580 Kilometer auf der alten Königstrasse – Iran Folge 17
Wie gestern Abend vereinbart, erscheinen wir heute Morgen pünktlich um 5.30 Uhr zum Frühstück. Doch die Tür zum Speisesaal ist geschlossen. Weit und breit ist kein Mensch zu sehen. Wie Schuppen fällt’s mir von den Augen. Wir haben vergessen unsere Uhren an die Zeitumstellung anzupassen.
Bei unserem Aufbruch ist es noch dunkel. Im Bus spielt leise Musik und ich schließe noch einmal die Augen bis mich die Ausführungen unserer Reiseleiterin zum politischen System im Iran ins Hier und Jetzt zurück holen.
Politisches System
Die zentrale Figur des Systems ist der religiöse Führer. Er ist auch die höchste Entscheidungsinstanz. Er gilt als Statthalter des zwölften, in die Verborgenheit verschwunden Imams der Shiiten und herrscht an seiner Stelle. Voraussetzung zur Bekleidung dieses Amtes ist der religiöse Rang eines Ayatollahs. Der religiöse Führer wird von dem sogenannten Expertenrat, einem Gremium von 86 Klerikern, auf Lebenszeit gewählt und ist mit weitreichenden Befugnissen ausgestattet. So hat er zum Beispiel das oberste Kommando über die Armee. Er allein ernennt den Chef der Polizei- und Ordnungskräfte des Landes sowie den Leiter der Rundfunkanstalt. Er bestätigt den Präsidenten und kann Kraft seines Amtes Gesetze außer Kraft setzen. Der Bevölkerung gegenüber ist er keine Rechenschaft schuldig. Auch die Zusammensetzung des Wächterrates gehört zu seinen Aufgaben. Der jetzige religiöse Führer, Ali Khamenei kam 1989 nach dem Tod von Ajatollah Khomeini an die Macht. Irans politisches System weist einige Besonderheiten auf. Sollten Sie sich dafür interessieren, so finden Sie weitreichende Informationen hier im Internet.
Nach den umfangreichen politischen Ausführungen geht Ali mit Tee, Shirinis und später Schokolade durch den Bus. Unsere Reisebegleiter sind rührend bemüht, uns die langen Busfahrten so angenehm wie möglich zu gestalten.
Frau Schulte berichtet, dass Präsident Ahmadinedschad eine dankbare Figur für Witze gewesen sei. Drei davon gibt sie zum Besten. „Kein anderer iranischer Politiker wurde von der Bevölkerung mehr verlacht als dieser Präsident“, sagt sie. Nun, mein Humor ist das nicht.
Stiftungen
Nach der humoristischen Einlage wird’s wieder ernst. Wir wenden uns den Stiftungen des Landes zu. „Das Siegel des Propheten“ ist eine davon. Hinter diesem frommen Namen verbirgt sich allerdings kein gemeinnütziger Verein, wie sich vielleicht vermuten ließe, sondern ein gigantisches Wirtschaftsunternehmen der Islamischen Republik, das sich zur Aufgabe gemacht hat, die Wirtschaft des Irans zu kontrollieren. „Das Siegel des Propheten“ ist das Wirtschaftsunternehmen schlechthin“, so unsere Reiseleiterin. „Ein Drittel der Volkswirtschaft wird von diesem Unternehmen kontrolliert“.
„Setad“ ist eine bekannte religiöse Stiftung und zählt ebenfalls zu den mächtigeren Stiftungen des Landes. Ayatollah Khomeini hat diese kurz vor seinem Tod 1989 ins Leben gerufen. Heute kontrolliert sein Nachfolger Aytollah Ali Khamenei dieses Imperium.
Wächterrat, Expertenrat, Schlichtungsrat, ob die Strippenzieher Steuern zahlen oder nicht und wer wen und weshalb kontrolliert, all dies wird mir allmählich zu viel. Mein Bedarf an politischer Wissensvermittlung ist für den Vormittag gedeckt. Trotzig schalte ich meine Ohren auf Durchzug, bitte meinen Mann gut aufzupassen und sich Notizen für unseren Vortrag zu Hause zu machen. Entspannt lehne ich mich zurück und erfreue mich, während draußen eine eigenwillige sandige Hügellandschaft vorüber zieht, an dem sich immer wieder verändernden Farbenspiel der Natur.
Wir fahren auf der einstigen Königstraße Richtung Shiraz.
Die Sasaniden hinterließen an dieser Strecke eindrucksvolle Baudenkmäler – allen voran die Königstadt Bishapur. Hier halten wir an. Bevor wir unsere Besichtigungstour beginnen ist erst mal Zeit für unser mittägliches Picknick. Wir alle haben einen Bärenhunger.
Die Überreste von Bishapur bestehen heute aus drei Komplexen – der eigentlichen Stadt, der Festung und sechs Felsreliefs, die von den Großtaten der Könige erzählen. Hier im Foto sehen Sie das Felsrelief Nr. 2. Es stellt den Sieg Shapurs I. über die römischen Kaiser dar.
Auch gut erhaltene Investiturszenen sind zu sehen. Sie zeigen wie Ahura Mazda dem jeweiligen König den Ring der Herrschaft überreicht.
Nach 580 zurückgelegten Kilometern kommen wir am Abend in Shiraz, der Stadt der Poeten, der Rosen und des Weines an.
Christa Schwemlein
Erlebt am:
Dienstag, den 21. März 2017
Der Beitrag wurde am Freitag, den 6. April 2018 um 20:25 Uhr veröffentlicht und wurde unter Reisen abgelegt. du kannst die Kommentare zu diesen Eintrag durch den RSS 2.0 Feed verfolgen. du kannst einen Kommentar schreiben, oder einen Trackback auf deiner Seite einrichten.
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