Auf, ans Kaspische Meer – Iran Folge 05
Im Gegensatz zu gestern wache ich heute gut ausgeschlafen auf. Vom Frühstücksbuffet nehme ich Schafskäse, Tomaten und Gurken. Danach Yoghurt mit Honig und Walnüssen. Zu Hause käme ich nie auf die Idee nach solchen Dingen zu greifen, hier liebe ich das.
Bevor wir uns auf den Weg in den Norden des Landes machen, werfe ich noch rasch einen Blick auf die Dächer von Teheran vor der Kulisse des Elburz-Gebirges. Ach ja, das hatte ich gestern vergessen zu erwähnen. Der „Damavand“ nordöstlich von Teheran ist mit 5670 Metern der höchste Berg Irans.
Die vorderen Plätze im Bus sind bereits besetzt. Ich erwische einen Sitzplatz im mittleren Bereich, mein Mann einen hinter mir. Jeder von uns hat einen Fensterplatz und eine Reihe für sich alleine. Wir sind zufrieden. Einige unserer Reisepartner sind es nicht. Sie wünschen das alte roulierende System, wie es früher bei Studiosus üblich war, zurück. Andere bestehen auf festen Plätzen für die Dauer der Reise. Ich muss lachen. Erinnert mich diese Diskussion doch an den Sitzplatzkrieg während unserer Osttürkeireise.
Wie gestern wälzt sich auch heute der Verkehr auf den Straßen. „Das wird noch viel schlimmer“, kündigt die Reiseleiterin an. „Wir stehen kurz vor ‚Nouruz’ dem iranischen Neujahrsfest. Die Vorbereitungen für dieses Fest laufen derzeit auf Hochtouren.“ Sie erzählt, dass sie sich für gestern Abend mit ihrer iranischen Freundin verabredet hatte. Diese wegen des Großputzes vor dem Fest kurzfristig absagte und ihr ein Treffen am Ende unserer Reise vorschlug. Doch zu Nouruz später mehr.
„Iranisches Leben spielt sich viel auf der Straße ab. Das Auto ist so etwas wie die eigene kleine Freiheit“, fährt unsere Reiseleiterin mit ihren Ausführungen fort. Ähnliches habe ich nach der Wende von einer meiner ostdeutschen Kolleginnen gehört. „Wenn man wie ich in einem Land gelebt hat, in dem man sich nicht frei bewegen kann, hat das Auto eine ganz besondere Bedeutung“, hatte sie damals gemeint.
Die Fahrt bis zu unserem ersten Stopp ist kurzweilig. Wir hören von der Jugend des Landes, warum viele junge Frauen so exzessiv geschminkt sind und weshalb die Schönheit im Land so eine große Rolle spielt.
Nach 130 Kilometern erreichen wir auf 1800 Metern Höhe Qazwin, die Hauptstadt der gleichnamigen Provinz. Die Stadt liegt am Ende des iranischen Hochlandes, direkt im Zwickel von Elburz- und Zagrosgebirge und wurde von dem Sasanidenkönig Shapur I gegründet. Die Stadt gehört zu den wichtigsten Stationen im Wegnetz der Seidenstrasse. Hier besichtigen wir eine bedeutende Pilgerstätte, das ‚Imamzadeh Hossein’. Es ist nach dem Sohn des achten Imam benannt.
Sie wissen nicht was ein ‚Imamzadeh’ ist? Nun, ein ‚Imamzadeh’ ist zunächst einmal ein Grabmal. Es ist aber auch ein Ort der inneren Zuflucht. Der Besuch einer solchen heiligen Stätte hat für Schiiten einen starken emotionalen Charakter. Um das Grabmal besichtigen zu können, schlüpfen wir Frauen in den Tschador und ziehen, wie beim Besuch einer Moschee, die Schuhe aus.
Eingänge, nach Geschlechtern getrennt, führen uns in das Innere. Drinnen werde ich von dem Glanz der Spiegel und der Mosaike überwältigt.
Nach dem Besuch des Mausoleums wenden wir uns der nächsten Sehenswürdigkeit zu, der alten Freitagsmoschee von Qazwin. Sie ist eine der ältesten Moscheen im Iran, in der Araber, Seldschuken, Safawiden und Mongolen ihre Spuren hinterlassen haben. So können wir nicht nur eine der größten seldschukischen Kuppeln des Irans bewundern, sondern auch eine Moschee in der typischen „Vier-Iwan Bauweise“. Auffallend ist der ungewöhnlich große Innenhof. Der Hof einer Moschee, so erfahren wir, ist ebenfalls Gebetsraum. Ich frage mich, wie es wohl mit der gelebten Religiösität der Iraner aussehen mag?
Während der Fahrt zum Kaspischen Meer spielt klassische persische Musik. Ich schließe die Augen und wache erst zur „technischen Pause“ wieder auf. Ich war zwar vorgewarnt, doch so schlimm habe ich mir die Toiletten an den Rastplätzen nicht vorgestellt. Es kostet mich viel Überwindung die unter Wasser stehende Toilette zu benutzen. Doch was ist die Alternative?
Die weitere Busfahrt versüßen uns unser Co-Busfahrer Ali mit köstlichen ‚Shiriniz’ und unsere Reiseleiterin mit einem Text von ‚Pierre Loti’ aus seinem Buch „Nach Isfahan“. Gegen 18.00 Uhr streifen wir die Universitätsstadt Rasht in der Provinz Gilan. Diese Provinz ist der wichtigste Reislieferant des Iran. Draussen ist es diesig geworden, so dass die Schönheit der im Katalog beschriebenen subtropischen Waldlandschaft nur zu erahnen ist. Die Einwohner von Rasht sind in etwa mit unseren Ostfriesen zu vergleichen, über die man sich gerne lustig macht. Weit nach 20.00 Uhr erreichen wir in der Hafenstadt ‚Bandar Ansali’ endlich unsere Unterkunft für diesen Tag. Wir sind die einzigen Gäste im Hotel. Der Fisch zum Abendessen schüttelt mich. Unberührt lasse ich ihn stehen. Das war, wie sich später heraus stellen sollte, auch gut so.
Zurückgelegt haben wir heute 380 Kilometer.
Christa Schwemlein
Erlebt am:
am Montag, den 13. März 2017
Der Beitrag wurde am Samstag, den 27. Januar 2018 um 16:32 Uhr veröffentlicht und wurde unter Reisen abgelegt. du kannst die Kommentare zu diesen Eintrag durch den RSS 2.0 Feed verfolgen. du kannst einen Kommentar schreiben, oder einen Trackback auf deiner Seite einrichten.
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