10. August 2014

Ach Tamara …

Es war einmal …

eine wunderschöne armenische Prinzessin namens Tamara. Die Königstochter war unsterblich in einen jungen Mann verliebt und umgekehrt er in sie. Sie lebte auf dem Festland, er auf einer Insel im Van-See. Von ihrer Liebe durfte niemand etwas wissen. Deshalb trafen sie sich heimlich in der Nacht, dann, wenn alles schlief. Jeden Abend ruderte er mit seinem Boot von der Insel zum Festland, um seiner Liebsten nahe zu sein. Er orientierte sich an dem Licht einer Öllampe, welches sie Abend für Abend für ihn an ihrem Zimmerfenster bei Eintritt der Dämmerung bereit stellte. Doch Irgendjemand neidete den beiden ihr Glück. Eines Nachts leuchtete kein Licht. Der junge Mann verlor in der Dunkelheit die Orientierung und lief mit seinem Boot auf einem Felsen auf. Das Boot kenterte und es kam, wie es kommen musste: Er ging unter und ertrank. Mit seinen letzten Atemzügen seufzte er: „Ach Tamara …. “.

Daher wird der Sage nach die zauberhafte Insel, von der ich gestern berichtet habe, “Akdamar” genannt.

Die Klosterinsel Akdamar im Van-See

 

Hat jemand ein Taschentuch? ;-)

Christa Schwemlein 

Eintrag Nr. 9997 | Kategorie Geschichten, Reisen | 2 Kommentare »




9. August 2014

Çavuştepe und Akdamar – Ostanatolien 08

Diese Studienreise ist nach der Reise in den Oman und der nach Israel meine dritte Gruppenreise. Es ist erstaunlich wie unterschiedlich Gruppen sein können. Diese ist, wenn man von dem schwelenden Sitzplatzkonflikt mal absieht, höflich distanziert. Die launige Zusammenfassung unseres „Dr. Dr.“ zum Besuch der Teppichmanufaktur bricht, zumindest im hinteren Drittel des Busses, das Eis. Es ist erstaunlich, wie rasch sich Menschen finden, wenn sie gemeinsam über einen Außenstehenden lachen können.

Inzwischen zeigt das Thermometer 17 Grad und wir sind unterwegs zur Ausgrabungsstätte Çavuştepe. Die ehemalige urartäische Festungsanlage, deren Blütezeit zwischen 764 und 735 v. Chr. war, erstreckt sich auf zwei Höhenlagen. Wir erklimmen zuerst den unteren Bereich der Burg. Oben angekommen sehen wir das ehemalige Lebensmittellager, mit den in den Boden eingelassenen Vorratsbehältern.

Getreidelager in der Ausgrabungsstätte Çavuştepe

Die Größe der Behälter lässt darauf schließen, dass Çavuştepe nicht nur als militärischer Kontrollposten, sondern auch als Lebensmitteldepot von großer Bedeutung war. Neben den Vorratslagern wurden hier auch Zisternenanlagen, Überreste eines Tempels und eine Opferplattform mit einer Blutabflussrinne gefunden. Daneben sind über die gesamte Anlage mehrere mit Keilschrift beschriebene Steinplatten verstreut. Darunter befinden sich auch Dankschriften des Königs an seinen obersten Gott, den Gott Haldi. Wir haben Glück. Der Wächter der Burganlage ist anwesend. Er ist ein bekannter Keilschriftkundiger und kann uns einiges zu der Schrift und den „Schriftstücken“ sagen.

Wächter in Keilschriftkundiger von Çavuştepe

Einführung in die Keilschrift in Çavuştepe

Die königliche Toilette, der Vorgänger unseres Plumpsklos, lässt alle Kameras klicken und ist an diesem Vormittag das Fotomotiv schlechthin.

Die königliche Toilette in Çavuştepe

Vor dem Abstieg gibt uns Süheyl einen Abriss über die Geschichte der Burg. Nun weiß ich, dass man von den Urartäern erstmals um 1200 v. Chr. hörte, sie sich aus vielen Volksstämmen bildeten, ihre Städte meist auf Hügeln bauten, sie Meister in Steinmetzarbeiten waren und mit den Assyrern in ewiger Feindschaft lebten. Wer sagt`s denn – Reisen bildet! ;-)

Nach dem Besuch der Festungsanlage und dem Verzehr einer köstlichen Käsepizza in einem Kurdischen Restaurant bringt uns eine Fähre zu der Klosterinsel Akdamar im Van-See. Von der einstigen armenischen Residenzstadt ist, außer der armenischen Heiligkreuzkirche, nicht viel erhalten. Doch mehr braucht diese zauberhafte Insel auch nicht. Sie ist auch so eine Augenweide.

Die Kirche Sup Khach (Heiligkreuzkirche) auf Achtamar

Die Kirche im Mittelpunkt ist über und über mit Reliefs mit Szenen aus dem Alten Testament verziert. Motive sind u.a. Adam und Eva und die Darstellung des Sündenfalls, David und Goliath, Abrahams Opfer und viele mehr. Im Bild sehen Sie die bekannte Erzählung vom Propheten Jona.

Die Jonaerzählung aus dem AT

Seit 2010 darf in der Inselkirche wieder einmal im Jahr ein Gottesdienst gefeiert werden, nachdem dies mehr als 100 Jahre verboten war.

Nach der Besichtigung der Kirche haben wir „Freizeit“. Das ist auch gut so. Mir geht im Moment alles viel zu schnell. Es ist seltsam, wir sind erst 8 Tage von zu Hause weg, aber was wir bisher gehört, gesehen und erlebt haben ist so viel, dass es fast schon zu viel ist und ich das Gefühl habe nicht hinterher zu kommen. Weder mag ich mit den anderen ins Café, noch mag ich die Reste des armenischen Friedhofs hier auf der Insel besichtigen. Ich sehne mich nach einer Verschnaufpause. Unter einem abseits gelegenen Mandelbäumchen finde ich ein geeignetes Plätzchen. Es tut gut, diese Zeit alleine für mich zu haben, innezuhalten, das Panorama zu genießen und im hier und jetzt den gleichmäßigen Schlägen der Wellen zuzuhören.

Die Klosterinsel Achtamar

Unweit von mir hat sich unsere Malerin niedergelassen. Ich glaube, ihr geht es ähnlich wie mir.

Auszeit auf Achtamar

Am frühen Abend bringt uns die letzte Fähre zurück zum Festland. Es ist frisch geworden und wir sind alle wieder in unsere Pullover und Jacken geschlüpft. Auf dem Weg zu unserem Hotel nach Van halten wir noch an einem Friedhof aus dem 13. Jahrhundert und besichtigen ein Mausoleum, das zu Ehren einer Prinzessin, aber fragen Sie mich bitte nicht welche, errichtet wurde. Die Gräber auf dem weitläufigen Friedhofsgelände sind bei Einbruch der Dämmerung für unsere Fotografen willkommene Motive.

Christa Schwemlein

Kleingedrucktes:
Erlebt am Samstag, den 12. Oktober 2013.

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4. August 2014

Von Teppichen und Teppichhändlern – Ostanatolien 08

Wie schön, heute dürfen wir eine halbe Stunde länger schlafen. Wir starten erst um 8.30 Uhr und da wir in diesem schönen Hotel zwei Nächte verbringen, müssen auch keine Koffer vor die Tür. Bleibt also richtig viel Zeit für ein ausgiebiges Frühstück. So langsam vermisse ich meinen geliebten Mohrbacher Kaffee. Deshalb versuche ich es heute mit Tee. Ein freundlicher Kellner erklärt mir die Zubereitung. Teekochen funktioniert hier nämlich anders als bei uns. Auf einer Warmhalteplatte stehen zwei Kannen übereinander. In der oberen Kanne werden die Teeblätter aufgebrüht, die vom Wasserdampf der unteren Kanne erhitzt wird. Man gießt sich, je nach Geschmack, etwas von dem warmen Sud ins Glas und füllt diesen mit heißem Wasser auf. Getrunken wird der Tee mit Zucker, selten mit Zitrone doch niemals mit Milch.

Für Teppiche führen alle Wege in der Osttürkei nach Van, so heißt es. So steht der Besuch eines Teppichzentrums auch für uns auf dem Programm. Dort werden wir vom Inhaber des angeblichen Familienbetriebes freundlich empfangen und in die Geheimnisse der Knüpf- und Webkunst eingeweiht. Ich bin erstaunt. Dieser Mann ist rhetorisch perfekt geschult, spricht besser Deutsch als ich und steht wie aus dem Ei gepellt vor uns. Das hellblaue Hemd und die anthrazitfarbene Hose sind aus feinstem Tuch, der Gürtel aus edlem braunen Leder, ebenso die auf Hochglanz polierten Schuhe. Er informiert uns, dass sie hier auf Kelims, das sind gewebte Stücke, spezialisiert sind und an 1.500 Stühlen weben.

Weberin in einem Teppichzentrum in Van

Um fehlerhafte Arbeiten zu vermeiden gibt es in diesem Unternehmen weder Heim- noch Kinderarbeit. Hier, wo man teilweise noch mit den alten Traditionen und Sitten lebe, haben Weberinnen einen weitaus besseren Stand als andere Frauen. Sie erhalten zum Beispiel eine Ausbildung, einen Monatslohn von ungefähr 250 – 300 Euro und sind auch krankenversichert. Nach diesem kurzen Einblick in das soziale Engagement des Unternehmens macht er uns mit den Eigenschaften vertraut, die einen besonders guten Teppich ausmachen. Danach gibt er seinen Mitarbeitern, die ebenfalls alle sehr gut deutsch sprechen, die Anweisung uns einen Tee zu reichen. Im Anschluss daran werden wir in einen separaten Raum gebeten, wo uns die Mitarbeiter die edlen Stücke gekonnt präsentieren – eines schöner als das andere. Doch, das meine ich wirklich ernst. Mir gefallen die ausgefallenen Muster, die satten Farben und ich weiß, da ich in jungen Jahren selbst gewebt und geknüpft habe, wieviele Stunden Arbeit in einem fertigen Stück stecken.

Türkische Teppiche

Teppich aus Van

Im Bus bringt es unser „Dr. Dr“ auf den Punkt: „Erst kommt die soziale Ader, danach die Praxis, dann ein Tee, darauf folgt die Präsentation und am Ende kann man froh sein, den Laden ohne Teppich verlassen zu können.“ Erst jetzt verrät er uns, dass er während seiner Rundreise durch die Westtürkei diesen ehrlichen und einzig wahren Teppichhändler bereits erlebt und dieser dort haargenau das Gleiche erzählt habe. Puh, nach dieser Offenbarung brauch’ ich erst mal eine Pause. Bis dann.

Christa Schwemlein

Kleingedrucktes:
Erlebt am Samstagvormittag, den 12. Oktober 2013.

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3. August 2014

Biblisches, Musikalisches, Anderes – Ostanatolien 07

Am siebzehnten Tag des siebten Monats setzte die Arche im Gebirge Ararat auf. (Gen 8,4).

Ob es sich in dieser Bibelstelle tatsächlich um den Berg Ararat handelt ist strittig. Nichts desto trotz beruht die Berühmtheit des biblischen Berges auf der alttestamentlichen Erzählung, nach der Noahs Arche während der Sintflut hier gestrandet sein soll.

Sehr früh haben wir heute Morgen Kars verlassen und sind nun auf dem Weg Richtung Süden. Im Bus spielt eine CD von „Ibrahim Tatlises“. Der Musiker ist ein bekannter Vertreter des Arabesk, eine Musikrichtung, die, wie der Name sagt, aus dem arabischen kommt. Sie entstand Ende der sechziger Jahre mit der starken Landflucht und Gastarbeiterbewegung, als mit den Menschen auch deren Lieder reisten. Arabesk ist heute eine Mischung aus türkischer Volks- und Popmusik sowie arabischen Klängen. Die traurigen Lieder von Heimweh und unerfüllter Liebe passen gut zu der steppenähnlichen Landschaft hier nahe der armenischen Grenze.

Steppenlandschaft auf dem Weg zum Vansee

Immer wieder ist die schneebedeckte Spitze des Ararat zu sehen. Mit 5137 Meter Höhe ist er der höchste Berg in der Türkei. Sein kleiner Bruder, der kleine Ararat, bringt es auf 3896 Meter und leistet ihm Gesellschaft. Es ist optimales Fotowetter und unsere Fotografen fiebern einem Fotostopp entgegen. Interessiert lausche ich dem fachmännischen Austausch über Blende, Brennweite und Belichtungszeit, ohne jedoch den Ehrgeiz zu haben, mich in diese Materie einarbeiten zu müssen. Schauen, draufdrücken, fertig! Mein Erinnerungsfoto ist schnell geschossen.

Ararat

Somit bleibt mir noch genügend Zeit, unserer Malerin beim Skizieren des mächtigen Vulkanberges über die Schulter zu schauen. Vor einigen Jahren habe sie mit der Malerei begonnen. Seither sind für sie, so wie für andere Menschen der Fotoapparat, Zeichenstifte und Wasserfarben unverzichtbare Reiseutensilien. Dieses Hobby fasziniert mich und ich bin mir ziemlich sicher, eines Tages auch die Buntstifte zwischen den Fingern zu haben.

Wir sind nun in der Grenzstadt „Doğubayazıt“, ca. 35 Kilometer von der iranischen Grenze entfernt. Die Stadt wirkt arm und bietet selbst keine Sehenswürdigkeiten. Doch in unmittelbarer Nähe thront auf einer einsamen Felsenterrasse der grandiose Ishak-Pascha-Palast, der auch als das Neuschwanstein Anatoliens bezeichnet wird. Der Palast wurde in den letzten Jahren aufwändig restauriert. Die Aufteilung der Räume ist jedoch weitgehend erhalten und lässt den pompösen Lebensstil der ehemaligen Bewohner erahnen.

Ishak-Palast in Ostanatolien

Oberhalb des Palastes, etwas weiter den Berg hinauf, sind noch die Überreste der alten Festung und die Ruine einer Kuppelmoschee zu sehen. Von hier oben hat man einen wunderbaren Blick auf die weite Ebene von „Doğubayazıt“.

Das alte Beyzit - Festungsruine und Kuppelmoschee

Die Strecke Richtung Süden nach Van, unserem heutigen Tagesziel, führt uns über den 2644 Meter hohen Tendürek-Pass. Am späten Nachmittag erreichen wir auf einer Hochebene von 1.700 Meter die Anfänge des größten Sees der Türkei, den Van-See. Er ist sieben Mal so groß wie der Bodensee. Wegen des stark sodahaltigen Wassers leben im See nur wenige Fischarten, diese aber in unvorstellbaren Mengen.

Bei Eintritt der Dämmerung machen wir am Burgberg von Tuspa, wenige Kilometer von Van entfernt, nochmals halt. Ich bin faul und erspare mir den steilen Aufstieg. Stattdessen stöbere ich in dem Souvenirlädchen am Fuß des Berges und genieße bei einem Cay den romantischen Blick auf die beleuchtete Burgruine von unten. Bei Dunkelheit beziehen wir die geräumigen und elegant eingerichteten Zimmer unseres Hotels. Am Ende eines Urlaubstages mit vielfältigen Eindrücken und 370 zurückgelegten Kilometern auf einer reizvollen Passstrecke bin ich todmüde und schlafe nach einem vorzüglichen Abendessen, trotz Zimmer zu der belebten Straße rund um den Van-See, sofort tief und fest ein.

Christa Schwemlein

Kleingedrucktes:
Erlebt am Freitag, den 11. Oktober 2013.

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28. Juli 2014

Alte Steine in Ani – Ostanatolien 06

Wir sind auf dem Weg zum türkisch-armenischen Grenzgebiet, um die Ruinenstadt Ani zu besichtigen. Während der Fahrt erzählt Süheyl etwas zur Geschichte der ehemaligen armenischen Hauptstadt. Wir hören, dass Ani in seiner Blütezeit, etwa um das 11. Jhd., über 100 000 Einwohner und mehr als 1000 Kirchen gehabt haben soll und man es deshalb auch „Stadt der 1001 Kirchen“ nannte. Im Laufe der Geschichte wurde Ani mehrmals erobert. Anfang des 14. Jhd. fiel es einem schweren Erdbeben zum Opfer. Dies führte zu einer verstärkten Abwanderung der Bewohner sowie der endgültigen Verlegung der Handelsroute. Im 16. Jhd. wurde Ani letztendlich vollständig aufgegeben. Anfang des 20. Jhd. wurde die Stadt durch archäologische Grabungsarbeiten wiederentdeckt. Seitdem finden ständig Grabungen und Renovierungsarbeiten statt.

Mit reichlich Wasser im Gepäck starten wir unseren mehrstündigen Rundgang. Eine Reiseteilnehmerin mag nicht mit. Sie bevorzugt es, in der Nähe der Toilette zu bleiben. Ihr war der Lammspieß vom Mittag nicht bekommen. Meinen hatte ich vorsichtshalber stehen lassen, denn der strenge Lammgeruch hatte mich von dem Fleischgenuss abgehalten.

Durch das Haupttor, auch Löwentor genannt, betreten wir das Ruinengelände. Wir befinden uns nun auf einem weitläufigen Plateau, das von drei tiefen Schluchten begrenzt wird. Das Flussbett des Arpa Çayı trennt die Türkei von Armenien.

Der Arpa Çayı Grenze zwischen Türkei und Armenien

Wegen der unmittelbaren Nähe zu Armenien wird dieses Gebiet militärisch kontrolliert. Es sind zwar keine Grenzsoldaten zu sehen, dennoch ist die Stimmung eigenartig, fast sogar ein bisschen bedrückend. Zahlreiche Ruinen von Kirchen, Klöstern, Moscheen und Stadtmauern stellen eindrucksvoll die armenische Vergangenheit dar. Gespannt folge ich den fundierten Erklärungen unseres Reiseleiters. Es ist zu spüren, dass er auf diesem Gebiet zu Hause ist. Mittlerweile ist auch unser „Dr. Dr.“ mit der Reiseleitung zufrieden und korrigiert seine voreilige Beurteilung.

All das Gesehene und Gehörte wiederzugeben würde den Rahmen meines Blogeintrages sprengen. Wer sich dafür interessiert findet genügend Information hier im Internet oder in der einschlägigen Reiseliteratur. Erwähnen möchte ich die gut erhaltene Kathedrale. Sie war Zentrum des religiösen und kulturellen Lebens in Ani.

Die Kathedrale von Ani

Zu den schönsten Kirchen von Ani zählt die Gregorkirche des Tigran Honentz Man erreicht sie über einen steilen, etwas beschwerlichen Abstieg. Bemerkenswert sind die feinen Reliefs an der Fassade sowie die zahlreichen Fresken im Innenraum, die Szenen aus dem Leben Jesu zeigen.

Gregorkirche in der Ruinenstadt Ani

Apropos, kennen sie eigentlich Hripsime?

Nein? Dann mach`ich Sie mal schnell mit der Dame bekannt:

Hripsime war eine Nonne, die dem byzantinischen Kaiser Diokletian gefiel. Um den Nachstellungen des Kaisers zu entgehen floh sie zusammen mit ihrer Äbtisin und den anderen Klosterfrauen nach Armenien. Hier umwarb sie König Tiridates. Als sie auch diesem eine Abfuhr erteilte ließ er Hripsime und alle anderen Ordensfrauen töten. Die Standhaftigkeit von Hripsime soll Auslöser für die Bekehrung des Königs und für die Christianisierung Armeniens gewesen sein. Ihr zu Ehren wurde das Hripsimekloster in Ani errichtet. Was wäre eine archäologische Führung ohne solche Geschichten? :-D

Auf dem Rückweg kommen wir auf ein Tabuthema, eines der dunkelsten Kapitel des Ersten Weltkrieges zu sprechen, der türkische Genozid an den Armeniern. Ein Verbrechen von einer ungeheuerlichen Dimension. Süheyl empfiehlt uns hierzu den historischen Roman des österreichischen Schriftstellers Franz Werfel: Die vierzig Tage des Musa Dagh. Ein Buch, das heute noch brandaktuell ist.

Christa Schwemlein

Kleingedrucktes:
Erlebt am Donnerstag, den 10. Oktober 2013 am Mittag.

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25. Juli 2014

Literatur und Genuss – Ostanatolien 06

Auf der Straße nach KarsDie Provinzstadt Kars, unser heutiges Reiseziel, liegt am Ende der türkischen Welt, unweit der georgischen und armenischen Grenze. 290 Kilometer haben wir bis dahin auf der Straße, die den Orient mit dem Okzident verbindet, zurückzulegen. Das Wetter ist heute traumhaft schön und es soll allmählich wärmer werden.

Im Bus habe ich einen Platz in der vorderen Hälfte bekommen, den ich jedoch dem Herrn mit den freundlichen Augen, der mir in Frankfurt aufgefallen war, überlasse. Übrigens, er hat nicht nur freundliche Augen, er ist auch freundlich. 81 Jahre ist er alt, verwitwet und in Zürich zu Hause. So, das wissen wir jetzt auch. ;-)

Während der Fahrt sprechen wir über die Stellung der Frau in der Türkei. Wieder kommt Atatürk, der große Held des Fortschritts, ins Spiel. Seine umfangreichen Reformen gewährten den türkischen Frauen neue Rechte, wie z. B. das aktive und passive Wahlrecht. Seit 1934 dürfen türkische Frauen wählen und gewählt werden. Was diesen Punkt betrifft war die Türkei damals weitaus fortschrittlicher als einige andere europäische Staaten.

Unser Weg führt uns durch das Arastal. Hier bewundern und fotografieren wir die von den Seldschuken erbaute 220 Meter lange Cobandede-Brücke. Ich habe richtig Mühe einen Schnappschuss von der Brücke machen zu können. Egal wo ich auch stehe, ständig ist mir das Schweizer Ehepaar mit ihren semiprofessionellen Spiegelreflexkameras vor der Nase. Noch trage ich es, im Gegensatz zu einigen anderen Hobbyfotografen, mit Humor.

Cobandede Brücke über den Aras

Während der Weiterfahrt nach Kars macht uns Süheyl mit dem Schriftsteller und Sänger „Zülfü Livaneli“ bekannt. “Glückseligkeit“ , eines seiner Bücher, habe ich nach meiner Rückkehr geradezu verschlungen. Es handelt von einem 15-jährigen Mädchen, das von ihrem Onkel vergewaltigt wird. Ihr sogenanntes Vergehen bringt Schande über die ostanatolische Sippe und deshalb muss sie bestraft werden. Ihr Cousin erhält den Auftrag, sie in der anonymen Großstadt Istanbul umzubringen. Dort angekommen, treffen die jungen Leute auf eine ganz andere Türkei…. Ein berührender Roman!

Inzwischen hat sich das Landschaftsbild wieder geändert. Es gleicht dem von Kappadokien, das ich nur von Postkarten kenne und mit bunten Heißluftballons in Verbindung bringe.

Erosionslandschaft in Ostanatolien

Gegen Mittag erreichen wir unser Hotel in Kars, ein Mittelklassehotel, wo es mit der Sauberkeit der Zimmer nicht so genau genommen wird. Es sollte jedem Reisenden, der sich in diese Gegend verirrt, klar sein, dass man hier nicht die gleichen Komfortansprüche stellen kann, wie an der Mittelmeerküste.

Kars

Die Stadt bietet ein ärmliches Bild und dürfte bis auf Erscheinen von Orhan Pamuks Buch “Schnee nur wenigen bekannt gewesen sein. Die Meinungen über dieses Buch gehen auseinander. Mir hat`s gefallen. Geschildert wird die Reise eines Schriftstellers nach Kars. Er will dort über die Selbstmorde muslimischer Mädchen berichten. In Wirklichkeit sucht er nach seiner Jugendliebe, um sie für ein gemeinsames Leben in Deutschland zu gewinnen.
Erwähnenswert ist vielleicht noch, dass Kars früher mehrmals russisch war und tatsächlich erinnert so manches Haus an die russische Vergangenheit. Ansonsten ist Kars Ausgangspunkt für die Besichtigung der 45 km entfernten altarmenischen Hauptstadt Ani, eine der schönsten Ruinenstätten der Türkei. Doch bevor wir uns dahin auf den Weg machen schlage ich vor, wir machen eine Pause. Was halten Sie von „Cağ kebabı“, eine Kebabvariante, bei der der Lammspieß nicht horizontal, sondern vertikal über dem offenen Feuer geröstet und auf kleinen Spießen serviert wird?

Sie sind Vegetarier? Dann sind Sie in Kars goldrichtig. „Kashkawal-Käse“ mit Honig zählt zu den Spezialitäten von Kars.

Guten Appetit und bis gleich!

Christa Schwemlein 

Kleingedrucktes:
Erlebt am Donnerstag, den 10. Oktober 2013.

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24. Juli 2014

Moscheen, Medresen, Mausoleen und Musik – Ostanatolien 05

Vor uns liegt ein neuer Tag, der mit einem traditionellen türkischen Frühstück beginnt: Weißbrot, Marmelade, Oliven, Tomaten, Gurke und Schafskäse. Zu Hause käme ich nie und nimmer auf die Idee Oliven & Co zu frühstücken. Doch hier schmeckt dies alles einfach köstlich.

Im Bus sind die Plätze im ersten Drittel mit Rucksäcken, Handtaschen und Jacken reserviert. Die beiden Schweizer „Fotografen“ haben wie immer die Plätze ganz vorne, direkt neben unserem Reiseführer, eingenommen. Ich bin gespannt, ob die Nörgler heute den Mut aufbringen, den sich anbahnenden „Sitzplatzkonflikt“ offen anzusprechen. Sie tun es nicht. Stattdessen schüren sie weiterhin heimlich das Feuer.

Am Vormittag beschäftigen wir uns mit den baulichen Hinterlassenschaften der Seldschuken. Nein, Sie müssen nicht in Ehrfurcht versinken. Von Seldschuken habe ich auch das erste Mal während dieser Reise gehört. Damit bestätigt sich die Prophezeiung meiner Urlaubsberaterin: „Während einer Studienreise erfährst du Dinge, von denen du gar nicht wusstest, dass es sie gibt.“

In Erzurum besichtigen wir am Vormittag zuerst eine Moschee aus dem 16. Jhd. und danach eine ehemalige Medrese, eine theologische Hochschule. Noch ist es frostig kalt und ich kann meinen kuscheligen Rollkragenpullover gut vertragen. Einige wenige Meter von der Medrese entfernt stoßen wir in einem kleinen Park auf drei Mausoleen. Es wird vermutet, dass das größte dieser Kuppelgräber das eines seldschukischen Emirs aus dem frühen 12. Jahrhundert ist. Die zwei kleineren Gräber können niemandem zugeordnet werden.

Mausoleum in Erzurum

An diesem Ort hören wir, dass die Toten nicht wie bei uns in einem Sarg beerdigt, sondern eingehüllt in weiße Leintücher mit dem Kopf Richtung Kaaba direkt im Grab gebettet werden. Feuerbestattungen sind verboten. Lediglich in Istanbul, wo es keinen Platz mehr gibt, ist dieses Gesetz inzwischen gelockert.

Gleich nach dem Gräberbesuch erwartet uns ein Imam in seiner Moschee. Der Geistliche spricht über die Moschee, den Koran und den Islam. „Es gibt keine Gottheit außer Gott … ”,  lautet der erste Teil des islamischen Glaubensbekenntnisses. Dies ist das Herzstück dessen, was auch meinen christlichen Glauben ausmacht. Schade, dass der Islam häufig mit Terrorismus in Verbindung gebracht wird. Nach etwa einer Stunde verabschieden wir uns von dem Imam und spazieren durch die „Schneiderstraße“ zu einer ehemaligen Karawanserei. Unterwegs macht uns Süheyl auf eine lokale Besonderheit aufmerksam. Es sind die Ganzkörperschleier aus brauner Schafswolle, mit der sich einige Frauen in dieser Gegend verhüllen.

Nach einem vorzüglichen Mittagessen für umgerechnet nur 4,00 Euro pro Person inklusive Getränke sind wir zu einer „Jam Session“ in einem türkischen Teehaus eingeladen. Zwei lokal bekannte Bardensänger singen über von uns vorgegebene Themen.

Bardensänger in einem ostanatolischen Teehaus

„Natur und Ärger“ war eines davon. Diese musikalische Stilrichtung ist eigenwillig und klingt fremd in meinen Ohren. Vor der Rückkehr zum Hotel bleibt uns noch etwas freie Zeit. Ich kaufe Trauben und Gebäck und lass’ mich auf einer freien Bank von der Sonne an der Nasenspitze kitzeln.

Während der Fahrt zum Hotel erfahren wir, dass Erzurum Universitätsstadt ist. Die Atatürk Universität war eine der ersten großen Universitäten Ostanatoliens und wurde bereits 1954 gegründet. Doch die Studenten reißen sich nicht um einen Studienplatz in dieser Stadt. Viele studieren unfreiwillig hier. Ein schlechtes Abi verschließt ihnen die Türen zu den beliebteren Universitäten im Land, so dass eben nur Erzurum für den Hochschulabschluss bleibt.

Minusgrade und Schnee im Oktober lassen darauf schließen, dass wir uns in einem Skigebiet befinden. Und tatsächlich durchreisen wir hier ein Wintersportzentrum, das zu den besten Skigebieten der Türkei gehört und Erzurum zu einem enormen touristischen Aufschwung verhalf.

Diesen ausgefüllten Tag beschließen wir mit einem mehrgängigen Menue in einem landestypischen Restaurant in der Stadt. Der “Sitzplatzkonflikt” bleibt weiterhin vom Tisch und wird, wie mit Problemen so üblich, vorerst unter den Teppich gekehrt.

Christa Schwemlein

Kleingedrucktes:
Erlebt am Mittwoch, den 9. Oktober 2013.

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23. Juli 2014

Am Ende des Regenbogens … Ostanatolien 04

Früh aus den Federn, heißt es heute. Wir sind eine pünktliche Gruppe. Um 7.30 Uhr sitzen alle im Bus. Es ist saukalt, doch es hat aufgehört zu regnen. Hussein, unser Busfahrer, fährt uns durch Teeplantagen und später durch eines der ärmsten Gebiete der Türkei. Viele der hier lebenden Menschen flüchten in die umliegenden Städte.

Im Bus erfahre ich, dass wir gestern Abend noch einiges verpasst haben. Die entgangene Fabrikbesichtigung kam nochmals auf den Tisch. Die Schweizer “Fotografen” haben sich über die zu kurzen Fotopausen beschwert. Die Frau mit den lila Strümpfen möchte im Bus nicht immer auf demselben Platz sitzen und plädiert deshalb für einen täglichen Sitzplatzwechsel. Unser “Dr. Dr.” will den Reiseleiter austauschen. Das Niveau ist ihm zu niedrig. Unmittelbar vor dieser Reise sei er mit einer anderen Reisegruppe in Istanbul und der Westtürkei unterwegs gewesen und die Ausführungen und Erklärungen von jenem Reiseleiter hätten Hörsaalniveau entsprochen. Boah, bin ich froh, dass wir zeitig aufs Zimmer gingen. Reisen vermittelt nicht nur Wissen, es lehrt auch viel über Menschen.

Am Vormittag passieren wir die Staudämme des „Çoruh-Flusses“. Der Çoruh gehört Insidern zufolge zu einem der weltbesten Rafting-Revieren. Mit Kleinbussen fahren wir durch eine steinige Landschaft, hoch zu der alten armenischen Kirche Ishan. Die Kirche wird derzeit restauriert und soll zu den schönsten Kirchen in dieser Gegend zählen.

Armenische Kirche Ishan in Ostanatolien

Sie stammt ursprünglich aus dem 7. Jh. und wurde im Laufe der Zeit mehrmals umgebaut. Süheyl zeigt uns, woran die verschiedenen Bauphasen noch heute zu erkennen sind. Ich gestehe, ich machte mir bisher wenig aus alten Steinen, doch unser Reiseleiter versteht es, den toten Steinen Leben einzuhauchen und weckt mit seinen lebendigen Ausführungen mein Interesse.

Ishan Kirche in Ostanatolien

Hier oben ist alles grün. Die Bäume hängen voll mit goldgelben Quitten. Oh wie habe ich Quitten als Kind gehasst. Zwei Quittenbäume standen im Garten meiner Eltern, deren Früchte wir nach der Ernte zu Marmelade verarbeitet mussten.

Mit den Kleinbussen setzen wir unsere Reise durch die gebirgige Landschaft fort. Inzwischen scheint die Sonne und der Himmel ist bilderbuchblau. Den Wasserfällen bleibt gar nichts anderes übrig, als uns mit einem farbenprächtigen Regenbogen zu begrüßen.

Mein Mann will es wissen. Er steigt die vielen Stufen hinab, um den Topf mit Gold, der am Ende eines jeden Regenbogens stehen soll, zu finden. Ich selbst erspare mir den steilen Abstieg und erfreue mich ganz einfach an dem rauschenden Naturereignis.

 

***

Sie essen mittags niemals was;
Sie fühl`n sich dadurch besser.
Doch wenn`s umsonst ein Picknick gibt
sind sie die größten Fresser.

 

***

Ich hab`s gewusst. Diejenigen, die mittags, wenn es aus der eigenen Tasche bezahlt werden muss, nie Hunger haben, sind die ersten am Buffet. Sie greifen auch gerne mehrmals herzhaft zu. Wein am Mittag? Alkohol um diese Uhrzeit bekommt ihnen eigentlich nicht. Doch heute machen sie eine Ausnahme. Zur Not gibt es ja Aspirin. Es ist immer das Gleiche. :-D

Ein schönes Picknick haben Süheyl und Hussein für uns gerichtet. Brot, Käse, Wurst, Oliven, Tomaten, Gurken und zum Nachtisch türkischen Nougat, dazu Rotwein aus Teegläsern. Auch an Tischdecken, Servietten und Besteck haben die beiden gedacht. Das mag ich.

Nach diesem wunderbaren Picknick geht`s am Nachmittag weiter Richtung Erzurum. Die Berglandschaft geht allmählich in Weideland über. Unterwegs besichtigen wir noch die Öskvank-Kirche, ein ehemaliges Kloster aus dem 10. Jahrhundert. Bei Dunkelheit erreichen wir das 2.100 Meter hoch gelegene Erzurum, die größte Stadt Ostanatoliens. Es liegt tatsächlich Schnee. Unser Hotel gleicht einem alpenländlichen Skihotel. Zum ersten Mal in meinem Leben stehe ich einem Fuchs gegenüber.

Christa Schwemlein

Kleingedrucktes:
Erlebt am Dienstag, den 8. Oktober 2013.

Eintrag Nr. 9370 | Kategorie Reisen | 0 Kommentare »