Es “menschelt” auf der AIDAluna – Hans Güth erzählt
Puh, das war nötig. Entschuldigung für die kurze Unterbrechung Weiter geht’s ….
Natürlich bin ich der Letzte im Bus und ernte ein paar nette Blicke meiner Mitreisenden. Ich stelle mir kurz vor, wenn der Bus ohne mich weitergefahren wäre und mich ohne Geld und Jacke am Ende der Welt zurück gelassen hätte. Eine schlimme Vorstellung.
Vom Dalsnibba sind es 20 Kilometer nach Geiranger runter. Wieder 30 Haarnadelkurven, wo die Busse zum Teil sogar nochmals rückwärts rangieren müssen, so eng sind die Kehren und wo es nicht nur meinem Schatz ganz anders wird. Aber nachdem ich ihr glaubhaft versichere, dass der Busfahrer ganz sicher keine direkte Abkürzung downhill nehmen wird, beruhigt sie sich etwas. Auch fühle ich, wie unsere Kollegen in den hinteren Reihen innerlich ihre Türmchen festhalten.
Schließlich haben wir die 1500 Höhenmeter erfolgreich überwunden. Das Dorf Geiranger, das Neuschwanstein Norwegens, kommt näher. Imposant und wunderschön, aber hoffnungsvoll überfüllt. Von Menschen, Holztrollen und Souvenirgeschäften. Ein Ort wie ein guter Horrorfilm, aber wegschauen will man dann doch nicht.
Bald setzt uns der Tender auf die AIDA über und um 17.00 Uhr heißt es einmal mehr: Alle Mann an Bord! Wir sichern uns für die vom bordeigenen Lektor Jörg Trobitzsch moderierte Ausfahrt einen guten Deckplatz am Bug, denn jeder möchte die imposante Natur so nah als möglich erleben. Ein bisschen Gedrängel in der ersten Reihe, Daune presst sich an Daune, und so bleiben alle warm.
Nach moderater Verspätung ertönt der Typhon – natürlich lauter als der, der anderen beiden den Geirangerfjord verlassenden Schiffe – und langsam gleitet die luna durch das türkisblaue Wasser Richtung Atlantik.
Es herrscht eine bedrohliche Enge zwischen den steil abfallenden Felshängen, die hunderte von Metern aus dem Wasser ragen und den Eindruck vermitteln, als müsse sich das Schiff regelrecht hindurchzwängen. Erstaunlicherweise sind an den steilen Hängen Bauernhöfe zu erkennen, die an die mühsame Arbeit erinnern, völlig abgeschieden von der Außenwelt, als die Kinder angebunden wurden, um sie vor dem Absturz zu bewahren.
Ein paar hundert Meter weiter nähern wir uns den „Syv Söstre“ (Sieben Schwestern), eine der vielen Sehenswürdigkeiten in diesem Fjord. Das Wasser stürzt aus Schwindel erregender Höhe über glitzernde Kaskaden in die Tiefe, hebt sich wie silberne Seide von dem gewetterten, schwarzen Stein ab und zerstiebt in Millionen kleine Tropfen, bevor es endlich die ruhige Oberfläche des Fjords erreicht. Das Sonnenlicht lässt diese Nebelschwaden aus Wasser in allen Regenbogenfarben glitzern.
Auf der anderen Fjordseite wartet seit Jahrtausenden vergeblich der „Freier“. In einer norwegischen Sage ist zu lesen, dass vor vielen, vielen Jahren der Freier eine der sieben bildschönen Schwestern heiraten wollte. Eine nach der anderen ließ ihn abblitzen – am Ende blieb nur eine der Schwestern übrig. Nachdem sie ihn immer wieder hingehalten hatte und letztendlich auch “nein” sagte, ergab sich der Freier dem Alkohol. Seit dieser Zeit stehen sich im Geirangerfjord die Schwestern und der Freier gegenüber. Schaut man sich den Freier genau an, erkennt man in der Form des Wasserfalls die Form einer Flasche.
Schon bald werden wir diese Naturschönheit verlassen. „In vier Kilometer rechts abfahren und dann 1.500 Kilometer bis zum Nordkap“, sagt die Frauenstimme in meinem Unterbewusstsein. Es geht weiter an der kantigen Küste Norwegens, vom sonnigen Süden in den mitternachtssonnigen Norden.
Gegen 18.30 Uhr bricht langsam das Fußballfieber aus. Heute entscheidet es sich, ob Deutschland ins Traum-Finale gegen Holland kommt. Wir haben die Wahl zwischen Pool-Deck, Anytime-Bar und dem Theatrium. Wir entscheiden uns für Letzteres und nach gründlicher Vorarbeit bei der Platzwahl warte ich bei zwei Ipanema’s und einer Flasche Erdnüsse auf Delling, Netzer und meinen Schatz. Der macht noch schnell die Sushi-Bar leer.
Zwei Stunden später ist das Theatrium übervoll, viele zeigen Flagge und tragen ein Deutschlandtrikot. Auch ich natürlich. Hinter uns hat sich eine Familie aus Leipzig mit ihren zwei vuvuzelalärmenden, überflüssigen Ablegern breit gemacht, die dem ganzen Umfeld vor, während und nach dem Spiel gewaltig auf die Nerven gehen. Meine Wette habe ich jetzt schon gewonnen. Die Mutter fragt mich doch tatsächlich, welcher Spieler „Hans Güth“ ist und ob das die Unterschriften von der Nationalmannschaft sind. Klar, sage ich und bin haarscharf an einer Adoption vorbei geschrammt. Immerhin ist mir das den Drink des Tages wert, einen „Fresh Garden“, eine Vitaminbombe mit Mango und Orange. Aber ich beschließe, sollte die Jogi-Elf das Finale erreichen, mein Trikot in der Kabine zu lassen.
Dann gibt’s noch heftig Ärger neben mir, als so ein arroganter Trottel, dem offenbar das Schiff gehört, den Platz links neben mir, den eine nette Dame für ihren Mann frei hält, in Beschlag nimmt und sogar noch seine Frau mit reinquetscht. Die nette Dame sagt’s ihm mit größtmöglichem Takt erst freundlich, dann mit hoch gezogenen Augenbrauen, zum Schluss drohen wir ihm in einer wenig politisch korrekten Ausdrucksweise gemeinsam an, dass er in skandinavischen Gewässern den Fahrtenschwimmer nachholen kann, falls er nicht sofort die Reste seines menschlichen Anstands hervorkramt. Mit ramponiertem Ego und heulender Gattin zieht er endlich von dannen.
Nach enttäuschendem Hasenfuß-Fußball verlieren die Deutschen gegen Spanien mit 0:1 (Tor: Iniesta). Und wieder einmal hat sich meine Meinung bestätigt, dass ein Verlust der Mittelfeld-Dominanz – wie beim Schach – fast automatisch den Verlust der Partie mit sich zieht. Nur glauben will mir das nie einer, schon gar nicht zuhause bei meinem Verein.
Es geht gegen Mitternacht. In unserer serienmäßigen Chill-out-Zone auf Deck 7 genießen wir auf dem Balkon noch etwas die strahlende Abendsonne, bevor wir uns endgültig ins Bett trollen. Wir freuen uns auf das Nordkap.
Eine gute Nacht wünscht Ihr Reiseleiter
Hans
Der Beitrag wurde am Donnerstag, den 17. Februar 2011 um 20:33 Uhr veröffentlicht und wurde unter Reisen abgelegt. du kannst die Kommentare zu diesen Eintrag durch den RSS 2.0 Feed verfolgen. du kannst einen Kommentar schreiben, oder einen Trackback auf deiner Seite einrichten.
3 Reaktionen zu “Es “menschelt” auf der AIDAluna – Hans Güth erzählt”
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Am 18. Februar 2011 um 00:43 Uhr
Hans ich kann nicht anders aber was ist “vuvuzelalärmenden” diese Wortschöpfung ist mir gänzlich fremd. Vielleicht findest du ein paar erklärende Worte für mich und meine Leser, insbesondere für diejenigen, die sich vielleicht nicht zu fragen trauen.
Echt, ich hab’ hier schon richtig viel gelernt. Vielleicht findet dann auch vuvuzelalärmend Einzug in meinen Wortschatz. *lach*
Ich grüße dich ganz lieb Christa
Am 18. Februar 2011 um 10:33 Uhr
Kannst Du Dich an den Riesenlärm bei der WM 2010 in den Stadien Südafrikas erinnern? Diese fürchterlichen Tröten?! Die beiden Leipziger Kids hinter uns hat fast der geasmten vorderen Reihe einen Hörsturz vermittelt…
Am 4. März 2011 um 23:44 Uhr
[...] Es “menschelt” auf der AIDAluna Der ganz normale Wahnsinn [...]