Ankara – Zentralanatolien 02
„bir, iki, üç dört …,“ unsere Reisegruppe ist mit 22 Personen komplett. Mit einem fröhlichen „Günaydin“, das so viel wie „Guten Morgen“ heißt, begrüßen wir Abdullah, unseren Busfahrer. Zum Auftakt unserer Studienreise steht die Regierungsstadt Ankara auf dem Programm. Während der Fahrt dorthin hören wir, dass Ankara früher Angora hieß, heute nach Istanbul mit nahezu 5 Millionen Einwohnern die zweitgrößte Stadt der Türkei ist und nach dem Untergang des Osmanischen Reiches von „Mustafa Kemal Atatürk“ 1923 zur Hauptstadt ernannt wurde. Damals hatte Ankara gerade mal 40.000 Einwohner weiß Ender, unser Reiseleiter. Hätte Atatürk eine andere Stadt zur Hauptstadt erklärt, so wäre Ankara wahrscheinlich weiterhin ein Provinznest geblieben, vermutet er.
Ankara ist eine junge und moderne Stadt mit rasantem Wachstum. Hier befinden sich die besten und bedeutendsten Hochschulen des Landes. Die Stadt besteht aus zwei Teilen, wie sie unterschiedlicher nicht sein können. Auf der einen Seite ist im Norden rund um die Zitadelle die historische Altstadt und auf der anderen Seite im Süden die von „Atatürk“ aus dem Boden gestampfte Neustadt. Merken Sie was? Reisen bildet.
Wir beginnen den Tag mit einem Spaziergang durch die engen Altstadtgassen. An einer Straßenecke bleiben wir stehen, um einer Frau beim Korbflechten zuzusehen. Während die anderen interessiert schauen und fragen wandert mein Blick die Straße entlang. Die trockenen Blumenkübel vor den Hauseingängen, die leeren Holzstühle daneben und die Wäscheleinen an den Fenstern in den oberen Stockwerken erinnern mich ein wenig an die Heimat meines Großvaters. Fehlt nur noch die Musik in der Luft und das „dolce vita“ wäre perfekt.
Auf dem alten Kopfsteinpflaster geht’s weiter zum Marktplatz. Stände mit Bergen von Nüssen und Trockenfrüchten reihen sich eng aneinander. Wir probieren hier ein paar Nüsse, dort ein paar Früchte und sind uns einig: Uns geht es gut. Das Leben ist schön.
Während der Teepause erfahren wir, dass die Altstadt heute das Wohnviertel der Armen ist. Der Armen deshalb, da hier die Häuser wegen ihrer baufälligen Substanz noch preiswert zu erwerben sind. Doch schauen Sie mal, manches dieser heruntergekommenen und verfallenen Häuser ist wegen der schönen Lage geradezu prädestiniert in naher Zukunft in ein Panoramarestaurant umgewandelt zu werden.
Auffallend sind aber auch die vielen restaurierten Häuser aus osmanischer Zeit, die sogenannten Konaks, Herrenhäuser, die ich bereits in meinem Ostanatolienbericht erwähnt habe.
Wie in anderen türkischen Großstädten lebt auch in Ankara ein Großteil der Bevölkerung in „Gecekonduvierteln”. Da nach altem islamischen Recht es verboten war ein Haus mit einem Dach seinem Besitzer wieder wegzunehmen, sind im Zuge der Landflucht diese Stadtteile quasi über Nacht entstanden. Diese Wohnsiedlungen sind jedoch nicht mit Slums oder Elendsvierteln zu vergleichen. Die einzelnen Viertel einer solchen Siedlung bilden feste Dorfgemeinschaften, die meist aufgrund der gemeinsamen Herkunft ihrer Bewohner bestehen. Ankara gilt übrigens als die größte „Gecekondu-Stadt“.
Nach dem Altstadtrundgang steht der Besuch im “Museum für Anatolische Zivilisationen” auf unserem Tagesprogramm. Da hier überwiegend Hinterlassenschaften der Hethiter ausgestellt sind, ist das Museum im Ausland auch unter dem Namen „Hethitisches Museum“ bekannt. Aufgrund der umfangreichen Sammlung hethitischer Altertümer ist es eines der bedeutendsten Museen der Welt und zugleich ein kultureller Höhepunkt der Stadt. Wir widmen uns zuerst den frühen hethitischen Funden.
Die Ausstellung ist faszinierend und ich komme aus dem Staunen nicht heraus. In den Vitrinen sind Schmuckstücke ausgelegt, von denen ich mir vorstellen könnte sie heute zu tragen. Trotz gutem Schuhwerk tun mir nach zwei Stunden intensiver Beschäftigung mit der hethitischen Vergangenheit Füße und Rücken weh. Ich freue mich auf die bevorstehende Teepause im schattigen Museumsgarten.
Nach der Pause geht es mit den späthetitischen Funden weiter. Die Sammlung von Großplastiken, Reliefs, Grabbeigaben und vielem mehr ist riesig und im Rahmen einer Aufzeichnung wie dieser unmöglich zu schildern. Mittlerweile ist es Mittag und mein Magen knurrt. Ender empfiehlt uns ein paar “Lokantas”, das sind Restaurants mit einfachen, schlichten, lokalen Speisen. Mein Mann und ich entscheiden uns für eine „Türkische Pizza“ in einem dieser kleinen Straßenrestaurants mit weißen Plastikmöbeln. Einige aus unserer Gruppe schließen sich uns an und es kommt zu einem ersten Kennenlernen. Ich spüre, wir werden eine gute Gruppe…..
Christa Schwemlein
Kleingedrucktes:
Erlebt am Donnerstag, den 29. Mai 2014.
Der Beitrag wurde am Sonntag, den 29. März 2015 um 11:59 Uhr veröffentlicht und wurde unter Reisen abgelegt. du kannst die Kommentare zu diesen Eintrag durch den RSS 2.0 Feed verfolgen. du kannst einen Kommentar schreiben, oder einen Trackback auf deiner Seite einrichten.
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