5. Juni 2016 von Christa

Eine Entscheidung bahnt sich an – Fortsetzung Katholikentag 2016

Ich habe schlecht geschlafen. Gefühlt eigentlich gar nicht. Erstens ist das Bett viel zu eng und zweitens hat mich diese Mail von gestern Abend noch lange beschäftigt. Meine Gefühle sind ambivalent. Auf der einen Seite bin ich neugierig und auf der anderen Seite ist da die Sorge in eine ähnliche Situation wie vor Jahren zu geraten, als nach einem gefühlvollen schriftlichen Gedankenaustausch zwei inhaltsleere Telefonate folgten. Doch zum Grübeln bleibt jetzt keine Zeit. Um 10.00 Uhr beginnt der Festgottesdienst unter freiem Himmel. Ich freu’ mich drauf. Heute ist Fronleichnam. Bei uns ein Feiertag. Hier in Leipzig ein ganz normaler Arbeitstag.

Kurz nach 9.00 Uhr kommen wir am Augustusplatz an. Mehrere tausend Menschen sind bereits versammelt, singen, klatschen und swingen im Rhythmus. Die fröhliche Stimmung schwappt auch auf mich über. „Lobt Gott den Herrn der Herrlichkeit …. „ stimme ich lauthals in den Ohrwurm ein.

Seht da ist der Mensch!

Die gottesdienstliche Feier steht unter dem Leitwort:„Seht, da ist der Mensch mit seinem Hunger nach mehr“. Irgendwann fallen die beiden Sätze: „Seht da ist der Mensch mit seinen tiefen Lebenssehnsüchten. Doch wie schnell kann diese Sehnsucht sich in Sucht verwandeln.“ Ich zucke kurz zusammen. Ein jahrelang zurückliegender Briefwechsel kommt mir urplötzlich unangenehm in Erinnerung. Doch rasch schiebe ich die trüben Gedanken beiseite und bin wieder mitten im Geschehen.

Erzbischof Dr. Heiner Koch widmet seine Predigt ebenfalls dem Leitwort des Katholikentages. Die Beziehung zu Gott vergleicht er mit einer großen Liebesgeschichte. Einer Liebesgeschichte mit allen Höhen und Tiefen, Sicherheiten und Zweifeln, ganz tiefe Verbundenheit und manchmal auch irre werden. Ein nicht immer einfacher Weg, meint er. Wie wahr! Mein Mann und ich schauen uns vielsagend an. Seine Worte richtet er auch an diejenigen, die den christlichen Glauben nicht teilen. Nach der eindringlichen Aufforderung des Erzbischofs, sich auf Gott einzulassen und mit ihm zu leben versuche ich mir vorzustellen, wie diese Worte bei mir ankämen, würde ich keiner Kirche angehören.

Wegen der Fernsehübertragung endet die Messfeier pünktlich nach einer Stunde. Am Ausgang fragen uns ZDF Reporter nach unseren bisherigen Eindrücken. Meine Füße schmerzen. Ballerinas sind für langes Stehen aber auch denkbar ungeeignet. Bei der nächsten sich bietenden Gelegenheit tausche ich die Dinger gegen meine Turnschuhe. Genuss!
Apropos Genuss. Allmählich meldet sich mein Magen. Ich habe Hunger und Kaffeedurst. Wir sind heute Morgen ohne Frühstück losgezogen. Nahe der Uni kehren wir in einem kleinen Bistro ein und haben Glück, bei den ersten Gästen zu sein. Ratzfatz sind alle belegten Brötchen ausverkauft. Das Personal ist bemüht, doch diesem Ansturm nicht gewachsen.

Walter und ich trennen uns für diesen Nachmittag. Bibliodrama ist nicht sein Ding. Ich schlendere zur Kirchenmeile, um im Zelt der katholischen Frauengemeinschaft kurz Hallo zu sagen. Ein Zelt voll mit fröhlich, singenden Frauen, das hat was. Ein paar einzelne Männer haben sich auch hier her verirrt. Tatsächlich treffe ich zwei kfd Frauen aus Mannheim.

Allmählich wird es Zeit zur Haltestelle zu gehen. Das Bibliodrama, zu dem ich mich mit meiner Bekannten verabredet habe, findet etwas außerhalb, in der „Anton-Philipp-Reclam-Schule“, statt. Die Bahn ist leer. Am Fenster nehme ich Platz, schaue hinaus und hänge meinen Gedanken nach.

Seht da ist der Mensch – Seht da ist Gott.

Es kommt nicht sehr oft vor, aber manchmal doch. Da höre ich eine Predigt und denke, diese Predigt ist eigens für mich geschrieben. Predigtausschnitte von heute Morgen schleichen sich in mein Gedächtnis. „Wagen Sie es mit den Menschen wunderbare Erlebnisse zu machen. Wagen Sie es immer wieder neu auf wunderbare Weise den Menschen zu entdecken und Gott in den Menschen. Wagen Sie es immer wieder neu!“

Nachdenklich und seltsam berührt verlasse ich die Bahn. Eigentlich benötigte ich jetzt Zeit für mich. Eigentlich wäre ich jetzt gerne alleine ….

Christa Schwemlein

Fortsetzung folgt …

Erlebt am:
Donnerstag (Fronleichnam), den 26. Mai 2016


Der Beitrag wurde am Sonntag, den 5. Juni 2016 um 17:13 Uhr veröffentlicht und wurde unter Eigene Gedanken zu..., Kirche, Zitate abgelegt. du kannst die Kommentare zu diesen Eintrag durch den RSS 2.0 Feed verfolgen. du kannst einen Kommentar schreiben, oder einen Trackback auf deiner Seite einrichten.

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