17. August 2011 von Christa

… und es wiederholt sich …

Gestern Abend habe ich noch lange über die sozialkritischen Blogeinträge meiner Zeiträuber nachdenken müssen – Themen, die auch mich bewegen. Nachdem ich lange genug in mich hinein gehört hatte und mir deutlich wurde, was ich dazu eigentlich sagen will, flogen die Finger geradezu über die Tastatur.

Es gibt viele Entwicklungen, die auf einen Umbruch in unserer Gesellschaft hinweisen. Die damit verbunden Probleme gefährden nicht nur den solidarischen Zusammenhalt, sie bedrohen auch den sozialen Frieden. Es ist die Angst, die unmenschlich macht, schreibt Menachem in einem Kommentar.

Von der „sozialen Marktwirtschaft“ haben wir uns schon lange verabschiedet. Hinter uns liegt eine Entwicklung, in der es unserer Wirtschaft zwar gut ging, aber in der letztendlich kein großer Fortschritt erfolgte. Die Schere zwischen Arm und Reich wird immer größer.

Bevor ich Sie aber an meinen weiteren Gedanken teilhaben lasse, möchte ich Sie mit Amos, dem ältesten Schriftpropheten aus dem ‚Alten Testament’, bekannt machen. Warum? Das werden Sie schnell feststellen. Geschichte wiederholt sich.

bibelo.gifAmos wirkte in der Mitte des 8. Jh. v. Chr. In dieser Zeit waren die Israeliten in Palästina in zwei Staaten aufgeteilt. Im Süden der kleine Staat Juda unter der Regierung von König Usija mit Jerusalem als Hauptstadt. Im Norden der größere Staat Israel mit der Hauptstadt Samaria, der von König Jerobeam II regiert wurde.

Zu Beginn des nach ihm benannten Buches wird Amos als Schaf und Viehzüchter vorgestellt. Er stammt aus Tekoa, einem kleinen Dorf im Südreich, ca. 17 km südlich von Jerusalem. Etwa um 750 v.Chr., eine genauere Festlegung ist nicht möglich, wurde er zum Propheten in das Nordreich Israel berufen, einem wirtschaftlich blühenden Land. Amos folgte dem Ruf. Er verstand sich jedoch weder als Prophet noch als Prophetenschüler. Er war auch kein Mitglied einer Prophetengilde. Er berief sich auf seine Arbeit als Bauer. Seine Tätigkeit als Rinder- und Maulbeerfeigenzüchter hatten ihm Wohlstand, Unabhängigkeit und Selbstbewusstsein beschert. Wirtschaftlich ging es ihm gut. Dieser Umstand schlug sich auf sein Auftreten nieder, ebenso auf seine Art zu sprechen. Amos war niemandem verpflichtet, auch musste er keine Rücksicht auf irgend jemanden nehmen, sodass die Härte seiner Worte nicht als Racheworte eines Zukurzgekommenen zu deuten ist. Amos war einer der größten Sozialkritiker seiner Zeit.

Das 8. Jahrhundert war eine Blütezeit in Israel. Das Nordreich erlebte militärische Erfolge, der Handel florierte. Die Zeit war von Wohlstand und Wachstum geprägt. Dies führte zu einer regen Bautätigkeit. Der Aufschwung kam allerdings nicht allen gleichermaßen zugute. Er konzentrierte sich vor allem in den Städten, insbesondere in der Hauptstadt Samaria. Eine kleine Oberschicht war zu Wohlstand und Reichtum gekommen, hauptsächlich Politiker, Priester und die Familie des Königs.

Die Kehrseite des Wohlstandes einer kleinen Gruppe war die Verarmung breiter Bevölkerungskreise, insbesondere die der Landbevölkerung. Der Ausbau eines umfangreichen Verwaltungsapparates in der Hauptstadt und anderen städtischen Verwaltungszentren, sowie die Entwicklung eines Lebensstils nach gewissen Standards erforderten hohe staatliche Abgaben und Dienstleistungen, die vor allem die Bauern erbringen mussten. Hatten diese jedoch mit Dürre, Seuchen und anderen Unglücksfällen zu kämpfen, so gerieten sie schnell an den Rand des Ruins oder gar in die Schuldsklaverei. Die soziale Schere zwischen Reichen und Armen, Großgrundbesitzern und landarmen oder landlosen Bauern klaffte immer weiter auseinander. Hinzu kamen Korruption in Verwaltung und Rechtsprechung.

Amos kritisierte auch den Verfall des religiösen und sittlichen Lebens. Für ihn war die soziale Schieflage auch ein theologisches Problem. Die religiösen Praktiken entlarvte er als  Scheinveranstaltungen. Wer den Gott des Exodus verehrt, kann nicht gleichzeitig das Recht der Armen mit Füßen treten. Voraussetzung für einen „gültigen“ Gottesdienst war für ihn nicht die Einhaltung von liturgischen Vorschriften, sondern das Praktizieren von Gerechtigkeit.

Neben den bisher genannten Kritikpunkten sprach Amos auch ganz konkrete Ungerechtigkeiten an, die Ungerechtigkeit des Handels und die Feiertagsproblematik. Feiertage waren den Wirtschaftstreibenden schon damals ein Dorn im Auge. „Wann ist der Sabbat vorbei?“, fragen sie. Merken Sie was?

Bevor ich jetzt den Bogen in unsere Zeit spanne mache ich Schluss für heute. Ich brauche dringend ein „Mützchen“ Schlaf. Es war spät gestern Abend ;-)

Vielleicht noch eines zum Abschluss. Mit seinen Untergangsdrohungen hatte Amos keinen Erfolg. Er war ein unbequemer Zeitgenosse und in den Augen der „Schönen und Reichen“ eine Spaßbremse. Er war nervig. Also musster er weg. Von den religiösen Führern wurde er wieder in das Südreich abgeschoben.

Gute Nacht!
Christa Schwemlein

Der Beitrag wurde am Mittwoch, den 17. August 2011 um 21:52 Uhr veröffentlicht und wurde unter Blog-Geflüster, Eigene Gedanken zu..., Kleine Bibelkunde, Nur so... abgelegt. du kannst die Kommentare zu diesen Eintrag durch den RSS 2.0 Feed verfolgen. du kannst einen Kommentar schreiben, oder einen Trackback auf deiner Seite einrichten.

Eintrag Nr. 6691 | Kategorie Blog-Geflüster, Eigene Gedanken zu..., Kleine Bibelkunde, Nur so... | 3 Kommentare »





3 Reaktionen zu “… und es wiederholt sich …”

  1. Menachem

    Ich hatte schon gestern nach deinem Beitrag über Amos auf wikipedia gelesen, Christa, was mich doch sehr verblüfft hatte. Ständen dort keine Jahreszahlen, es könnte auch in jeder Zeitung vom akt. Tagesgeschehen handeln.

    Ist es nicht ver-rueckt? Die Menschen schaffen techn. die kompliziertesten, gewaltigsten und gigantischsten Objekte – doch ein ausgeglichenes soziales System sind sie nicht in der Lage, herzustellen.
    Das hat, oder ist, System und muss unsere Schaffenskraft scheinbar bei weitem übersteigen, sonst würde so etwas doch irgendwo auf dieser Welt existieren.

    Auch mich treibt das Ganze um und wühlt mich auf.
    In den letzten Wochen hatte ich auf oft langen Autofahrten junge Männer neben mir sitzen, die dann irgendwann auch aus ihrer Kindheit und Jugend erzählten. Nach dem 4. oder 5. Lebenslauf, die sich fast wie ein Ei dem anderen glichen, habe ich mich gefragt: Was ist denn normal?
    Eine glückliche Kindheit, so wie wir es überwiegend verstehen, oder müssen Kinder durch Scheidungen, Kriminalität, Kinderheime – um sich ein Kampfpotential für durch das “durch`s Leben” gehen aufzubauen? Ich zweifle wirklich daran – was ist normal?

    Und so habe ich gestern abend beim Einschlafen beschlossen, noch einmal ganz von vorne anzufangen. Bei Adam und Eva.

    Und mein erster Schritt ist:
    Im Paradies kann man nicht glücklich sein. Glück ist nur empfindbar, wenn man Unglück kennt. Das eine bedingt das andere.

    Somit ist das Ende des biblischen Paradies praktisch die Voraussetzung für uns Menschen, Glück zu suchen und zu empfinden. Und Glück ist ja vielleicht immer nur ein Lebensmoment, auf dem Weg, über Berg und Tal geht.

    Doch, und das frage ich mich jetzt, wie tief müssen die Täler sein? Und – macht es wirklich Sinn gegen das System zu kämpfen und es komplett zu reformieren oder sollten wir unsere Kraft nicht besser in ein gutes Arragement mit dem System investieren?

    LG aus Leipzig, wo heute die Sonne auf mich scheint.
    Menachem

  2. Christa

    Stimmt Menachem. Die Worte des Amos haben an Brisanz und Aktualität nichts verloren.

    Es scheint wohl zu der Natur von uns Menschen zu gehören immer mehr besitzen zu wollen. Bei den heftigen Beiträgen, die ich auf den Blogs über “reich und arm” lese muss ich immer auch ein bisschen schlucken. Mein schlechtes Gewissen kann ich nicht leugnen. Ich bin dankbar um mein geregeltes Auskommen (habe auch schon andere Zeiten erlebt) und mir wird unwohl bei dem Gedanken, dass es einmal wieder anders kommen kann.

    Ob es Sinn macht gegen ein System zu kämpfen? Alleine hast du keine Chance, diese Erfahrung habe ich schon mehrmals machen müssen. Unter kommerziellen Druck zeigen nicht mehr viele Menschen Courage. Es fallen immer seltener deutliche Worte. Erst recht in Unternehmen, wo jeder Angst um seinen Arbeitsplatz hat.

    Herzliche Grüße aus Mannheim
    Christa

  3. ver-rueckt » Blog Archiv » Angst, die unmenschlich macht

    [...] hat es in seinem Kommentar bereits angedeutet. Die herbe Kritik des Propheten Amos könnte heute in jeder Tageszeitung zu [...]

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