Mit der AIDAluna durch den Geiranger Fjord – Hans Güth erzählt
MITTWOCH, 07. Juli 2010
Hellesylt/Geiranger Fjord. Liegezeit Hellesylt 08.00 bis 09.00 für die Ausflügler, Liegezeit Geiranger 11.00 bis 18.00 Uhr, Letztes Tenderboot 17.30 Uhr.
Am Morgen nähern wir uns dem Höhepunkt unserer Reise – dem Geiranger Fjord („Lanze“). Die Stimme des Kapitäns schallt über den Bordlautsprecher und kündigt die Einfahrt an. In einem ähnlichen Tonfall wie mein Navi, das zusammen mit meiner Frau das Evangelium verkündet, wenn ich mal ans Steuer ihres BMW darf: „Nach einem Kilometer rechts ab in den Geiranger Fjord einfahren!“
Der Fjord zeigt sich mit einer weitgehend unberührten Schönheit. Mit der Zeit werden die uns links und rechts begleitenden Berge höher und schroffer und die Durchfahrt enger. Wir genießen die überwältigenden Ausblicke von unserem Balkon und sind tief beeindruckt. Pünktlich um 8.00 Uhr machen wir beim kleinen Dorf Hellesylt halt, wo sich der Geirangerfjord mit dem Sunnylvsfjord vereint.
Hier im Westen ist alles anders, die Leute sprechen anders, essen anders, denken anders. Norwegen heißt hier auch nicht Norge. Sondern Noreg. Das Vestland ist Nynorskland. Man spricht Neunorwegisch, kantiger als in Oslo, kein falsch betontes Dänisch, wie die Leute hier sagen.
Die meisten Felshänge, die den Sunnylvsfjord einfassen, sind 1200 bis 1500 Meter hoch. Obwohl Hellesylt nur 300 Bewohner hat, ist das Dorf seit mehr als 100 Jahren ein wichtiger Verkehrsknotenpunkt. Zu den Vorzügen, die die Natur diesem Flecken Erde mitgegeben hat, gehören die vielen Bergflüsse ringsum, die beste Angelbedingungen bieten, vor allem für Lachse. Wir bedauern, dass wir nicht früher aufgestanden sind, dann hätten wir die Schönheit des Sunnylvsfjords von Anfang an inhalieren können.
Nach dem Frühstück treffen sich die Ausflügler wieder auf Deck 10. Auch beim zweiten Ausflug „Überland nach Geiranger“ gibt es ein paar Nachzügler, die den ganzen Betrieb aufhalten. Und natürlich die üblichen Meckerer, denen alles zu langsam geht. Unsere beiden Reiseleiterinnen überwinden auch die ätzendste Nörgelneigung dieser Liegen-Beleger.
Die Tender fassen rund 60 Personen und bringen uns rüber nach Hellesylt, wo die Busse warten, die uns über die Überlandstraße, die die beiden Dörfer Hellesylt und Geiranger verbindet, zum Ende des Fjords bringen werden. Durch eine der wildesten und spektakulärsten Landschaften Norwegens.
Es geht in südlicher Richtung durch das Hornindal-Tal, ein weites, fruchtbares Tal, das übersät ist mit idyllisch gelegenen Gehöften. Wir passieren die knapp 300 Jahre alte, in Trockenbauweise errichtete Honndøla Bru mit dem Jungfrauenstein. Ein runder Stein mit einer Öffnung in der Mitte, durch den die Braut vor den Augen sämtlicher Dorfbewohner kriechen musste. Schaffte sie es nicht, fiel die Hochzeit ins Wasser. Warum wohl?
Wir erreichen den Ort Hornindal und machen kurz Halt am mit 514 m tiefsten Binnensee Europas, dem Hornindalvatnet. Er zeichnet sich durch glasklares Wasser aus, kein Gletscherfluss mündet in diesen See. Die Schönheit des Sees verlangt, nochmals einen Fotostopp an einer kleinen Halbinsel mit einem kleinen botanischen Garten und dem unvermeidlichen Souvenir-Shop einzulegen. Auch wenn es inzwischen leicht regnet, wir sind von Landschaft und See begeistert.
Unser Bus rollt weiter bis hinunter nach Stryn, am Ufer des 14,5 km langen, malerischen Stryn-Sees entlang, mit steilen Bergen auf der dem Wasser abgewandten Seite bis nach Hjelle. Hier ändert sich die Landschaft drastisch. Plötzlich sind wir in einem bewaldeten, flachen Tal.
In einem pittoresken Hotel, in dem sogar schon der norwegische König abgestiegen ist, nehmen wir unser Mittagessen ein. Nach einer schmackhaften Spargelcremesuppe, Lachs mit Kartoffeln und Gurkensalat und als Dessert rote Grütze mit meiner ersten Eiskugel auf dieser Reise. Nicht schlecht, das Menü.
Nach der Gjol-Brücke, die eine 90 Meter tiefe Schlucht überspannt, durch die sich ein tosender Fluss zwängt, schraubt sich die Serpentinen-Straße stetig auf 900 Meter über dem Meeresspiegel. Es geht auf das Dach Norwegens, ein ausgedehntes Gebirge mit Schnee bedeckten Gipfeln, Seen und wilden Hochebenen. Nahe den Ufern des Gletschersees Djupvatn, der laut Infos unseres Reiseleiters, ein Norweger mit österreichischen Wurzeln, vor zwei Wochen noch von einer Eisschicht bedeckt war, erreichen wir die den Fahrern alles abverlangende Passstraße zum nochmals 500 Meter höheren Berg Dalsnibba, dessen vom Wetter geformte Spitze selbst aus mehr als 150 Kilometern Entfernung deutlich zu erkennen ist.
Der Aufstieg zum Dalsnibba ist abenteuerlich, eine straßenbauliche Meisterleistung. Viel Verkehr, die Busse fahren auf der schmalen Straße Zentimeter aneinander vorbei. Ich bin kein Feigling, aber ich sehe links die Straße nicht mehr, sondern nur eine tiefe Schlucht, die ein mulmiges Gefühl in der Magengegend erzeugt.
Wenig später sind wir am Ziel und am Abgrund angekommen. Wir werden belohnt mit einer traumhaften Aussicht auf den Fjord und die umliegenden Gipfel und Gebirgskämme mit ihrer unbezwingbaren Schönheit. Und auf unsere luna, die klitzeklein tief unten am Ende des Geiranger-Fjords zu sehen ist. Trotz des bedeckten Himmels alles in wunderbaren Farben: Das Blau und Türkis der Fjorde, das satte Grün der Wiesen und Weiden und das Weiß der Berge. Es hat wenig Sinn, sich gegen ein erhabenes, feierliches Gefühl zu wehren.
Schon auf der Fahrt sind mir die kleinen Stein-Türmchen aufgefallen. Früher waren diese als Wegweiser für Wanderer gedacht, heute bauen die Touristen sie als sogenannte „Wunsch-Türme“. Auf dem Dalsnibba stehen viele der kleinen Bauwerke und natürlich will jeder Touri seinen eigenen Turm aufstellen. Ein paar lebensmüde Italienerinnen klettern ein Stück den gefährlichen Abhang hinunter, um sich ein paar Steine für ihr Türmchen zu besorgen. Oben gibt es keine mehr, Italienerinnen unten bald auch nicht mehr. Aber ein bisschen Schwund gibt’s auf so einer Reise ja immer. Nur unter massiven Drohungen kann ich die Meine davon abhalten, da auch runterzuklettern.
Ich muss noch schnell auf’s Klo, kämpfe mich durch den Souvenir-Shop und stelle mich in die Schlange vor dem Ort des vielfachen Begehrens. Die Zeit drängt und der Druck auf mich wird langsam unerträglich. Endlich vorne angekommen, stockt mir der Atem – an der Toilettentür hängt ein Automat und will fünf norwegische Kronen von mir. Shit, die habe ich natürlich nicht und verwünsche diese heimtückische nordische Geldgier. Zum Glück hält mir eine nette Touristin die Tür auf und ich danke dem Herrn für den Engel in der Not!
Sichtlich erleichtert grüßt Sie, Ihr Reiseleiter
Hans
Der Beitrag wurde am Donnerstag, den 17. Februar 2011 um 09:31 Uhr veröffentlicht und wurde unter Reisen abgelegt. du kannst die Kommentare zu diesen Eintrag durch den RSS 2.0 Feed verfolgen. du kannst einen Kommentar schreiben, oder einen Trackback auf deiner Seite einrichten.
3 Reaktionen zu “Mit der AIDAluna durch den Geiranger Fjord – Hans Güth erzählt”
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Am 17. Februar 2011 um 10:42 Uhr
Folge deinen täglichen Berichten mit Spaß und viel Freude.
Am 18. Februar 2011 um 00:59 Uhr
Irgendwie schade Menachem, dass wir beide uns trotz der langjährigen Bekanntschaft immer noch nicht verstehen.
Meinst du die Berichte von Hans oder etwa mich, die ich die Plattform für die Reiseerlebnisse zur Vergügung stelle?
Eigentlich dachte ich eine sehr gute kognitive und emotionale Empathie zu besitzen. Die virtuelle Kommunikation scheint sich jedoch, so wie ich das inzwischen erlebt und kennen gelernt habe, von der “realen” gewaltig zu unterscheiden. Deshalb habe ich, dein Einverständnis vorausgesetzt und “der guten Ordnung halber”, deinen Kommentar an Hans weiter geleitet
Gruß Christa
Am 4. März 2011 um 23:40 Uhr
[...] Mit der AIDAluna durch den Geiranger Fjord Unberührte Schönheit und überwältigende Augenblicke [...]