Bergen – Hans Güth erzählt
Dienstag, 06. Juli 2010
Bergen, Norwegen, Liegeplatz Skolten N 1, Liegezeit: 08.00 bis 18.00 Uhr, Wetter 14 Grad Celsius, Sonnenaufgang 04.25 Uhr, Sonnenuntergang 23.01 Uhr, nächste Etappe 231 Seemeilen (428 Kilometer) bis Hellesylt.
Historischer Rückblick: Bergen/Norwegen ist eine ehemalige Hansestadt, nunmehr eine Großstadt mit kleinstädtischem Charme. An dieser Stadt mit ihren alten Holzhäusern, schmalen Gassen und lebendigem Hafen, die zwischen sieben Fjorden und sieben Bergen eingebettet liegt, kommt niemand vorbei.
Heute heißt es früh aufstehen. Mein Liebling hat natürlich sehr gut ausgeschlafen und weckt mich eine Stunde früher. Ich muss gestehen, 05.15 Uhr ist nun wirklich nicht meine Zeit, auch nicht in Norwegen. Aber sie meint, viereinhalb Stunden Schlaf sollten mir eigentlich reichen.
Wir gehen auf das Sonnendeck an die Spitze des Schiffes und stellen fest, dass wir einen Begleiter haben. Vor uns strebt die „Queen Victoria“ aus Southampton ebenfalls der zweitgrößten Stadt Norwegens zu.
Es ist unheimlich still, als wir durch die vorliegenden Inseln fahren, mit vielen kleinen, bunten Häuschen am Ufer.
Im diffusen Morgenlicht sieht man weit draußen Bohrinseln und die Realität holt uns urplötzlich ein. Die Erinnerung an die Öl-Katastrophe im Golf von Mexiko ist präsent und es macht ein flaues Bauchgefühl, wenn man sich vorstellt, dass so etwas auch hier passieren könnte.
Kurz vor Bergen überholen wir die „Queen Victoria“ und stellen fest, dass der Luxus-Liner offensichtlich passagierlos ist. Um 07.20 Uhr legt die luna sanft am Liegeplatz Skolten N 1 an, ungefähr so sanft wie das Leben hier abläuft. Auch unsere Entschleunigung hat endgültig begonnen.
Um 09.00 Uhr ist Treffpunkt zum ersten Ausflug an der AIDA-Bar auf Deck 10. Der Bus Nr. 12 und die freundliche Begleiterin Maja warten vor dem Schiff, um uns Bergen und die berühmte Stabkirche zu zeigen.
Auf der Stadtrundfahrt erzählt Maja viel von Land und Leuten. Dass die Einwohner sehr gut verdienen und nahezu jeder eine höhere Schulbildung hat, es keine Armut gibt und der Wohlstand in der Gesellschaft relativ gleichmäßig verteilt ist, die Arbeitslosigkeit bei konstanten 1% und weniger liegt, die Jugend ein gesetzliches Recht auf Ausbildung hat, die medizinische Versorgung so gut wie nichts kostet und die stationäre Behandlung im Krankenhaus sogar gar nichts.
Durch schmale Straßen mit schönen Häusern und einem kurzen Fußweg durch den Wald erreichen wir die Fantoft-Stabkirche, eine der 30 noch existierenden Stabkirchen in Norwegen. Auf dem Rückweg mitten hinein in die alte Stadt, nach Bryggen. Windschiefe, aber stolze hölzerne Kaufmannshäuser reihen sich hier, rot, weiß und braun gestrichen. Noch kurz über den Fischmarkt, wo man nicht nur fangfrischen Fisch, sondern auch Garnelen- und Lachsbrötchen, Krustentiere, Elchwurst, Rentierfelle und natürlich auch die nicht zu vermeidenden Norwegen-Souvenirs kaufen kann.
17.30 Uhr heißt es wieder: Alle Mann an Bord! Der Himmel hat sich etwas zugezogen, aber es bleibt bis auf ein paar vereinzelte Regentropfen trocken. Es ist ziemlich kühl und windig. Noch ein Blick auf die hell getünchten Holzhäuser in der Altstadt, in deren Puppenstubenfenstern die Geranien blühen und die vom Schiff aus noch geborgener und behaglicher erscheinen. Dann legen wir ab.
Sun will unbedingt etwas für ihre Figur tun und sich trimmen. Die Body & Soul Sport-Abteilung auf Deck 11 zu finden ist reine Formsache. Ich setze mich in der Zwischenzeit ins Theatrium, schaue mir AIDA Live und die Show „Loriot’s heile Welt“ an. Mein Schatz kommt irgendwann, sichert die beiden Plätze und ich gehe schnell im „Weite-Welt“-Restaurant meinen knurrenden Magen beruhigen.
Um acht ist das Theater rappelvoll. Auch drei Holländer sind dabei, doch die Sympathien der Zuschauer liegen deutlich bei den Urus. Kapitän Giovanni de Bronckhorst bringt seine Farben mit 1:0 in Front, doch Uruguay gleicht überraschend noch vor der Pause zum 1:1 aus.
Nach dem Seitenwechsel viel Geplänkel. Mitte der zweiten Halbzeit gibt Holland plötzlich Gas und geht nach Toren von Wesley Sneijder (70.) und Arjen Robben (73.) mit 3:1 in Führung. Das Anschlusstor von Pereira in der Nachspielzeit zum 2:3 lässt noch einmal Spannung aufkommen, doch am Ende nützt es den Südamerikanern nichts mehr. Die Niederlande sind als erste Mannschaft im Finale und warten auf die „geliebten“ Deutschen.
Im Anschluss taucht zum ersten Mal Kay Ray auf, ein schwuler Haarkünstler aus dem Hamburger „Schmidt’s Tivoli“-Theater, direkt von der Reeperbahn. Ein schriller Paradiesvogel ohnegleichen, mit Hang zu grellen Klamotten und quietschbunten Frisuren, der mit samtigen Stimmbändern, humoristischem Dauerfeuer, das ständig weit unter der Gürtellinie ist, überrascht. Per Lautsprecher wird darauf hingewiesen, dass die Vorstellung nichts für Kinder und Jugendliche ist. Was zur Folge hat, dass viele der Rotzer einfach sitzen bleiben und die Eltern bald gewaltigen Erklärungsnotstand haben.
Der schwul-bunte Wirbelwind ist absolute Spitzenklasse! Kay Ray reißt derbe Zoten und ist dermaßen ordinär, dass sogar die ganz Prüden im Publikum lachen müssen. Schon nach wenigen Minuten ziehen ein paar Mütter ihre 10 bis 13 Jahre alten Jungen und Mädchen hoch, doch die meisten dieser Pubertierenden haben an dieser Informationsveranstaltung bereits Gefallen gefunden und denken im Traum nicht dran, sich zu trollen. Worauf sich, peinlichst berührt, die Mütter wieder mit hochrotem Kopf setzen wollen – und fallen Kay Ray in die Hände. Der nimmt sie sich jetzt persönlich vor und frisiert ihnen auf der Bühne reeperbahnmäßig grell die Haare.
Einen Freund gewinnt er dann auch. Hartmut aus Wanne-Eickel, um die fünfzig mit Bierbauch und Halbglatze, der mit Kay im Laufe der Show 5-6 doppelte Wodkas vernichtet und eine echte Bereicherung ist. Gegen Mitternacht haben beide ihren Alkoholpegel erreicht und wir freuen uns, dass Kay noch zwei weitere Auftritte während unserer Reise mit der luna hat.
Das war’s für heute. Wir lesen uns morgen wieder, Ihr Reiseleiter
Hans
Der Beitrag wurde am Mittwoch, den 16. Februar 2011 um 09:10 Uhr veröffentlicht und wurde unter Reisen abgelegt. du kannst die Kommentare zu diesen Eintrag durch den RSS 2.0 Feed verfolgen. du kannst einen Kommentar schreiben, oder einen Trackback auf deiner Seite einrichten.
Eine Reaktion zu “Bergen – Hans Güth erzählt”
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Am 4. März 2011 um 23:43 Uhr
[...] Bergen Stadtrundfahrt und zu Fuß durch schmale Straßen. [...]