Moscheen, Medresen, Mausoleen und Musik – Ostanatolien 05
Vor uns liegt ein neuer Tag, der mit einem traditionellen türkischen Frühstück beginnt: Weißbrot, Marmelade, Oliven, Tomaten, Gurke und Schafskäse. Zu Hause käme ich nie und nimmer auf die Idee Oliven & Co zu frühstücken. Doch hier schmeckt dies alles einfach köstlich.
Im Bus sind die Plätze im ersten Drittel mit Rucksäcken, Handtaschen und Jacken reserviert. Die beiden Schweizer „Fotografen“ haben wie immer die Plätze ganz vorne, direkt neben unserem Reiseführer, eingenommen. Ich bin gespannt, ob die Nörgler heute den Mut aufbringen, den sich anbahnenden „Sitzplatzkonflikt“ offen anzusprechen. Sie tun es nicht. Stattdessen schüren sie weiterhin heimlich das Feuer.
Am Vormittag beschäftigen wir uns mit den baulichen Hinterlassenschaften der Seldschuken. Nein, Sie müssen nicht in Ehrfurcht versinken. Von Seldschuken habe ich auch das erste Mal während dieser Reise gehört. Damit bestätigt sich die Prophezeiung meiner Urlaubsberaterin: „Während einer Studienreise erfährst du Dinge, von denen du gar nicht wusstest, dass es sie gibt.“
In Erzurum besichtigen wir am Vormittag zuerst eine Moschee aus dem 16. Jhd. und danach eine ehemalige Medrese, eine theologische Hochschule. Noch ist es frostig kalt und ich kann meinen kuscheligen Rollkragenpullover gut vertragen. Einige wenige Meter von der Medrese entfernt stoßen wir in einem kleinen Park auf drei Mausoleen. Es wird vermutet, dass das größte dieser Kuppelgräber das eines seldschukischen Emirs aus dem frühen 12. Jahrhundert ist. Die zwei kleineren Gräber können niemandem zugeordnet werden.
An diesem Ort hören wir, dass die Toten nicht wie bei uns in einem Sarg beerdigt, sondern eingehüllt in weiße Leintücher mit dem Kopf Richtung Kaaba direkt im Grab gebettet werden. Feuerbestattungen sind verboten. Lediglich in Istanbul, wo es keinen Platz mehr gibt, ist dieses Gesetz inzwischen gelockert.
Gleich nach dem Gräberbesuch erwartet uns ein Imam in seiner Moschee. Der Geistliche spricht über die Moschee, den Koran und den Islam. „Es gibt keine Gottheit außer Gott … ”, lautet der erste Teil des islamischen Glaubensbekenntnisses. Dies ist das Herzstück dessen, was auch meinen christlichen Glauben ausmacht. Schade, dass der Islam häufig mit Terrorismus in Verbindung gebracht wird. Nach etwa einer Stunde verabschieden wir uns von dem Imam und spazieren durch die „Schneiderstraße“ zu einer ehemaligen Karawanserei. Unterwegs macht uns Süheyl auf eine lokale Besonderheit aufmerksam. Es sind die Ganzkörperschleier aus brauner Schafswolle, mit der sich einige Frauen in dieser Gegend verhüllen.
Nach einem vorzüglichen Mittagessen für umgerechnet nur 4,00 Euro pro Person inklusive Getränke sind wir zu einer „Jam Session“ in einem türkischen Teehaus eingeladen. Zwei lokal bekannte Bardensänger singen über von uns vorgegebene Themen.
„Natur und Ärger“ war eines davon. Diese musikalische Stilrichtung ist eigenwillig und klingt fremd in meinen Ohren. Vor der Rückkehr zum Hotel bleibt uns noch etwas freie Zeit. Ich kaufe Trauben und Gebäck und lass’ mich auf einer freien Bank von der Sonne an der Nasenspitze kitzeln.
Während der Fahrt zum Hotel erfahren wir, dass Erzurum Universitätsstadt ist. Die Atatürk Universität war eine der ersten großen Universitäten Ostanatoliens und wurde bereits 1954 gegründet. Doch die Studenten reißen sich nicht um einen Studienplatz in dieser Stadt. Viele studieren unfreiwillig hier. Ein schlechtes Abi verschließt ihnen die Türen zu den beliebteren Universitäten im Land, so dass eben nur Erzurum für den Hochschulabschluss bleibt.
Minusgrade und Schnee im Oktober lassen darauf schließen, dass wir uns in einem Skigebiet befinden. Und tatsächlich durchreisen wir hier ein Wintersportzentrum, das zu den besten Skigebieten der Türkei gehört und Erzurum zu einem enormen touristischen Aufschwung verhalf.
Diesen ausgefüllten Tag beschließen wir mit einem mehrgängigen Menue in einem landestypischen Restaurant in der Stadt. Der “Sitzplatzkonflikt” bleibt weiterhin vom Tisch und wird, wie mit Problemen so üblich, vorerst unter den Teppich gekehrt.
Christa Schwemlein
Kleingedrucktes:
Erlebt am Mittwoch, den 9. Oktober 2013.
Der Beitrag wurde am Donnerstag, den 24. Juli 2014 um 19:51 Uhr veröffentlicht und wurde unter Reisen abgelegt. du kannst die Kommentare zu diesen Eintrag durch den RSS 2.0 Feed verfolgen. du kannst einen Kommentar schreiben, oder einen Trackback auf deiner Seite einrichten.
2 Reaktionen zu “Moscheen, Medresen, Mausoleen und Musik – Ostanatolien 05”
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Am 25. Juli 2014 um 15:07 Uhr
Liebe Christa, ich lese mit !!
Einen kleinen Reisebericht hörte ich ja schon während unserer ” Waldstunden “, aber was ich nun lerne und erfahre, über das unbekannte Land Türkei, ist toll.
Mit Spannung öffne ich deine Seite nun täglich und staune über die gelungene,treffende und kurzweilige Berichterstattung.
Also, ……ich bleib dabei und erwarte mit Freude den nächsten Reisetag.
Wie geht es weiter..? Was machen die ” Fotografen” ??? Spannend……
Liebe Grüße Petra
P.S. Zwischen den Reisen müssen wir aber laufen…. *lach*
Am 25. Juli 2014 um 18:22 Uhr
Hallo Petra,
schön, dass du mitliest. Tagebuchschreiben ist schön. Es ist ein bisschen so, als wäre ich nochmals auf Reisen. Doch mit “Mitreisenden” macht es doppelt Freude.
Was die “Schweizer Fotografen” machen?. Puh… doch ich will nicht zu viel verraten.
Laufen??? Iiiii, bei der Hitze? Was hältst du von radeln mit anschließendem kneipen? Nächsten Donnerstag würde bei mir wieder klappen. Wir telefonieren.
Liebe Grüße
Christa