3. November 2010 von Christa

Friedhofsgedanken

Ein beeindruckendes Bild bot sich mir auf dem Friedhof. Fast alle Gräber waren festlich herausgeputzt und mit aufwändigen Gestecken geschmückt. Auf vielen brannten Kerzen und Lämpchen. Ein Bild, das mich noch jetzt nachdenklich stimmt.

Während ich am Grab meiner Eltern stand und meinen Gedanken nachhing tauchte vor meinem Inneren der letzte Friedhofsbesuch zusammen mit meiner Mutter auf. Es war genau vor einem Jahr. Ähnlich wie in diesem Jahr war an Allerheiligen noch die milde Kraft der Sonne zu spüren, ein wunderschöner Herbsttag.

Meine Mutter bat mich, sie auf den Friedhof zu begleiten. Ein ungewöhnlicher Wunsch, da sie schlecht zu Fuß war. Wir besuchten die Gräber unserer verstorbenen Verwandten, entzündeten Kerzen und verweilten ein wenig. Mit Geschichten und Anekdoten aus dem Leben unserer Toten erinnerten wir uns. Noch heute muss ich schmunzeln wenn ich an die Gesichter der Menschen denke, die uns so herzhaft lachen sahen, an einem Ort, wo es eigentlich nichts zu lachen gibt.

„Das schönste Grab nützt nix, wenn du drin liegst“, sprach sie mehr zu sich selbst. Ich ließ ihre Worte eine Weile in mir nachklingen und antwortete ziemlich intuitiv: „Liebe und Zuneigung, die wir nicht im irdischen Leben schenken, kommen für immer zu spät. Da rettet auch das schönste Grab nichts mehr. Lass uns noch im Altenheim vorbeischauen!“

Sie war sehr erschöpft. Dennoch willigte sie ein. Mit ihrem Lebensgefährten und einigen anderen Heimbewohnern verbrachten wir eine wunderschöne Stunde miteinander. Wir tranken Kaffee, aßen Kuchen und erzählten von unserem „etwas anderen“ Friedhofsbesuch.

„Die eigene Präsenz ist das größte Glück, das ein Mensch einem anderen machen kann“, las ich neulich bei Bernd Franzen. Nutzen wir deshalb die Zeit für Besuche, die wir schon so lange machen wollten! Oder schreiben wir endlich die Briefe, die wir schon längst schreiben wollten! Das Licht der „eigenen Präsenz“ erhellt mehr als alle Lichter auf den Gräbern.

Christa Schwemlein

P.S.
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Der Beitrag wurde am Mittwoch, den 3. November 2010 um 21:29 Uhr veröffentlicht und wurde unter Blog-Geflüster, Eigene Gedanken zu..., Humor, Zeit, Zitate abgelegt. du kannst die Kommentare zu diesen Eintrag durch den RSS 2.0 Feed verfolgen. du kannst einen Kommentar schreiben, oder einen Trackback auf deiner Seite einrichten.

Eintrag Nr. 4774 | Kategorie Blog-Geflüster, Eigene Gedanken zu..., Humor, Zeit, Zitate | 2 Kommentare »





2 Reaktionen zu “Friedhofsgedanken”

  1. Ulf Runge

    Liebe Christa,

    ich genieße es, in genau diesem Augenblick bei Dir “präsent” sein zu dürfen.

    Das Schöne an diesem Wort ist ja auch, dass es nicht nur gegenwärtig bedeutet, sondern (zumindest im Angelsächsischen) auch “Geschenk”.

    Schön, dass Du mit Deiner Mutter so einen schönen Tag verbringen durftest. Und über Hierseits und Jenseits reflektieren.

    Liebe Grüße,
    Ulf

  2. Christa

    Aber Ulf, es war 0.18 Uhr! Was sollen da die Leute denken? tzz – Christa

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