30. März 2015 von Christa

Regen in Ankara – Zentralanatolien 02

Während des Mittagessen fängt es plötzlich zu regnen an. Es schüttet wie aus Kübeln. Ähnlich wie die Italiener scheinen auch die Türken nichts mehr zu fürchten als Regen. Auf den Straßen gibt es von jetzt auf nachher kein Durchkommen mehr. Hektische Betriebsamkeit macht sich breit, gerade so als hätte man in einen Ameisenhaufen gestochen. Alles rennt, um einigermaßen trocken den nächsten Unterschlupf zu erreichen. Regenschirmverkäufer schießen wie Pilze aus dem Boden.

Wir sind auf dem Weg zu Atatürks Grabdenkmal, der zweiten großen Attraktion Ankaras. Während der Fahrt dorthin gibt uns Ender ein paar Eckdaten zum Vater der Republik. Geboren wurde Atatürk 1881 in Saloniki, der heutigen nordgriechischen Stadt Thessaloniki. Dort besuchte er die Militärschule. Mit 21 Jahren wechselte er auf die Militärakademie in Istanbul. Ersten Ruhm erwarb er als militärischer Befehlshaber an den Dardanellen. Seine große Stunde schlug im Befreiungskampf gegen die Griechen. Im November 1922 schaffte er das Sultanat ab. Im darauf folgenden Jahr wurde er am 29. Oktober zum ersten Präsidenten der Republik gewählt. Nach der Abschaffung des Kalifats im Jahr 1924 folgten zahlreiche Reformen. Atatürk starb am 10.November 1938 in Istanbul an einer Leberzirrhose.

Am frühen Nachmittag erreichen wir die gigantische Gedenkstätte. Genau 15 Jahre nach seinem Tod fand Atatürk hier seine letzte Ruhe. Das Monument erhebt sich auf einem Hügel über der Neustadt und zählt zu den beliebtesten Sehenswürdigkeiten der türkischen Hauptstadt.

Atatürks Gedenkstätte

Anıttepe , so wird der Monumentshügel seit der Errichtung von Atatürks Grabstätte genannt, diente bereits im 12. Jahrhundert vor Christus als Grabhügel. Nachdem entschieden war hier das Bauwerk zu errichten, musste zuvor das Innere des Hügels von einem Archäologenteam untersucht werden. Die während der Ausgrabungsarbeiten gemachten Funde sind heute im Ethnografischen Museum zu sehen.

Die Anlage besteht aus drei Teilen, der Löwenstraße, dem Ehrenhof und dem wichtigsten Teil des Monuments, dem Mausoleum Atatürks. Dieses ist der höchste Punkt und der Blickfang des ganzen Areals. Man erreicht es über eine mehrstufige Treppe, in deren Mitte ein Rednerpult steht. Das Grab von İsmet İnönü, Atatürks Weggefährten und zweiten Staatspräsidenten der Türkei, befindet sich ebenfalls in der Anlage.

Es regnet und der Wind bläst uns hier oben heftig ins Gesicht. Das Wetter sei untypisch für diese Jahreszeit, meint Ender. Den restlichen Nachmittag verbringen wir im trockenen Museumstrackt, wo wir uns näher mit dem Leben und dem Werk Atatürks beschäftigen.

Während der Fahrt zum Hotel macht uns Ender mit dem schlitzohrigen “Hoca Nasreddin” bekannt. Der kauzige Mullah ist eine Figur der Weltliteratur, Weiser und Narr zugleich. Er wird gerne mit unserem Till Eulenspiegel verglichen, ähnelt aber eher dem Rabbi jüdischer Witze und ist heute ein Symbol für türkischen Mutterwitz und türkische Überlebenskunst. Mit seiner närrischen, entlarvenden Art hält er all denen den Spiegel vor, die bereit sind der Wahrheit ins Auge zu sehen. Ender erzählt uns eine besonders beliebte Geschichte:

Eines Tages lieh sich Hoca Nasreddin von seinem Nachbarn einen großen Kochtopf aus.  Am nächsten Tag brachte er den Topf zusammen mit einem kleinen Topf wieder zurück.

„Was soll das?“ fragte der Nachbar.

„Sieh, der Topf hat über Nacht ein Kind bekommen“, antwortete Nasreddin.

„Ach wie schön“, freute sich der Nachbar.

Bald darauf lieh Nasreddin sich von seinem Nachbarn wieder einen Topf aus. Diesmal wartete der Nachbar vergeblich auf die Rückgabe. Schließlich fragte er vorsichtig nach.

„Es tut mir schrecklich Leid“, antwortete der Hoca, „aber dein Topf ist gestorben.“

Der Nachbar reagierte empört. „Aber Hoca, wie kann denn ein Topf sterben!“

„Ach“, meinte daraufhin Nasreddin, „aber dass er Kinder bekommen  kann, das hast du mir geglaubt.“ 

So viel zu Mullah Nasreddin, dem kleinen Mann mit weißem Bart. ;-)

Nach einem ausgefüllten Tag kehren wir spät am Abend in unser Hotel zurück. Händewaschen, Abendessen, ein Absacker und ab ins Bett….

Christa Schwemlein

Kleingedrucktes:
Erlebt am Donnerstagnachmittag, den 29. Mai 2014.


Der Beitrag wurde am Montag, den 30. März 2015 um 18:40 Uhr veröffentlicht und wurde unter Bücher, Humor, Reisen abgelegt. du kannst die Kommentare zu diesen Eintrag durch den RSS 2.0 Feed verfolgen. du kannst einen Kommentar schreiben, oder einen Trackback auf deiner Seite einrichten.

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