Vertrauen – ein Wagnis
Es gibt Redewendungen, die mag ich wegen ihres inflationären Gebrauchs zwar kaum mehr hören - „In der Krise liegt die Chance!“ etwa oder „Aus Schaden wird man klug“ - dennoch bin ich der festen Überzeugung, dass jede Krise und jeder Schaden auch die Chance in sich birgt Erkenntnisse zu gewinnen, aus denen sich durchaus Positives entwickeln lässt, vorausgesetzt, es werden die richtigen Lehren daraus gezogen.
Zum Mut in der Krise, fordert Heide Liebmann mit ihrer Mutmacher-Blogparade auf. Sie bittet ihre Leser von eigenen Krisenerfahrungen zu berichten. Sie möchte damit Menschen ermutigen, nicht in der Krise stecken zu bleiben, sondern wieder aufzustehen, wie sie sagt.
Ich befinde mich in der Mitte des fünften Lebensjahrzehntes und habe, wie viele meiner Altersgenossen, auch einige Krisen durchlebt und gemeistert. So vielfältig die Krisen auch waren, so vielfältig waren auch deren Lösungswege. Ein Patentrezept kann ich nicht liefern. Ich denke, das gibt es nicht.
Bereits in jungen Jahren reihten sich mehrere Krisenzeiten aneinander. Von all den anderen unvorhergesehenen Ereignissen und Schicksalsschlägen, wie Krankheit, Tod, Arbeitslosigkeit, Ehe- und Erziehungsproblemen, die einen Menschen in die Krise führen können, blieb auch ich nicht verschont.
Wie aber kann ich mit meinen individuellen Krisenerfahrungen anderen Menschen Mut zusprechen? Ist das überhaupt möglich? Gibt es vorgeschriebene Lösungswege, die für jedermann Gültigkeit haben? Diese und ähnliche Fragen begleiteten mich vergangene Woche bei meinen ausgedehnten Wanderungen durch das tief verschneite Mitteltal. Bei meinen Überlegungen ist mir aufgefallen, dass alle Krisen mehrere gemeinsame Merkmale hatten:
- Die Orientierungs- und die Hilflosigkeit,
- der Leidensdruck,
- bewährte Bewältigungsstrategien aus der Vergangenheit führten nicht immer aus der aktuellen schwierigen Situation heraus.
So unterschiedlich meine Methoden auch waren, eine Kraftquelle hatten sie jedoch alle gemeinsam - Vertrauen: Vertrauen in Gott, Vertrauen in meine eigene Fähigkeiten, Vertrauen in andere Menschen.
War ich als Kind traurig, so las ich Märchen. Ich vertraute darauf, dass meine Märchenhelden das Böse besiegen würden. Manchmal sang ich mir meinen Kummer auch lauthals von der Seele oder ich radelte zusammen mit meiner Puppe und meinem Teddy zum Friedhof, um das Grab meines Großvater zu besuchen, der für mich eine wichtige Bezugsperson war. Rein intuitiv tat ich das, was mir gut tat. Darüber nachgedacht, weshalb ich mich so verhielt, habe ich zum damaligen Zeitpunkt natürlich nicht. Dass dies Krisenbewältigungsstrategien waren, habe ich erst viel später erfahren.
Nun bin ich ja in einer mehr oder weniger religiös geprägten Zeit groß geworden. Einer Zeit, in der die Welt noch in Ordnung war : Gott im Himmel – ich auf der Erde. Sonntags musste ich in die Kirche, mittwochs in den Schülergottesdienst und alle vier Wochen samstags zur Beichte. Über meinem Bett hing ein Holzkreuz, daneben das Bild eines pausbäckigen Schutzengels und darunter ein Weihwasserkesselchen. Mein Elternhaus würde ich nicht als religiös bezeichnen. Wir lebten ganz einfach so in dieser Zeit.
Meine Religionslehrerin, Fräulein M., damals sprach man ledige Frauen noch mit Fräulein an, lehrte uns Schüler beten. Damit hatte ich in Gott ein persönliches Gegenüber, dem ich ungeniert alles anvertraute, was mir auf dem Herzen lag.
Im Laufe eines Lebens bekommt Gott viele Gesichter. Nachdem ich mich von dem Bild des alten Mannes mit dem weißen Bart verabschiedet hatte, wurde Gott für mich eine Weile unkenntlich, was dazu führte, dass ich selbst aktiv werden musste.
Während meiner Arbeitslosigkeit musste ich mich beruflich umorientieren, was mit anstrengenden und kostspieligen Weiterbildungen verbunden war. Dennoch hat sich die Investition gelohnt. Neulich erzählte mir eine Bekannte, sie würde gerne wieder arbeiten, fände aber nichts, da sie weder Computer- noch Buchhaltungskenntnisse habe. Das gleiche hatte sie mir bereits vor 10 Jahren erzählt.
Eine meiner Freundinnen machte ihre alte Mutter dafür verantwortlich, dass ihr mit ihren fünfzig Jahren zu Hause die Decke auf den Kopf falle. Auf Wunsch der Mutter habe sie eine Banklehre absolviert, obwohl dieser Beruf gar nicht ihren Neigungen entsprach. Derartige Einstellungen sind für mich nur sehr schwer nachvollziehbar. Ich denke, wenn wir etwas wirklich wollen, stellt auch das Alter kein Hindernis dar einen lang gehegten Traum wahr zu machen und sich an Neues heran zu wagen.
Als ich das erste Mal ernstlich krank wurde, war ich mit meinem „Latein“ am Ende. Ich war so erschöpft, dass ich mir aus eigener Kraft nicht mehr helfen konnte und mir helfen lassen musste. Mich fremden Händen anzuvertrauen fiel mir zunächst schwer. “Beim ersten Mal tat’s noch weh, beim zweiten Mal nicht mehr so sehr“, um mit den Worten von Stephan Waggershausen zu sprechen.
Jetzt habe ich Ihnen viel von mir und meinen Strategien erzählt. Ältere Frauen sind geschwätzig. Vielleicht macht Ihnen mein Beitrag ein wenig Mut nach den eigenen Ressourcen Ausschau zu halten, sollten Sie einmal in einer Krise stecken. Das würde mich freuen. In uns steckt so viel Potential, das genutzt werden will. Leider wissen das viele Menschen nicht.
Vielleicht interessiert Sie, wie ich meine Glaubenkrise überwunden habe?
In einem Kommentar schrieb ich ein wenig sarkastisch: „Ich denke jede Krise ist nur dazu da, um uns auf die nächste vorzubereiten, damit wir diese überleben“. Heute möchte ich es ein wenig diplomatischer ausdrücken. Je mehr Krisen man bewältigt hat, umso größer werden auch die Handlungsspielräume.
So habe ich mit einer bereits bewährten Methode auf die Glaubenskrise reagiert: Ich wurde tätig. Ich habe versucht, das, was mich als Kind erfasst und umgetrieben hat, in mir nicht zum Stillstand kommen zu lassen. Wir müssen unser ganzes Leben lang lernen. Das gilt nicht nur für Beruf, Alltag und Beziehungen. Das gilt auch für den Glauben.
Meinen Kinderglauben habe ich in der Vergangenheit gelassen und mich um einen erwachsenen Glauben bemüht. Mit diesem habe ich, ähnlich wie damals als Kind, heute als erwachsene Frau, ein Fundament, das auch in Krisenzeiten trägt.
In diesem Sinne wünsche ich Ihnen, zusammen mit meinem Mann, ein gesegnetes Weihnachtsfest.
Der Beitrag wurde am Mittwoch, den 24. Dezember 2008 um 09:09 Uhr veröffentlicht und wurde unter Blog-Geflüster, Blog-Parade, Eigene Gedanken zu..., Kirche, Vertrauen abgelegt. du kannst die Kommentare zu diesen Eintrag durch den RSS 2.0 Feed verfolgen. du kannst einen Kommentar schreiben, oder einen Trackback auf deiner Seite einrichten.
11 Reaktionen zu “Vertrauen – ein Wagnis”
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Am 25. Dezember 2008 um 20:32 Uhr
Liebe Frau Schwemlein,
es lohnt sich, über diesen lesenswerten Beitrag in aller Stille nachzudenken. Müsste ich Ihren Beitrag in wenigen Worten zusammen fassen, würde ich folgendes Goethezitat wählen:
“Seelenleiden, in die wir durch Unglück oder eigene Fehler geraten, zu heilen, vermag der Verstand nicht, die Vernunft wenig, die Zeit viel, entschlossene Tätigkeit alles.”
Ich wünsche Ihnen noch frohe Feiertage und für das kommende Jahr alles Gute.
Ihr treuer Leser
Martin
Am 25. Dezember 2008 um 20:44 Uhr
Hallo Christa,
eine Form der Krisenbewältigung habe ich in Ihrem Beitrag vermisst. Der Humor, der in Ihren Beiträgen so oft zu spüren ist.
Sein wir doch mal ehrlich – das Leben ist lebensgefährlich. (Erich Kästner)
Liebe Grüße und einen guten Rutsch ins Neue Jahr wünscht Ihnen
Maria
Am 27. Dezember 2008 um 19:06 Uhr
Liebe Christa,
ich melde mich nicht sehr oft zu Wort. Dafür schaue ich aber reglemäßig in Deine verrückten Seiten und lese ALLES vom ersten bis zum letzten Wort. Ich glaube ich bin süchtig nach ver-rueckt.net.
Ich wünsche Dir und Walter einen harmonischen Jahrsausklang und kommt gut ins Neue Jahr.
Bis bald
Manfred
Am 27. Dezember 2008 um 19:32 Uhr
Danke euch Dreien für die Rückmeldungen und die guten Wünsche für das Neue Jahr.
@ Maria und Martin
auch Ihnen wünsche ich, unbekannter Weise, einen guten Rutsch und alles gute für das Neue Jahr. Ich würde mich freuen auch in 2009 ab und zu von Ihnen zu lesen.
Christa Schwemlein
@ Manfred
auch dir vielen Dank für deinen Besuch und alles Gute und Liebe für das kommende Jahr.
Liebe Grüße
Christa
Am 28. Dezember 2008 um 10:30 Uhr
Meine Meinung zu Vertrauen wie heißt es so schön : wer nichts wagt der nichts gewinnt so ähnlich ist es mit dem Vertrauen ich riskiere es immer wieder obwohl mich auch schon (wie jeder ) enttäuscht wurde aber auch viel gewonnen !!!!!!!!!!!!
Am 28. Dezember 2008 um 16:40 Uhr
Ja Frau Fischer, Vertrauen ist ein Wagnis, vergleichbar etwa mit dem Schwimmen. Man muss sich dem Wasser anvertrauen und sehen, ob es einen trägt. Für uns war der Sprung in die Selbständigigkeit auch ein Wagnis. Immerhin war mein Mann damals Mitte fünfzig. Wir haben diesen Schritt noch keine einzige Minute bereut.
Was die Entäuschungen und die Krisen betrifft, die geben unserem Leben, genauso wie die Erfolge, die Kontur.
Liebe Grüße
Christa Schwemlein
Am 28. Dezember 2008 um 23:24 Uhr
Liebe Christa, dir und deinen Lieben wünsche ich einen gut gelaunten Übergang in ein gutes Jahr – das unter anderem so erfüllt ist mit so gewinnbringenden und denkanstoßenden Blogbeiträgen.
Herzlicher Gruß von Renate
Am 29. Dezember 2008 um 19:45 Uhr
Hallo Christa,
von Herzen – wünsche ich Dir auf diesem modernen Weg ein glückliches, gesundes und erfülltes neues Jahr. Dazu viel Erfolg für Deine letzten Prüfungen.
Bewahr Dir Deine Spontanität, Deine Fröhlichkeit und Deine Art das Leben von den schönen Seiten anzugehen. Damit verbreitest Du Zuversicht und steckst an.
Herzliche Grüße
Sabine
Am 30. Dezember 2008 um 18:53 Uhr
Hallöchen Christa
bevor ich das auch noch vergessen, wünsche ich Dir und Deiner Familie einen Guten Rutsch ins neue Jahr. Viel Gesundheit und Glück auf Deinem Weg.
Liebe Grüße
Nadine
Am 30. Dezember 2008 um 19:17 Uhr
Danke Nadine. Auch dir und Michael wünsche ich für das neue Jahr alles Gute und viele glückliche Stunden mit eurem kleinen “Sonnenschein”.
Christa
Am 26. April 2011 um 23:37 Uhr
[...] aus der Krise 29. April 201119:00Krisen und Krisensituation waren schon mehrmals Thema hier auf diesem Blog. Warum das, was ich „virtuell“ kommuniziere [...]