28. Februar 2011 von Hans Güth

Auf dem Weg nach Invergorden – Hans Güth erzählt

hans

Mittwoch, 14. Juli 2010

Auf dem Weg nach Invergordon. Wettervorschau: bewölkt, 13° Celsius, Sonnenaufgang: 03:43 Uhr, Sonnenuntergang: 23:23 Uhr (Donnerstag), aktuelle Etappe: 797 Seemeilen (1.476 Kilometer) bis Invergordon, Zeitumstellung um eine Stunde (GMT -1).

Ursprünglich wollten wir bis zum „Sail away“ um 13.00 Uhr Reykjavík zu Fuß erkunden, doch der gestrige Ausflug hängt meinem Schatz noch sprichwörtlich im Kreuz. Also schlafen wir aus.

Bis sie mit ihrer Morgentoilette fertig ist, schaue ich mal kurz aufs obere Deck und genieße die wenigen Sonnenstrahlen. Ein Morgen im Hafen ist eine besondere Zeit mit einer besonderen Stimmung. Das obere Deck der luna ist gespenstisch schön verwaist. Nur zwei Jogger sind in T-Shirts einer Möbel-Firma unterwegs. Wenig, verglichen mit unseren ersten beiden Reisetagen, als es noch sehr warm war und wir bei der zirkulären Rush-hour etliche monstertruckmäßige Kollisionen unter den drei, vier Dutzend Laufbuddies beobachten konnten.

Die halten dir dann auch beim Essen Vorträge über Training und Ernährung. Wie man isst, so läuft man. Man läuft, also ist man. Die im trägen Faulenzen auf dem Atlantik oder sonst wo eine Fitness-Todsünde sehen. Sie glauben an das Hamsterrad. Den Arbeitgeber freut es, die Krankenkasse ebenso.

Viele Passagiere verlassen das Schiff, um individuell Islands Hauptstadt zu erkunden. Sie verpassen ein Naturschauspiel, als die Wolkendecke aufreißt und das Wasser durch die auftreffenden Sonnenstrahlen sich in Millionen glitzernder Splitter bewegt. Ich beneide den älteren Mann, der am Heck steht und mit seinem Camcorder diesen wunderbaren Augenblick einfängt.

Was mir aufgefallen ist: Fast jeder an Bord ist mehr oder weniger kamerabesessen. Manche filmen praktisch alles: Mahlzeiten, leere Korridore, scheintote Skat-Partien. Ich erinnere mich an einen 16- bis 17-jährigen Jungen, an dessen Handgelenk die Kamera offenbar festgewachsen und abzusehen war, dass das gesamte Material seiner Megakreuzfahrt ein Filmdokument ergibt, das exakt so lang ist wie die Kreuzfahrt selbst.

Nach dem Frühstück im „Weite Welt“-Restaurant besuchen wir das Pooldeck. Vor dem Auslaufen steigt dort eine Party: Offiziers-Shaken ist angesagt. Die Führungscrew mixt Cocktails und macht das gar nicht schlecht. Wir kaufen uns sechs kleine Plastikbälle à 1,90 € (sechs für den Preis von fünf) und bringen uns mit je drei alkoholischen und drei antialkoholischen Cocktails in Stimmung.

Pünktlich um 13.00 Uhr fallen bei herrlichem Wetter die Taue ins Wasser. Die luna schiebt sich langsam ins offene Meer. Zu unserem Bedauern ohne Walbegleitung. Eine lange Zeit werden wir von Möwen begleitet. Später verschwindet die Sonne, es wird diesig, die Westmännerinseln sind nur noch schemenhaft zu erkennen. Der berühmt-berüchtigte Eyjafjallajökull allerdings überhaupt nicht, da es sich immer weiter zuzieht.

Abschied von Island. Fazit: Die Insel ist traumhaft schön und es kann sehr gut sein, dass wir noch einmal hierher kommen. Aber zunächst liegt eine längere Strecke nach Schottland vor uns, auf der wir einigen wenigen Wellen begegnen sollten.

Auch wenn das Wetter noch so schlecht ist, dank modernster Technik mit Radar und GPS wissen wir immer genau, wo wir uns befinden und in welche Richtung wir fahren müssen. Gesteuert wird all das von der Brücke, die ständig mit einem Offizier und einem Steuermann besetzt ist. Sie kontrollieren die Hightech-Geräte und können jederzeit manuell eingreifen. Die Brücke ist die Kommandozentrale der luna und sie erinnert eher an ein überdimensionales Cockpit als an einen Raum, von dem aus ein Schiff gesteuert wird.

Aber genauso, wie heute nur Fachleute die Funktionsweise der Geräte verstehen, taten sich in früheren Zeiten die Menschen mit Errungenschaften schwer, die mittlerweile selbstverständlich sind, wie zum Beispiel dem Kompass. Die unerklärliche Kraft einer Nadel, den Norden zu orten, erschien vielen als schwarze Magie, und die Kapitäne konsultierten den Kompass in diesen Zeiten nur im Geheimen.

Das Mittagessen nehmen wir im „Markt“-Restaurant ein, wo uns am Eingang ein Offizier in weißer Uniform nebst Assistentin (auch in weiß) empfängt. Eines habe ich auf dieser Reise gelernt: Ein Mann sieht niemals besser aus als in einer weißen Marineuniform. Frauen, ganz egal welcher Altersgruppe oder mit welchen Östrogenwerten, fangen regelmäßig an zu seufzen, mit den Wimpern zu klimpern oder zu gurren wie die Täubchen, sobald sie einem dieser blendend weißen Offiziere begegnen. Ein Phänomen, das meiner Entwicklung persönlicher Bescheidenheit nicht eben förderlich ist.

Danach machen wir einen Spaziergang über das Sonnendeck, doch Regen und Sturm machen uns bald einen Strich durch die Rechnung. Bevor wir unser Nickerchen machen, kaufe ich mir im Shop eine weiße AIDA-Cap (s. oben).

Am Nachmittag steht die Ausflugspräsentation „Invergordon“ mit Lektor Trobitzsch auf dem Programm. Wir haben den Ausflug NV02 „Inverness & Cawdor Castle“ gebucht. Eigentlich wollten wir zu Nessy, aber wir freuen uns auch auf Cawdor Castle und Inverness downtown.
Mein Schatz will nichts essen und schickt mich allein zu den Fisch- und Fleischtöpfen. Warum, das habe ich erst bei meiner Rückkehr erfahren. In der Kunstgalerie war die AIDA-Schmucknacht im Gange und da musste sie natürlich hin. Ich denke schaudernd daran, dass ich mich nach unserer Rückkehr womöglich von meiner Briefmarkensammlung inkl. meiner Blauen Mauritius trennen muss.

Passend zum Thema schauen wir uns im Theatrium die nächste Folge der Aufklärungsreihe „Verheiratet und trotzdem glücklich“ an. Viel Neues lerne ich auch diesmal nicht, werde aber in meiner Meinung bestätigt, soll die Beziehungskiste funktionieren, man den Frauen tunlichst nicht widersprechen sollte.
Im Anschluss stellt sich ein alter Bekannter vor: „Bond, mein Name ist James Bond.“ So bekannt wie dieses Zitat ist auch die Filmmusik des berühmten Agenten. Die sechs Solisten des AIDA-Show-Ensembles präsentieren stimmungsvolle 007-Titelsongs. Einfach klasse!
Nach einem letzten Drink in der Ocean-Bar gehen wir zu Bett, das wie das Schiff langsam etwas stärker zu schaukeln beginnt.

Wieder einmal wünsche ich Ihnen eine gute Nacht, schlafen Sie gut und träumen Sie süß. Bis morgen, Ihr Reiseleiter
Hans

Der Beitrag wurde am Montag, den 28. Februar 2011 um 22:42 Uhr veröffentlicht und wurde unter Reisen abgelegt. du kannst die Kommentare zu diesen Eintrag durch den RSS 2.0 Feed verfolgen. du kannst einen Kommentar schreiben, oder einen Trackback auf deiner Seite einrichten.

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