30. Januar 2018 von Christa

Ardebil, der Beginn des neuen Iran – Iran Folge 06

Heute wollen wir früh los. Doch macht uns die orientalische Pünktlichkeit einen Strich durch die Rechnung. Statt 6.30 Uhr wie mit dem Personal gestern Abend besprochen, öffnet der Frühstückssaal erst um 7.00 Uhr. Ich nutze die geschenkte Zeit für einen kleinen Strandspaziergang am Meer. Genau genommen ist das Kaspische Meer ja gar kein Meer, sondern ein Binnensee und zwar der größte der Erde. Ich versuche mir vorzustellen, wie es wohl im Sommer hier aussehen wird?. Ob es einen extra Strand für Frauen gibt? Und was sie wohl zum Schwimmen tragen?

Kaspisches Meer

Mein Mann sucht noch einmal die Toilette auf. Der Fisch von gestern Abend ist ihm nicht bekommen. Einige andere haben ähnliche Probleme und verschwinden ebenfalls auf die Zimmer.

Es regnet und es ist kalt. Ich bin froh, einen warmen Rollkragenpullover und dicke Wollstrumpfhosen eingepackt zu haben. Mit etwas Verspätung verlassen wir unser Hotel in Bandar Ansali und machen uns auf den Weg zum heutigen Etappenziel, der Stadt Täbris. 420 Kilometer sind es bis dorthin. Hoffentlich macht der Bus uns heute keine Probleme.

Adebil-Täbris, zweite Teilstrecke Iran

Während der Fahrt erfahren wir, dass ‚Bandar Ansali’ der wichtigste Hafen am Kaspischen Meer ist. Die Hafenstadt ist Zentrum für den Fang und die Verarbeitung des Störs. Seine Eier, der Kaviar, gilt als der beste der Welt und ist bei Gourmets heiß begehrt. Mancher Feinschmecker zahlt für diese Delikatesse ein kleines Vermögen. Ich selbst habe zwar auch einen verwöhnten Gaumen, doch mit diesem Gaumenschmaus konnte ich mich bislang noch nicht anfreunden.

Braune, abgeerntete Reisfelder und Kiwiplantagen säumen unsere Fahrt entlang der Küstenstraße. Von dem grünen Traum, wie im Katalog beschrieben, ist dieser Anblick allerdings weit entfernt. Vielleicht hätten wir doch einen späteren Reisetermin wählen sollen? Bei der Hafenstadt Astara biegen wir ab und fahren landeinwärts durch das Elburz-Gebirges zur Provinzhauptstadt Ardebil. Vor Ardebil halten wir für eine Teepause.

Ardebil liegt 1300 Meter hoch, wurde von dem Sasanidenkönig Peroz im 5. Jh. n. Chr.gegründet, später von den Arabern eingenommen und 1220 von den Mongolen fast vollständig zerstört. Nach der Eroberung nahmen die Mongolen allmählich den islamischen Glauben an und bereiteten damit den Boden für vielfältige religiöse Bewegungen. Eine solche Bewegung war die Safawiya, eine Ordensgemeinschaft von Mystikern, aus der später die Dynastie der Safiwiden hervor ging. Nach dem gemeinsamen Mittagessen decken wir uns in einer Wechselstube mit Rial für die nächsten Tage ein und sind auf einen Schlag Millionär.

Die größte Sehenswürdigkeit in Ardebil ist das erste Sufi-Ordenskloster im Iran mit dem Grab seines Gründers, dem Sufisten Scheich ‚Safi al Din’. Er gilt als geistiger Vater der Safawiden.

Sheikh Safi-al Din

Der eigentliche Gründer der Safawiden war jedoch Shah Ismail I. Seit 2010 ist das Mausoleum Unesco Weltkulturerbe und ein bedeutender Pilgerort in dieser Region. Übrigens, der bekannteste Sufi-Orden ist der Mevlevi-Orden, auch als Orden der „Tanzenden Derwische“ bekannt. Dieser ist in Konya, der siebtgrößten Stadt der Türkei, beheimatet und geht auf den persischen Mystiker Mevlana zurück, der den Leseratten unter Ihnen unter dem Namen ‚Rumi’ sicherlich bekannt sein wird.

„Hier, in dieser Anlage bekommen wir einen Vorgeschmack auf Isfahans Pracht, die uns am Ende unserer Reise erwarten wird“, kündigt unsere Reiseleiterin an.

Sheik Safi Heiligtum Ardabil

Grabstätte von Safi- al Din

Während unseres Rundgangs erfahren wir einiges über die Neuzeit des Irans, insbesondere über das persisch-schiitische Reich der Safawiden und dessen eigentlichen Gründer. Als erster Safawide bestieg Shah Ismail I. den persischen Thron und verlieh sich den altehrwürdigen Titel „Shahinsha“, was so viel wie „König der Könige“ bedeutet. Binnen kürzester Zeit führte er das Land wieder zu alter Größe zurück und erklärte das Schiitentum zur Staatsreligion, die es bis heute geblieben ist. Damit war in Ardebil der Grundstein des neuen Iran gelegt. Ismail I. starb 1524 und fand im Mausoleum neben seinem Vorfahren die letzte Ruhe. Die Safawiden herrschten bis ins 18. Jahrhundert hinein, bis sie 1779 von der Qadjaren-Dynastie abgelöst wurden.

Wir hören hier aber nicht nur die Geschichte der Safawiden sondern erfahren auch etwas über die kunstvolle Architektur, die persische Ornamentik mit ihren endlosen Windungen von Arabesken und Kalligraphie. Mir brummt der Kopf. Wie soll ich mir das nur alles merken?

Während der Weiterfahrt durch das schneebedeckte Gebirge schiebe ich die vielen neuen Informationen erst einmal bei Seite und schließe die Augen. Nach der Siesta führt uns unsere Reiseleiterin mit Texten der inzwischen verstorbenen  Islamwissenschaftlerin ‘Annemarie Schimmel’ in die islamische Mystik, den Sufismus, ein. Diese Thematik ist mir nicht fremd. Von Sufis und Sufismus hatte ich erstmals während meiner Reise durch Zentralanatolien gehört und habe danach an der Mystik des Sufismus Gefallen gefunden. Sollten Sie einmal die Gelegenheit haben an einer „Sema-Zeromonie“ teilnehmen zu können, sollten Sie sich dieses Erlebnis nicht entgehen lassen.

Wegen mehrmaliger Probleme mit unserem Reisebus kommen wir erst am späten Abend in unserem Hotel in Täbris an. Jetzt schnell Hände waschen und ab in den Speisesaal. Wir probieren die für diese Region typischen Hackfleischklöse. Sie schmecken wunderbar. Das dazugereichte alkoholfreie Bier wahlweise mit Apfel- oder Pfirsichgeschmack ist allerdings gewöhnungsbedürftig. Einige von uns schwärmen von dem weißen Dugh, das dem türkischen Ayran ähnlich ist. Auch das ist nicht mein Fall. Daher greife ich zum Mineralwasser. Bevor wir zu Bett gehen müssen wir uns entscheiden ob wir Morgen an dem Tagesausflug zur Thaddäuskirche teilnehmen oder lieber auf eigene Faust nach Kandovan fahren. Ich erinnere mich an meinen Besuch im Büro und entscheide mich für die Thaddäuskirche, obwohl mich das in Tufsteinfelsen gemeiselte Dorf auch interessieren würde, zumal es anders als die Dörfer in Kappadokien noch vollständig bewohnt ist.

Christa Schwemlein

Erlebt am:
Dienstag, den 14. März 2017

Der Beitrag wurde am Dienstag, den 30. Januar 2018 um 18:35 Uhr veröffentlicht und wurde unter Reisen abgelegt. du kannst die Kommentare zu diesen Eintrag durch den RSS 2.0 Feed verfolgen. du kannst einen Kommentar schreiben, oder einen Trackback auf deiner Seite einrichten.

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