21. Juli 2009 von Christa

Jahrmarkt der Eitelkeiten

Ich zappe durchs Netz und stolpere dabei über einen Beitrag in der Bibel, sorry in der Karrierebibel: “Veritas Vanitas – Das Wesen der Eitelkeit“. Schon ist sie geboren, die Idee für diesen Blogbeitrag. Meine Finger fliegen geradezu über die Tastatur und mein Mann meint, ich würde strahlen wie ein Honigkuchenpferd. :-D

Stundenlang hatte ich mich während meines kürzlichen Italienaufenthaltes durch die engen Gassen von Capri treiben lassen, hatte geschaut, fotografiert und, wie bereits zu lesen war, auch eingekauft. Hundemüde war ich, meine Füße brannten und mich plagte ein höllischer Durst. Ins Hotel wollte ich noch nicht zurück, denn dafür war der Tag noch zu jung. So ließ ich mich in einem Café auf der weltberühmten “Piazetta” in einen Korbsessel fallen. Die Piazetta ist ein kleiner, sehr exklusiver Platz mitten in Capri-Stadt. Hier treffen sich sowohl Einheimische als auch Touristen, um zu schauen und selbst auch gesehen zu werden.

Ich bestelle eine große Flasche “Aqua minerale” zusammen mit einem Campari und gehe meiner Lieblingsbeschäftigung nach: Menschen beobachten – das mag ich. :-D

Hauptsache bunt denke ich, während mein Blick auf die an mir vorbeiziehenden Menschen gerichtet ist. Modisch gesehen scheint heutzutage alles erlaubt. Die unmöglichsten Kombinationen, die wildesten Muster und viel, viel Farbe nehme ich wahr. Die sommerlichen Temperaturen verlangen nach luftiger Kleidung. Ich gebe zu, wir Frauen haben es in dieser Hinsicht etwas einfacher als Männer. Es stört mich wenig, dass meine männlichen Artgenossen in kurzen Hosen über die Piazetta schlendern und dabei ihre mehr oder weniger behaarten Beine der frischen Luft aussetzen. Schließlich haben Männer ja auch Urlaub. Aber sind wir doch mal ehrlich, muss dieses Bild unbedingt mit Socken und Birkenstockschlappen abgerundet werden?  :-(

Ein Mann in den besten Jahren setzt sich an den Nebentisch. Er spricht deutsch, mit hessischem Akzent. Sein knallbuntes Hemd, das nach meinem Empfinden ein paar Knöpfe zu weit geöffnet ist, gewährt mir Einblicke, die mich in Verlegenheit bringen. Das schüttere, bereits ergraute Haar ist mit einem roten Allzweckgummi zu einem Pferdeschwänzchen zusammen gebunden. Ich schüttle den Kopf und der Lieblingsspruch meiner Mutter kommt mir mal wieder in den Sinn: “Die Schönheit liegt im Auge des Betrachters.” 

Schräg gegenüber bestaunt ein Haufen kreischfröhlicher weiblicher Teenager die Auslagen einer Boutique. Erinnerungen an alte Zeiten werden wach – schwelg. Ich werde melancholisch. Die Musik im Hintergrund verstärkt diese Stimmung. -“Lady Barbara”, ich glaube es nicht. Hier scheint die Zeit stehen geblieben zu sein.

Wochenlang hatte ich damals auf eine Bikinifigur hingearbeitet, auf Eis, Chips und sonstige Kalorienbomben verzichtet, um letztendlich im August, am Strand von Riccione, eine “Bella Figura” abzugeben. Bauchfreie Kleidung trug ich damals auch. Bevor ich allerdings die Menschheit damit beglückte, musste mein Erscheinungsbild zuerst dem überaus kritischen Blick in den Spiegel standhalten. Diese jungen Mädels vor der Boutique wären meines Erachtens gut beraten auch einmal kritisch in den Spiegel zu schauen. Dennoch bewundere ich sie, wie selbstbewusst sie ihre nackten Bäuche vor sich herschieben. Ich hätte mich das damals nicht getraut.

Igitt! Was war das? “Aromatics Elixir” von Clinique ist, dezent aufgetragen, ein angenehmer Duft, doch nicht hochdosiert und schon gar nicht bei dieser Hitze! Manche Menschen muten ihren Mitmenschen wirklich viel zu.

Ach, ich könnte ewig so weiter schreiben. Vieles gäbe es noch zu erzählen. Von der Frau mit dem dickem Hund, oder von dem “bunten Vogel” mit dem Jugendwahn: “Von hinten Lizeum von vorne Museum”. Sorry, das konnte ich mir jetzt nicht verkneifen. Aber dann würden meine Leser diesen Beitrag vielleicht nicht zu Ende lesen.  Und dies lässt meine Eitelkeit nun ganz und gar nicht zu. ;-)

Die Eitelkeit, schreibt Jochen Mai, ist bei den Katholiken eine Todsünde. Ich gestehe, das war mir nicht bewusst. Inzwischen habe ich mir dies von meinem Pfarrer bestätigen lassen und mein Gewissen erinnert mich, dass es mal wieder Zeit für eine Beichte wird. ;-)

Nach meinen Beobachtungen auf der Insel Capri stelle ich fest, dass Eitelkeit auch eine Tugend sein kann und der kritische Blick in den Spiegel nicht immer eine Sünde sein mag. Heute wird so viel von der Marke “ICH” gesprochen. Kann es denn Sünde sein, wenn mit dem Wesen der Eitelkeit die eigene Marke veredelt wird? ;-)

Christa Schwemlein

Der Beitrag wurde am Dienstag, den 21. Juli 2009 um 21:16 Uhr veröffentlicht und wurde unter Blog-Geflüster, Eigene Gedanken zu..., Humor, Kirche, Kleine Bibelkunde, Kleine Sticheleien, Reisen, Zitate abgelegt. du kannst die Kommentare zu diesen Eintrag durch den RSS 2.0 Feed verfolgen. du kannst einen Kommentar schreiben, oder einen Trackback auf deiner Seite einrichten.

Eintrag Nr. 2326 | Kategorie Blog-Geflüster, Eigene Gedanken zu..., Humor, Kirche, Kleine Bibelkunde, Kleine Sticheleien, Reisen, Zitate | 3 Kommentare »





3 Reaktionen zu “Jahrmarkt der Eitelkeiten”

  1. Maria Wolfart

    Liebe Christa,

    diesen Beitrag finde ich herrlich amüsant. Jedes Wort passt genau zu Ihnen, und nur zu Ihnen. Ehrlich, kritisch, humorvoll und – vom Glauben ist auch noch was dabei.
    Ja, ja die Eitelkeit ….. So manchen hat diese schon unglücklich und unzufrieden gemacht. Aber ich denke, auch da kommt es auf das rechte Maß an. Ein bisschen Eitelkeit hebt das Selbstwertgefühl und ein gesundes Selbstwertgefühl braucht jeder Mensch. Das ist sicher keine Sünde. Und wenn ein eitler Blick nicht nur dem „body“, sondern auch der Seele gilt, dann ist das m.E. tugendhaft und das Wesen solcher Eitelkeit strahlt von innen nach außen und kann Menschen besonders anziehend und liebenswert machen.

    Alles Liebe
    Maria Wolfart

  2. Christa

    Hallo Maria,

    diesen Beitrag habe ich mit Lust und Freude geschrieben ohne irgendwie nach Nutzen oder Verwertbarkeit zu fragen. Nie hätte ich mir träumen lassen, dass ich mal so viel zusammen schreibe.

    Und wissen Sie was? Durch Ihren Kommentar wurde die Idee für einen neuen Blogbeitrag geboren. Aber der steht noch in der “Willichnochschreiben-Schlange” ;-) Vorerst steht anderes an.

    Auch Ihr Brief liegt noch neben mir und wartet darauf beantwortet zu werden. Aber da muss ich mir noch etwas Zeit lassen.

    Für heute liebe Grüße aus Mannheim
    Christa Schwemlein

  3. ver-rueckt » Blog Archiv » Mare e Monti – Berge und Meer

    [...] ich im Frühjahr auf Carpri’s mondäner Piazetta genüsslich meinen Campari schlürfte und dabei mit Freude das touristische Treiben beobachtete, [...]

Einen Kommentar schreiben

du mußt angemeldet sein, um kommentieren zu können.