30. Juni 2016 von Christa

Alle Menschen gleich? – Fortsetzung Katholikentag 2016

Obwohl ich gestern Abend noch lange gelesen habe, wache ich heute Morgen vor dem Weckerläuten gut ausgeschlafen auf.

Was machen wir heute? Wer die Wahl hat, hat die Qual. Das Angebot ist riesig. Da wir in einer Stadt leben, die religiös vielfältig geworden ist und ich außerdem mit Menschen zusammen arbeite, die in unterschiedlichen Weltanschauungen und Religionen zu Hause sind beschließen wir, diesen Vormittag dem interreligiösen Dialog zu widmen.

Zum vierten Mal fand in diesem Jahr in Mannheim die „Meile der Religionen“ statt. Christen, Juden und Muslime haben am Vorabend von Christi Himmelfahrt zu einem großen Essen an einer gemeinsam gedeckten Tafel in Mannheims Innenstadt eingeladen. Jede und jeder waren willkommen sich an den langen Tisch unter freiem Himmel zu setzen, die kulinarische Vielfalt zu genießen und dabei über Gott und die Welt ins Gespräch zu kommen. Damit wurde erneut ein Zeichen für ein friedliches Miteinander gesetzt, für das alle drei abrahamitischen Religionen einstehen. Gastgeber waren wie immer die einzelnen Gemeinden mit ihren vielen ehrenamtlichen Helfern. Wegen unserer Zypernreise konnte ich diesmal leider nicht dabei sein. Von dem kurzen Abstecher nach Mannheim nun wieder zurück nach Leipzig.

Alle Menschen gleich? - Ein Streitgespräch zwischen Juden, Muslimen und Christen

Unser Wahl fällt auf eine Podiumsdiskussion mit dem Titel „Alle Menschen gleich?  – Ein Streitgespräch zwischen Juden, Muslimen und Christen“. Die Veranstaltung beginnt um 11.00 Uhr und findet im Begegnungszentrum der hiesigen jüdischen Gemeinde, dem Ariowitsch-Haus, statt.

Wir sind früh dran. Zeit genug für ein Frühstück in der Leibnitzstrasse.

in Leipzig zum 100. Deutschen Katholikentag 2016

Von hier sind es nur wenige Gehminuten zum Veranstaltungsort. Der Weg dorthin führt uns ins elegante Waldstrassenviertel, in dem auffallend viele aufwändig renovierte Gründerzeithäuser und Jugendstilvillen stehen. Kurz vor halb elf reihen wir uns in die Schlange der Wartenden ein und haben Glück einen Platz in der ersten Reihe zu erwischen. Mein Mann fühlt sich hier unwohl und wechselt ein paar Reihen weiter nach hinten. Ein junger Priester freut sich über den freigewordenen Sitzplatz. Er kommt aus dem Markgräflerland, eine von Gott verwöhnte Region, wie er sagt. Wir unterhalten uns prima. Und so vergeht die Zeit bis zum offiziellen Beginn für uns wie im Fluge.

„Alle Menschen gleich?“ Kann man Menschen über einen Kamm scheren? Hm, ich bin gespannt, was da kommt. Schwungvoll und mit viel trockenem Humor führt der Moderator in das Thema ein, stellt die Vertreterinnen und Vertreter der einzelnen Religionen vor und kommt dann auch gleich mit der Frage, sind alle Menschen gleich, zur Sache.

„Gleich vor Gott, ja, und seit der französischen Revolution auch gleich vor dem Gesetz. Und doch ist jeder Mensch anders“, äußert sich der Rabbiner aus Berlin.

„Was meint man mit der Frage, sind alle Menschen gleich?“, stellt die muslimische Theologin in den Raum und antwortet mit einer Gegenfrage. Sie weist darauf hin, dass das Wort Gleichberichtigung im Koran nicht zu finden ist. Stattdessen gibt es Aussagen, die die Gleichwertigkeit aller Menschen begründen und dadurch die Gleichberechtigung anerkennen.

„Wenn vor Gott alle Menschen gleich sind, wie ist es dann mit der Gleichberechtigung der Frauen innerhalb der katholischen Kirche bestellt?“ Diese provokante Frage kommt aus dem Publikum und ist an den dritten in der Runde, den katholischen Moraltheologen gerichtet. Die Gleichheit der Frauen sei auch in der katholischen Kirche gegeben. Seine Antwort begründet er damit, dass Frauen beispielsweise zum Patenamt zugelassen seien. Mit dieser Aussage ist ihm dann auch gelungen, die Runde mit Pfeffer zu versorgen, was er eingangs bei seiner Vorstellung angekündigt hatte. Über die Reaktion im Saal schreibe ich mal lieber nichts.

Wie kommt ein Jude in den Himmel? Was muss er tun um Anspruch auf das ewige Leben zu haben? Wie sieht es mit Schuld und Vergebung in den einzelnen Religionen aus? Wie sind die Aufrufe zur Gewalt in Bibel und Koran zu verstehen? In der kontrovers geführten Diskussion zu diesen Themen gefiel mir am besten die muslimische Theologin. Die Frage, was Christen von Muslimen und Juden lernen können beantwortete sie schlicht mit: „Die Leidenschaft für diese Welt.“

FAZIT

Juden, Christen und Muslime glauben an den einen Gott. Sie sind sich als monotheistische Religionen in Glaubensfragen näher als alle anderen Glaubensgemeinschaften. Und dennoch bleiben letztendlich entscheidende Unterschiede bestehen. Leugnet man diese, so ist der Dialog der Religionen keine Begegnung auf Augenhöhe, die den jeweiligen Dialogpartner mit seiner religiösen Überzeugung respektiert.

Wir müssen uns für einander interessieren und ernst nehmen, die Unterschiede nicht nivellieren, sondern uns ihnen stellen und versuchen, sie wirklich verstehen zu wollen. Dazu braucht es aber eine eigene Überzeugung. Wem alles egal ist, der ist ein Waschlappen. Mit Waschlappen kann man keine Dialoge führen. Mit denen geht man lieber Eisessen. So ähnlich fasste der Moderator die 90 hochinteressanten Minuten zusammen.

Christa Schwemlein
Fortsetzung folgt … 

Erlebt am:
Freitagvormittag, den 27. Mai 2016


Der Beitrag wurde am Donnerstag, den 30. Juni 2016 um 20:42 Uhr veröffentlicht und wurde unter Kirche, Menschliches abgelegt. du kannst die Kommentare zu diesen Eintrag durch den RSS 2.0 Feed verfolgen. du kannst einen Kommentar schreiben, oder einen Trackback auf deiner Seite einrichten.

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