15. Februar 2011 von Hans Güth

Mit der AIDAluna Richtung Bergen – Hans Güth erzählt

hansMONTAG, 05. Juli 2010

1. Seetag.

Auf dem Weg nach Bergen/Norwegen. Wetter: Leicht bewölkt, 17 Grad Celsius, Sonnenaufgang 04.53 Uhr, aktuelle Etappe: 544 Seemeilen (1.007 Kilometer) bis Bergen.

7.00 Uhr. Ein vorsichtiger Blick aus dem Fenster, die Sonne zeigt sich nur langsam. Ich öffne die Balkontür und genieße für ein paar Minuten die frische, reine Seeluft, die eigentlich weniger nach Fisch oder Meer riecht als einfach nur nach Salz, aber sofort mein Hungergefühl weckt.

Wir lassen es an diesem Morgen langsam angehen und wählen zum Frühstück das „Bella Vista“-Restaurant auf Deck 11 aus. Bereits an den Eingangstüren werden wir von zwei Obsttonnen im Kokosnuss-Look empfangen, aus denen sich eine imposante, geschnitzte Frucht-Skulptur erhebt. Gleich dahinter werden die Massen geschickt geteilt und weiterdirigiert, sodass Wartezeiten an den langen Büffets kein Thema sind.

Der Qualitätsstandard wird schnell deutlich. Es gibt praktisch nichts, was es nicht gibt. Eier, Wurst und Käse in allen Variationen, eine eigene Schinkentheke, zig Sorten von Müslis, Brotsorten und Brötchen. Zudem ein riesiges Teesortiment und einen Kaffee, für den man jemanden heiraten würde. Kaffee, der nichts zu tun hat mit so verspielten Sekretärinnen-Sorten wie Haselnuss-Krokant-Cappuccino oder Vanille-Maracuja-Latte etc. und mich meine neurologische Verträglichkeitsgrenze von zwei Tassen vergessen lässt. Ein Frühstück der Superklasse!

Bald werden wir durch den durchdringenden Generalalarm – sieben kurze und ein langer Ton – aufgefordert (zuhause genügt da bei mir stets ein scharfes „Hans, kommst Du mal?!“), die orangefarbenen Life-Westen anzulegen und uns gemäß unserer Kabinennummer zu unserem Sammelpunkt auf Deck 5 E zu begeben. Um 10.20 Uhr ist nämlich die gesetzlich vorgeschriebene Seenotrettungsübung angesagt.
Natürlich kommen einige desinteressierte Passagiere zu spät und/oder ordnen sich am falschen Meeting-Point ein. Die ernten dann einen bösen Blick der Crew, werden am Ende aber auch gerettet.

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Was macht man nun an einem Seetag auf so einem Kahn? Für den Disco-Tanzkurs (Tango) oder den Poolsport haben wir nicht die rechte Lust und verziehen uns bis zum Mittagessen auf das Sonnendeck, wo wir bei Erdbeer-Bowle die Deck-Show verfolgen und die Leute beobachten. Wir stellen fest, dass es bei den besser verdienenden Sonnenbrillenträgerinnen immer noch sehr beliebt ist, die Brille wie ein Diadem auf den Kopf zu schieben, ebenso wie die Marotte, sich weiße Lacoste-Tennispullis locker über die Schulter zu hängen. Bis wir müde werden und bei sanfter Brise ein kleines Nickerchen machen (übrigens, was macht ein Schwarzafrikaner, wenn er einen Mittagsschlaf macht? Genau – ä Niggersche!).

Lover Mae hat unsere Kabine vorschriftsmäßig aufgeräumt. Sogar die Pyjamas sind sorgsam gefaltet und in der Mitte der Betten drapiert. Wir beschließen, unserer guten Fee eine kleine Aufmerksamkeit in die Hand zu drücken. Was ankommt, denn die kleine Geste wird uns auf unserer Reise noch manches Mal zum Vorteil gereichen.

Am frühen Nachmittag wird der Seegang heftiger und dem einen oder anderen Passagier geht das Mittagessen noch einmal durch den Kopf. Auch mein Schatz hat einige Probleme und ich mache mich auf den Weg zum Bordhospital auf Deck 3. Dort hat sich bereits eine lange Schlange von Grünen gebildet (was mich überrascht, ist, dass der seekranke Mensch tatsächlich grün anläuft. Obwohl es eher ein gespenstisches Grün ist, ein blässliches, hässliches, Krötenschlucker-Grün). Ich bin mit einer gesunden Gesichtsfarbe dabei und bekomme von der freundlichen Schwester Doreen – neben einem AIDA-Lächeln – vier kleine Tabletten für “Honey”, die inzwischen die Fische gefüttert hat und sich sterbeselend fühlt.

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Ich lasse sie schlafen und höre mir den Schnuppervortrag für erfolgreiche Menschen an, den irgend so ein Wichtigtuer im Theatrium hält. Die Leute hängen mit offenem Mund an seinen Lippen und buchen anschließend wie bekloppt seine Kurse für 75 Euro die halbe Stunde. Ohne zu kapieren, dass die größte Lüge aller Management- und Coaching-Bücher ist, dass man Erfolge strategisch planen kann. Man kann an sich arbeiten, an sich glauben, viel ausprobieren, auf die Schnauze fallen und wieder aufstehen. Aber dann braucht es viel Glück, die berühmten richtigen Momente und sehr oft auch die richtigen Freunde. Leben kann man nur vorwärts, das Leben verstehen nur rückwärts.

Ich schaue mal nach meiner leidenden Frau und bringe ihr einen Pfefferminztee. Es geht ihr erfreulicherweise etwas besser, auch die See hat sich zwischenzeitlich beruhigt, obwohl das Schiff immer noch leicht rollt. Essen möchte sie nicht, also gehe ich allein zur abendlichen Fütterung, wo die Seekrankheit das alles beherrschende Thema ist. Gespräche über Übelkeit und Erbrechen sind auf einem Kreuzfahrtschiff offensichtlich kein Tabu-Thema.

Ich lerne Heidemarie kennen, deren Mann wegen geschäftlichen Terminüberschneidungen sein Ticket auf die Schwiegertochter übertragen hat. Deren Mann, also Heidemaries Sohn, sei ein hohes Tier im Handy-Geschäft. Und sie kramt tatsächlich ein Foto mit einem Anzugträger hervor, wobei sie unwillkürlich einen Eckzahn bleckt. Ich bin höflich und mache ein bisschen Konversation, mit Menschen, die ich mit ziemlicher Sicherheit auf dieser Reise nicht noch einmal sehen werde. Die Wahrscheinlichkeit, aufgrund der Größe des Schiffes einem der 2.400 Passagiere ein zweites Mal zu begegnen, ist äußerst gering. Trotzdem wird uns das erstaunlicherweise noch dreimal passieren.

Danach ist Gratis-Bingo angesagt und ich wundere mich, wie manche Menschen sich für ein halbes Glas Sekt so zum Affen machen können Ich habe zwar keine Kappe, kein T-Shirt oder Tasche gewonnen, mich aber nett mit zwei Ipanema’s und der hübschen Bar-Maid Kristina vergnügt, die den Job nun schon zwei Jahre macht und ihre AIDA-Karriere nach dieser Reise an den Anker hängen wird.

Im Theatrium steht ein interessantes „Seminar“ auf dem Programm: „Verheiratet und trotzdem glücklich!“. Frauen und Männer sind bekanntlich unterschiedlich. Nicht besser und nicht schlechter, sondern unterschiedlich. Wenig Neues, aber doch sehr lustig und kurzweilig.

23.00 Uhr, mein Schatz schläft ruhig und friedlich. Ich stelle den Wecker auf 06.15 Uhr, um rechtzeitig das Einlaufen in Bergen um 07.00 Uhr in der ersten Reihe auf Deck 14 mitzuerleben. Draußen wird es langsam dunkel, die Dämmerung setzt hier oben jetzt immer später ein. Mein Reisetagebuch und ich machen das Licht aus und freuen uns auf unseren ersten Landausflug.

Ihr Reiseleiter
Hans

Der Beitrag wurde am Dienstag, den 15. Februar 2011 um 09:30 Uhr veröffentlicht und wurde unter Reisen abgelegt. du kannst die Kommentare zu diesen Eintrag durch den RSS 2.0 Feed verfolgen. du kannst einen Kommentar schreiben, oder einen Trackback auf deiner Seite einrichten.

Eintrag Nr. 5653 | Kategorie Reisen | 2 Kommentare »





2 Reaktionen zu “Mit der AIDAluna Richtung Bergen – Hans Güth erzählt”

  1. Christa

    Hans, eigentlich wollte ich ja während deines Reiseberichtes die Klappe halten. ABER, es geht nicht. ;-)

    Bei Magenverstimmungen sei Pfefferminztee schädlich, wusste meine Mutter. Wenn schon Tee, dann Kamillentee.

    Übrigens diese Coachingstory find’ ich klasse. Ich hab’ so einen Typen auch schon einmal in einem Clubhotel auf den Kanaren erlebt. Ob die das wirklich selber glauben? Ach Hans, eigentlich dachte ich ein Bauchmensch zu sein. Aber je mehr ich darüber nachdenke….

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