In der Krise liegt die Chance
Man entdeckt keine neuen Erdteile, ohne den Mut zu haben, alte Küsten aus den Augen zu verlieren.
(André Gide)
Im Grunde kann ich André Gide’s Worten nur zustimmen. Zähle ich mich doch selbst zu den neugierigen Menschen, die Freude daran haben Neues zu entdecken.
Dennoch kehre ich für einen Kurzurlaub gerne an Orte zurück, die mir in schöner und angenehmer Erinnerung sind.
„Wie langweilig …“, mögen Sie jetzt vielleicht denken. Und in gewisser Weise gebe ich Ihnen Recht. Aber Vertrautes hat auch Vorteile. Nach einem arbeitsreichen Start in das neue Jahr waren die Tage in bekannter Umgebung und nur zwei Stunden von zu Hause entfernt der ideale Ort, den Alltag vergessen und neue Kräfte tanken zu können.
Ausschlafen, lange, fast bis zum Mittag, frühstücken, sich danach auf der Terrasse in ein Buch vertiefen, Sauna und Massage, im Pool Bahnen ziehen oder im 16 Grad kühlen Teich schwimmen. Einfach so in den Tag hinein leben das ist etwas, das für mich vor einigen Jahren noch unvorstellbar war und das ich erst als „ältere Frau“ in vollen Zügen genießen kann.
Ich habe heute kein schlechtes Gewissen mehr, wenn ich auf weichen Waldwegen entlang schlendere und mir die Berge von unten anschaue. Oder den Schwarzwald mit dem Auto erkunde, an Orten, die mir gefallen Halt mache und von dort die herrliche Aussicht in die Rheinebene und auf die umliegenden Weinberge genieße. Alles hat seine Zeit und seinen Reiz.
Entlang des Tonbachs bis hin zu seiner Quelle ist einer meiner Lieblingswege. Heute bin ich alleine unterwegs. Mein Mann geht eine anspruchsvollere Strecke.
Schon oft bin ich diesen Weg gegangen und immer wieder entdecke ich Neues. Eine Bank lädt mich zum Verweilen ein. Es ist ein schönes Plätzchen. Ich nehme die Einladung gerne an und träume eine zeitlang einfach nur vor mich hin. Wie bunt eine Landschaft mit nur einer einzigen Farbe sein kann. Ist Ihnen auch schon aufgefallen, wie viele verschieden Nuancen es von der Farbe „Grün“ gibt?
Ich sitze auf meiner Bank, bestaune die vielen Schattierungen der Natur und höre den Vögeln zu.
Auf der Erde, unweit von meinen Füßen, entdecke ich eine cira 10 cm lange schwarze Schnecke. Eigentlich ekelt mich vor solchen Tieren. Nicht heute. Ich beobachte sie eine Weile und denke, wie schön es ist, alle Zeit der Welt zu haben. Die Sonne kitzelt meine Nasenspitze. Ich muss nießen. Mein Blick richtet sich zum Himmel und ich nehme die ruhig dahinziehenden weißen Wolken wahr, die sich immer mal wieder vor die Sonne schieben und dabei ständig ihre Form verändern.
Und genau jetzt bedauere ich sehr, dass mir das Talent nicht gegeben ist, das in Worte zu fassen, was ich auf dieser Bank im Tonbachtal empfunden habe. FREIHEIT? Die Gewissheit im HIER und JETZT zu leben? Mich von GOTT getragen wissen? GLÜCK?
Ich kann es leider nicht beschreiben. Auf jeden Fall war es ein Augenblick, den ich gerne festgehalten hätte. Wie lange ich da saß, weiß ich nicht mehr. Irgendwie hatte ich Raum und Zeit vergessen. Und es war das erste Mal, dass ich diesen Weg nicht bis zum Ende, der Quelle des Tonbachs, gegangen bin.
Eine Woche später bekomme ich bei einer Vorsorgeuntersuchung den Beweis, wenn es denn GLÜCK war, dieses nur von kurzer Dauer ist.
Bitte, nicht schon wieder eine Chance.
Christa Schwemlein
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Inkonsequent?
Der Beitrag wurde am Freitag, den 29. Mai 2009 um 22:28 Uhr veröffentlicht und wurde unter Blog-Parade, Eigene Gedanken zu..., Glück, In eigener Sache, Reisen, Zeit, Zitate abgelegt. du kannst die Kommentare zu diesen Eintrag durch den RSS 2.0 Feed verfolgen. du kannst einen Kommentar schreiben, oder einen Trackback auf deiner Seite einrichten.
2 Reaktionen zu “In der Krise liegt die Chance”
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Am 3. April 2011 um 19:07 Uhr
[...] Schwarzwald: In der Krise liegt die Chance? 4. [...]
Am 8. April 2011 um 21:46 Uhr
[...] Schwarzwald: In der Krise liegt die Chance? [...]