Der Beitrag wurde am Samstag, den 12. Februar 2011 um 14:12 Uhr veröffentlicht und wurde unter Reisen abgelegt. du kannst die Kommentare zu diesen Eintrag durch den RSS 2.0 Feed verfolgen. du kannst einen Kommentar schreiben, oder einen Trackback auf deiner Seite einrichten.
2 Reaktionen zu “Nach Hamburg – Hans Güth erzählt”
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Am 18. Februar 2011 um 10:25 Uhr
Hey, Dad.
Sehr geil. An Action hat es euch bei der Anreise ja nicht gefehlt
Am 4. März 2011 um 23:40 Uhr
[...] Vorfreude und Abfahrt Mit geschätzter Lichtgeschwindigkeit von Ladenburg zum Mannheimer [...]