27. Februar 2011 von Christa

Bei strömenden Regen durch Island – Hans Güth stöhnt

hansEine Stunde vor dem Anlegen in Islands Hauptstadt ist das Glück auf unserer Seite und wir sehen – endlich! – die ersten Wale. Ich schnappe mir sofort meine Kamera und erwische die Rückenflosse eines Buckelwals.

Mein Schatz vergisst über den wunderschönen Anblick dieser Tiere für einen Moment die starken Rückenschmerzen, die sie plagen. Trotz der Medikamente freundlicher Mitreisender wird’s nicht besser und ich denke, dass wir bald den Bordmedizinmann konsultieren müssen.

Pünktlich um 12.00 Uhr fährt die luna majestätisch in den Hafen von Reykjavík ein, dreht und robbt sich zentimeterweise zwischen dem Kreuzer „Saga Ruby“ und zwei russischen Trawlern an die Pier ran. Es nieselt und in der Ferne sehen wir die bedeutendsten Sehenswürdigkeiten dieser Stadt: Die Hallgrimskirche (Hallgrímskirkja) und das Wasserreservoir Perlan.

Zwei Stunden später brechen wir zu unserem Ausflug auf. Bei zunächst leichtem Regen fährt unser Bus durch die Außenbezirke Reykjavíks und schnell erreichen wir die lavabedeckte Hochheide Hellisheidi. In Island nennt man die auf dieser Hochheide liegende Lava „Christenlava“, denn sie floss nach einem Vulkanausbruch ca. 1000 n. Chr., kurz nachdem die Isländer das Christentum angenommen hatten. Damals sagte man, dass die alten Götter Thor, Odin, Frey und Hel den Isländern die Lava als Rache für deren Hinwendung zum Christentum geschickt hatten.

Bei inzwischen starkem Regen kommen wir zum ersten Stopp, dem Hellisheiði-Kraftwerk, dem größten geothermischen Kraftwerk Islands. Schon von Weitem sind zwei hohe Dampfsäulen zu erkennen. Vor der supermodernen Anlage stehen zig Ausflugsbusse, die Scharen von Ausflüglern ausspucken.

Meinen Schatz interessiert das Kraftwerk nicht, sie bleibt im Bus. Ich tue mir das an und muss einen Pseudo-Ingenieur aus Leipzig (?) ertragen, der an einem elektronischen Schaubild allen, die es hören wollen oder nicht hören wollen, erklären muss, wie das heiße Wasser aus dem Boden geholt wird und am Ende der Strom rauskommt. Aber das hätte ich auch ohne den Klugscheißer gewusst. Ich bin schnell der Meinung, dass man sich diesen Besuch hätte sparen können. Und ich denke, ich war da nicht der Einzige.

Der Regen hört einfach nicht auf. So lange wir im Bus sitzen, haben wir damit weniger Probleme. Aber als wir den Gullfoss (isländisch für „Goldener Wasserfall“) erreichen, sehen wir weniger vom Gold. Der Regen prasselt von oben – die vom Gletscher Langjökull gespeiste Hvítá donnert über zwei im nahezu rechten Winkel stehenden Stufen 32 Meter in die Tiefe. Also reichlich Wasser – von oben und von unten.

Anfang des 20. Jahrhunderts wollte der damalige Grundeigentümer nach vielem Hin und Her das Grundstück an einen englischen Investor verkaufen, der hier ein Wasserkraftwerk mit entsprechenden Auswirkungen auf diesen Wasserfall errichten wollte. Die Tochter des Grundeigentümers Sigriður Tómasdóttir verhinderte dies letztendlich. Sie drohte, sich in den Gullfoss zu stürzen, was sie angesichts der 2,5 km langen engen Schlucht, in der die Wasser des Gullfoss tobten, sicherlich nicht überlebt hätte. Also machte ihr Vater einen Rückzieher.

Da das Fotografieren aufgrund des starken Regens hinfällig ist, kaufen wir uns im von Menschen dampfenden Souvenir-Shop ein paar Ansichtskarten und ein T-Shirt für Dennis. Zeit für eine Tasse heißen Kaffee ist auch noch, dann hake ich meine rückenleidende Frau unter und bringe sie mit einem letzten Blick auf den Gulfoss zum Bus.

Wir erreichen die berühmten Geysire im Tal Haukadalur. 1647 bezeichnete Bischoff Brynjólfur Sveinsson zum ersten Mal mit dem Begriff „geysir“ für eine heiße Springquelle; seitdem werden derartige Springquellen im Allgemeinen so bezeichnet. Der große Geysir schleudert seine Wassermassen nur noch äußerst unregelmäßig in den Himmel.

Zum Ausgleich ist gleich daneben der strokkur (isländisch für „Butterfass“) alle acht bis zehn Minuten aktiv und schleudert aus seinem Schlund mit einem Durchmesser von ungefähr zwei Metern eine gewaltige Wasserfontäne 10 bis 25 Meter in die Höhe.

Es regnet noch immer, zwar nicht mehr so stark, aber dafür ohne Unterlass. Überall zischt und brodelt es, in Schlammlöchern sprudelt kochendes Wasser, aus allen Ritzen dringt Dampf aus dem Boden, der mit gelber und brauner Mineralkruste überzogen ist und nach Schwefel stinkt. Man muss aufpassen, wo man hintritt, sonst sind die Chancen groß, gegart oder zumindest „englisch“ aus Teufels Küche wieder raus zu kommen.

Meine Regisseurin will den strokkur unbedingt aus nächster Nähe filmen und ich muss weitere zehn Minuten in strömendem Regen neben ihr stehen, bis es dem Herrn Geysir gefällt, erneut „Hallo“ zu sagen und ich noch nasser werde. Der Wind steht günstig.

Nachdem wir lebend der Hölle entkommen sind, trocknen wir im nahe gelegenen Hotel unsere Klamotten und genießen das Abendessen. Natürlich wieder Lachs mit Gemüse und Kartoffeln, aber sehr schmackhaft. Mein Schatz will unbedingt ein kleines Glas Wein für sieben Euro, Widerspruch zwecklos. Hinter mir spinnt ein älterer Mann rum, der fünf Euro für ein Bier bezahlen muss und von den guten, alten DM-Zeiten träumt.

Nach dem Essen fahren wir über die Mosfellisheiði zur Ebene Þingvellir (Thingvellir).

<thingvellir

Man muss kein Esoteriker sein, noch medial begabt, um zu spüren, dass dies ein magischer Ort ist. Hier liegt in geologischer wie in historischer Hinsicht die Seele des Landes.

In dem wunderschönen Tal vulkanischen Ursprungs haben 934 n. Chr. 38 unabhängige Stammesführer und Familienoberhäupter – einen König gab es in Island nie – beschlossen, ihre Ideen und Erfahrungen im ersten Parlament des Landes, dem Althing, zu vereinen und sich jedes Jahr für zwei Wochen im Tal von Þingvellir zu treffen. An diesem damals recht zentralen Ort wurden Recht gesprochen, Urteile gefällt, Streitigkeiten beigelegt und Gesetze erlassen. Diese Regierungsform mit ihrer zwanglosen Föderation kann durchaus als erstes europäisches Parlament bezeichnet werden. Die Gesetzestexte, das juristische System und die republikanische Regierungsform überdauerten immerhin 300 Jahre.

An einem kleinen See in der Nähe wurden die Todesurteile vollstreckt. Die Männer wurden geköpft, die Frauen ertränkt. Auch eine Liste der weiblichen Delinquenten liegt dort aus. Die meisten unserer Ausflüglerinnen gehen schnell weiter.
Heute gibt es nur ein einziges Gefängnis in Island (Reykjavik), wo die Verurteilten nach ihrem Urteil meist noch ca. zwei Jahre auf die Verbüßung ihrer Haftstrafe warten müssen, da der Knast hoffnungslos überfüllt ist. „Most wanted“ sind immer noch die 30 Banker, die das Land 2009 in die Bankenkrise und in den Ruin geführt haben.

Eine kleine Wanderung durch die Allmännerschlucht führt uns zum Parkplatz, wo die Busse auf uns warten. Von ganz oben hat man herrliche Ausblicke auf den im Sonnenschein liegenden, fischreichen, größten See Islands Þingvallavatn, wo die Macht des Atlantiks gebrochen ist und kein Touristendampfer den Frieden stört, auf das satte Grün in der Ebene und an den Hängen, die bizarren Felsformationen und den gut erkennbaren Grabenbruch, wo die nordamerikanische und die eurasische Kontinentalplatte aufeinander treffen bzw. jährlich vier bis fünf Zentimeter auseinander driften. Einer der Mitreisenden bemerkt, dass „da drüben Amerika ist und hier Europa“. Womit er im Prinzip Recht hat.

Seit 1928 steht diese Hochebene als erster Nationalpark Islands unter Naturschutz. Dort, wo heute die 1860 errichtete Kirche steht, wurde vermutlich 1000 n. Chr., direkt nach Annahme des Christentums, die erste Kirche Islands erbaut. Die Kirche fiel allerdings gut 100 Jahre später einem Sturm zum Opfer. In den fünf weißen Holzhäusern wohnen der Direktor des Nationalparks und der örtliche Pfarrer. Am 17. Juni 1944 wurde hier die eigenständige Republik Island ausgerufen.

Es ist nicht mehr weit bis Reykjavik, wo wir gegen 22.00 Uhr Perlan (=Perle) erreichen. Perlan ist ein aus sechs riesigen Wassertanks bestehendes Gebäude mit sechseckiger, frei zugänglicher Aussichtsplattform, mit einer 14 Meter hohen gläsernen Kuppel, sündhaft teuren Restaurants, Geschäften, Konferenzzentrum und mit einer an einen Geysir erinnernden computergesteuerten Fontäne. In vier der sechs Tanks werden 24.000 m³ 80 Grad heißes Wasser gespeichert, das größtenteils aus nahe liegenden Geothermalgebieten eingespeist wird. Die beiden anderen Tanks sind für zurückfließendes Wasser aus dem Gesamtsystem vorgesehen. In Reykjavík existieren insgesamt drei Speicherkomplexe, wobei auf Perlan nur in Spitzenzeiten zurückgegriffen wird. Übrigens, im Winter gibt es in Reykjavík so gut wie kein Glatteis, Geothermik nach dem Prinzip der Fußbodenheizung macht es möglich.
Von der Aussichtsplattform haben wir einen tollen Blick über die Stadt, die historischen Häuser, das Regierungsgebäude aus dem Jahre 1756, das, als das einzige gemauerte Gebäude Reykjavíks ironischerweise zuerst ein Gefängnis war und auf die erst 1986 fertig gestellte Hallgrímskirkja (Hallgrimskirche).

Gegen 23.00 Uhr sind wir wieder zurück auf der luna und kommen gerade recht, um wenig später auf unserem Balkon unseren ersten nordischen Sonnenuntergang zu genießen und den Tag noch einmal revue passieren zu lassen.

Wir stellen fest, es gibt viele Gründe, Island zu mögen. Die Landschaft, die Leute, die Kultur, das Essen, das Wetter. Wer hinhört und hinschaut, lernt ständig Neues dazu, auch wenn er die Sprache nicht versteht. Von Island lernen, heißt arbeiten und leben lernen.

 reykjavik

Eine gute Nacht wünscht Ihnen Ihr Reiseleiter
Hans

Der Beitrag wurde am Sonntag, den 27. Februar 2011 um 20:33 Uhr veröffentlicht und wurde unter Reisen abgelegt. du kannst die Kommentare zu diesen Eintrag durch den RSS 2.0 Feed verfolgen. du kannst einen Kommentar schreiben, oder einen Trackback auf deiner Seite einrichten.

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    [...] Bei strömenden Regen durch Island Auch wenn’s ab und zu ein wenig feucht wird, Island ist eine wunderschöne Insel. [...]

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