Die letzten Stunden in Agadir
In unserem Urlaub habe ich sehr schöne, aber auch sehr seltsame Tage verlebt. Noch oft bin ich mit meinen Gedanken in Marokko. Von den Bildern und der Atmosphäre konnte ich mich bis jetzt noch nicht vollständig lösen. Vieles hängt nach und drängt darauf verarbeitet zu werden.
Es war am Morgen unseres letzten Urlaubstages und kurz nach sechs. Mein Mann schlief ruhig und friedlich als ich mich früh am Morgen aus dem Zimmer schlich, um noch einmal hinunter zum Strand zu gehen, um Abschied zu nehmen.
Es war frisch. Die Sonne war noch nicht da und der Himmel leicht bedeckt. Die Liegestühle waren alle leer. Außer ein paar Joggern war ich die einzige am Strand. Ich zog meine Schuhe aus, krempelte die Hose hoch und ging ein allerletztes Mal barfuß im kühlen Sand Richtung Marina. Nach einer Weile nahm ich auf einem der Liegestühle Platz und schaute gedankenverloren aufs Meer. Wieder einmal schweiften meine Gedanken in die Vergangenheit. Ich blicke gerne zurück, auch wenn es nicht nur Hochzeiten gab. Ein Gespräch mit einem Blogger der ersten Stunde kam mir in den Sinn. Warum gerade jetzt? Ich weiß es nicht. „Zu was war diese Krankheit gut?“, habe ich damals kommentiert. Die Antwort kam prompt: „Zu nix!“
Keine meiner Krankheiten und die damit verbundenen Krankenhausaufenthalte standen auf meinem Wunschzettel. Als sie ausbrachen blieb mir nichts anderes übrig, als sie in die Hand zu nehmen und in mein Leben zu integrieren. Vieles wurde nicht von mir entschieden. Zugegeben, es fiel mir schwer dies zu akzeptieren und dennoch kann ich im Rückblick sagen: „Alles war gut so, wie es kam.“
Bis zum Ausbruch der ersten schweren Krankheit war ich ein „Hans Dampf“ und war felsenfest davon übrzeugt, ohne mich stehe die Wirtschaft still. Im Krankenhaus zog ich Bilanz. Manche Tätigkeit und manches ehrenamtliche Engagement gab ich nach der Entlassung auf, um mehr Zeit für mich und die schönen Dinge im Leben zu haben. Die Krankheit lehrte mich, dass das Leben mehr zu bieten hat als harte Arbeit.
Von vielen Freunden habe ich mich, oder sie sich von mir, getrennt, wie auch immer. Dafür kamen neue, sehr wertvolle Freundschaften hinzu.
Heute kann ich sagen: “Mein Leben bekam durch die Krankheit eine andere Dimension.“ Ich habe begriffen dass Lebensfreude nicht von Dingen kommt, so edel sie auch sein mögen. Sie kommt von Menschen und zwar von solchen, die es ehrlich mit mir meinen.
Das Wissen, dass mir nur eine kurze Zeit hier auf Erden geschenkt ist, lässt mich alles viel intensiver erleben. Noch nie ist mir das so bewusst geworden, wie in jenen Tagen am Strand von Agadir.
Christa Schwemlein
Ein Büchlein, das mir sehr geholfen hat:
Gesundheit als geistliche Aufgabe
Der Beitrag wurde am Mittwoch, den 17. November 2010 um 23:23 Uhr veröffentlicht und wurde unter Bücher, Blog-Geflüster, Eigene Gedanken zu..., Reisen, Vertrauen, Zeit abgelegt. du kannst die Kommentare zu diesen Eintrag durch den RSS 2.0 Feed verfolgen. du kannst einen Kommentar schreiben, oder einen Trackback auf deiner Seite einrichten.
4 Reaktionen zu “Die letzten Stunden in Agadir”
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Am 18. November 2010 um 10:26 Uhr
Hallo Frau Schwemlein,
wieder für ein paar Tage zu Hause, lese ich ihren sehr schönen Eintrag.
Wie so oft, finde ich mich in ihrem Text wieder.
Mit der Beschreibung,…Krankheit, Hans Dampf, Freundetrennung,die andere Dimension und Lebensfreude…., kann ich ganz viel verbinden.
Für ihr bewusstes Erleben,ihr Talent und den Mut, dies auch öffentlich zu berichten, beneide ich sie echt. Auch ich bin auf dem Weg, ungeachtet weiterer “Freundesverluste”, besser für mich zu sorgen.
Es ist noch nicht ganz soweit,aber ich merke, dass ich das schaffen kann.
Und dabei helfen sie mir sehr.
Wenn mein vollständiger Name in ihrem Blog erscheint, dann habe ich die große Hürde, die mich jetzt noch bremst, genommen.
Bis dahin lese ich begierig ihren blog und wende mich meinen grossen, noch zu erledigenden Aufgaben hin.
Noch ein Satz : Zu meinen “Lieblingssprüchen” gehört seit der Geburt meiner Tochter…”Der Mensch lebt und bestehet nur eine kleine Zeit……”von Matthias Claudius.
Passt doch wieder….!
Es grüßt sie herzlich
Ihre Petra W.
Am 18. November 2010 um 10:58 Uhr
Liebe Christa,
das hast Du sehr schön geschrieben.
Wir haben erfahren, dass das Leben nicht unendlich ist. Dass wir nur eine begrenzte Zeit “hier” sein dürfen.
Und sie wird kostbar, diese Zeit, je älter wir werden.
Wen mag es da verwundern, wenn wir unsere Zeit nicht mehr mit Dingen oder Personen verschwenden wollen, die uns nicht gut tun?
Genau wie Du musste ich nach meiner Krankheit Bilanz ziehen, damalige Freunde gibt es kaum noch in meinem Leben, dafür aber viele neue. Und die passen viel besser zu mir.
Viele liebe und herzliche Grüße
von Dori
Am 18. November 2010 um 16:19 Uhr
Hallo Frau W.
*lach* Ja,wir haben viel gemeinsam und es wird spannend bleiben.
Ich danke Ihnen für Ihren Kommentar, denn genau das ist es, was einen Blog interessant macht. Nicht nur für meine Leser, sondern auch für mich. Mit Ihren Beiträgen hauchen Sie meinem Blog Leben ein, wofür ich sehr dankbar bin.
Mutig, Frau W. wäre ich vielleicht gar nicht so sehr, wäre da nicht meine Interneterfahrung. Wäre diese nicht gewesen, würde ich vielleicht nicht so offen schreiben – ich weiß es nicht. Mit Sicherheit gäbe es dieses ver-rueckte Blog nicht. Aber ich habe nichts mehr zu verlieren und das macht mir das offene Schreiben leichter.
Ich wünsche Ihnen für die bevorstehende Zeit alles Liebe und freue mich schon heute auf ein “reales” Wiedersehen.
Ihre Christa Schwemlein
Am 18. November 2010 um 16:22 Uhr
Liebe Dori,
auch dir vielen Dank für deinen Kommentar. Ja, Grenzerfahrungen lassen alles noch einmal in einem anderen Licht erscheinen. Übrigens habe ich deine Webseite entdeckt und finde sie sehr schön. Viel Erfolg bei deinen beruflichen Plänen wünsche ich dir von Herzen. – Christa