Taarof, das Wechselspiel der Höflichkeit – Iran Folge 19
Mittwochnachmittag, 22. März 2017
Der Nachmittag gehört uns. Für nur zehn Euro mieten Walter und ich uns ein Taxi für den ganzen Nachmittag. Verglichen mit Deutschland ist Taxi fahren in Iran günstig. Zuerst bringt uns der Taxifahrer zu einem shiitischen Heiligtum. Eh’ ich mich verseh’ steck’ ich in einem bunten Blümchentschador aus Baumwolle. Durch den Fraueneingang komme ich in das Innere, wo es mir von der glitzernden Pracht der vielen Spiegelmosaike wieder einmal die Sprache
verschlägt. Wie in allen Mausoleen ist auch hier der Sarkophag von einem Metallgitter umgeben und mit einem in der Farbe des Propheten, nämlich grün, gehaltenen Stoff bedeckt.
Taarof, das rituelle Wechselspiel der Höflichkeit
Mein Mann möchte der Frau am Eingang ein kleines Trinkgeld für meinen geliehenen Tschador zustecken. Doch die alte Frau lehnt höflich ab. Er versucht es ein zweites Mal und wieder gibt die Frau ihm zu verstehen, dass sie das Geld nicht annehmen möchte. Walter schüttelt irritiert den Kopf, steckt den Schein wieder ein und murmelt während er weiter geht „Wer nicht will, der hat gehabt.“ Die Alte, ebenfalls irritiert, springt ihm schnurstracks hinterher, packt ihn an seinem Jackenärmel, er dreht sich um und schaut auf ihre aufgehaltene Hand. So etwas passiert, wenn man sich vor einer Reise nicht mit den Gepflogenheiten des Landes vertraut macht. Taarof, so heißt das rituelle Wechselspiel der Höflichkeit, auf das Unwissende so gerne hereinfallen.
„Nein Danke, aber nicht doch“ –
„Bitte, nehmen Sie.“ –
„Nein, nein, das kommt überhaupt nicht in Frage.“
Erst nach dem dritten Versuch wird das Geschenk oder die Einladung angenommen.
Im Innenhof der Anlage befindet sich ein Friedhof. Unter den Steinplatten ruhen die Toten. Ich muss aufpassen, dass ich nicht auf den Gräbern gehe, denn auf den ersten Blick ist der Friedhof nicht als ein solcher zu erkennen. Hier treffen wir unseren mitreisendenPeter. Er ist alleine unterwegs und fragt, ob er sich für den restlichen Nachmittag uns anschließen darf. Am Ausgang der Anlage wartet unser Taxifahrer und bringt uns drei nun zu einer etwas außerhalb gelegenen Gartenanlage. Die Fahrt dorthin ist abenteuerlich. Verkehrsregeln scheint’s hier keine zu geben. Ich sag’s Ihnen. Nie möchte ich in einer iranischen Großstadt Auto fahren.
Die Schlange am Eingang des Gartens ist lang. Die Wartezeit erscheint dennoch kurz. Ich komme ins Gespräch mit einer iranischen Familie, deren jüngster Sohn in der Schule Deutsch lernt. Stolz bringt der Kleine seine Deutschkenntnisse an den Mann beziehungsweise an die Frau.
Im Garten stehen Pinien, Dattelpalmen, Zypressen und Orangenbäume. Während die beiden Männer durch die Parkanlage spazieren beobachte ich die vielen mehrköpfigen Familien bei ihrem Nouvruzpicknick und genieße die milde Frühlingssonne.
Dieser Tag endet mit einem vorzüglichen Essen etwas außerhalb der Stadt.
Christa Schwemlein
Der Beitrag wurde am Sonntag, den 8. April 2018 um 18:13 Uhr veröffentlicht und wurde unter Reisen abgelegt. du kannst die Kommentare zu diesen Eintrag durch den RSS 2.0 Feed verfolgen. du kannst einen Kommentar schreiben, oder einen Trackback auf deiner Seite einrichten.
Einen Kommentar schreiben
du mußt angemeldet sein, um kommentieren zu können.