Erstaunliche Erfahrungen – Iran Folge 14
Frauen im Iran
Unsere Toilettengespräche sind Anlass, während der Weiterfahrt über das Leben der Frauen im Iran zu sprechen. Wir sprechen über das Kopftuch, die Geschlechtertrennung, die Ehe sowie die Ehe auf Zeit und wir hören, dass etwa ein Drittel aller Arbeitskräfte und auch ein Drittel aller promovierten Akademiker Frauen sind. An den Universitäten sind Männer sogar in der Minderheit. Frauen arbeiten mittlerweile in allen Berufen und tragen wesentlich zum Lebensunterhalt ihrer Familien bei. Lediglich das Richteramt ist ihnen noch vorenthalten.
„Komisch. Wie kam es dazu, wo doch die Mullahs die Frauen am Kochtopf gesehen haben,“ will die Berlinerin wissen. „So paradox das auch sein mag, aber erst durch die islamischen Kleidervorschriften nach der Revolution war es den Mädchen möglich geworden Schulen und Universitäten zu besuchen. Durch das Gebot der Verschleierung glaubten konservative Eltern ihre Mädchen geschützt“, antwortet unsere Reiseleiterin und verweist auf das neue Buch von Charlotte Wiedemann „Der Neue Iran – Eine Gesellschaft tritt aus dem Schatten“.
Welcome in Iran
„Wann und wo picknicken wir heute?“ erkundigt sich unsere mitreisende Diabetikerin unruhig. „Raststätten gibt es auf der heutigen Strecke nur wenige und diese sind wegen der Feiertage und des Regenwetters sicherlich alle überfüllt“, vermutet Schahab. Kurzerhand weist er den Busfahrer an, die Autobahn zu verlassen, landeinwärts zu fahren und vor einem aufgeschlagenen Zeltlager anzuhalten. Shahab steigt aus und bittet die Zeltbewohner unser Mittagspicknick wegen des schlechten Wetters in einem ihrer Zelte anrichten zu dürfen. Für uns alle unvorstellbar werden wir mit einem herzlichen „Welcome in Iran“ begrüßt.
Nach und nach gesellen sich immer mehr Iraner und Iranerinnen aus den umliegenden Zelten zu uns, bieten uns Tee mit Datteln und persischen Süßigkeiten an. Sie alle brennen darauf etwas über uns und das Leben in Deutschland zu erfahren. Umgekehrt wir natürlich auch. Wir essen und trinken gemeinsam, erzählen, stellen Fragen und fotografieren uns gegenseitig. Erst als die Reiseleitung zum Aufbruch drängt stellen wir fest, wie rasch die Zeit verging. Jetzt heißt es Abschied nehmen.
Während der Weiterfahrt ist es im Bus auffallend ruhig. Ich vermute ich bin nicht die Einzige, die sich nachdenklich die Frage stellt: „Wie würde ich reagieren, würden vor meiner Haustür etwa zwanzig Muslime stehen und um Einlass bitten?“ Mein voller Bauch und die monotonen Motorgeräusche machen mich schläfrig. Gerade bin ich dabei einzuschlafen als Frau Schulte aus dem Buch „Schah-in schah“ vorzulesen beginnt. Es stammt aus der Feder des polnischen Journalisten und Schriftstellers Ryszard Kapuściński und ist eine Reportage über die Mechanismen der Macht. Kapuściński kannte ich bis zu diesem Zeitpunkt nicht. Er hat eine ganz eigene Art zu schreiben, suffisant vielleicht? Ja, sehr suffisant sogar.
Inzwischen haben wir die fantastische Bergwelt Luristans verlassen und bewegen uns nun im fruchtbaren Tiefland von Kuhzistan. Diese Provinz liegt im Grenzgebiet zum Irak, am nordöstlichen Ufer des Persischen Golfs. Ihre Hauptstadt ist Ahvaz. Im 5. Jahrhundert nach Christus war diese Provinz ein christliches Zentrum. Heute machen in der Hauptstadt Ahvaz Menschen arabischer Herkunft einen großen Teil der Bevölkerung aus. Landwirtschaftliche wie auch industrielle Nutzung prägen das Bild dieser Region. Im Sommer sei es hier unerträglich heiß, berichtet Shahab. Die Temperaturen liegen dann bei etwa 50 Grad Celsius. Bei einer Hitzewelle zeige das Thermometer auch schon mal 60 Grad und mehr an. Und dennoch ist Wasser in Hülle und Fülle ganzjährig vorhanden. Warum das so ist erfahren wir bei den Wassermühlen von Schuschtar. Hier bekommen wir Einblicke in das ausgeklügelte Wassermanagement der antiken Stadt, das vermutlich bis in das 3. Jahrhundert vor Christus zurück reicht. Doch zuvor halten wir bei der sehenswerten, historischen Brücke am Ortseingang für einen Fotostopp.
Bei Einbruch der Dunkelheit erreichen wir die Mühlen. Es ist schwülwarm geworden und wegen des bevorstehenden Neujahrsfestes ist hier die Hölle los. Die Atmosphäre in der Anlage erinnert mich an Italien. Fehlen nur die Restaurants mit den weiß eingedeckten Tischen, die Musik und der Wein.
Nach 560 zurückgelegten Kilometern treffen wir um 21.30 Uhr in unserem Hotel in Ahvaz ein. Ich bin zu müde, um noch irgendetwas zu essen.
Christa Schwemlein
Erlebt am:
Sonntag, den 19. März 2017
Der Beitrag wurde am Sonntag, den 25. Februar 2018 um 20:36 Uhr veröffentlicht und wurde unter Reisen abgelegt. du kannst die Kommentare zu diesen Eintrag durch den RSS 2.0 Feed verfolgen. du kannst einen Kommentar schreiben, oder einen Trackback auf deiner Seite einrichten.
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